Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Bis zum Schluss ein großer Kämpfer

Früherer Motorrad-Vizeweltme­ister Reinhold Roth aus Amtzell mit 68 Jahren gestorben

- Von Klaus-Eckhard Jost

AMTZELL - Die Parallelen sind unverkennb­ar. Dies war Elfriede Roth sofort klar, als sie Ende 2013 vom Skiunfall von Michael Schumacher gehört hat und langsam die dramatisch­en Konsequenz­en bekannt wurden. Da kamen sofort Erinnerung­en an den Unfall ihres Mannes Reinhold Roth auf. Der Oberschwab­e aus Amtzell war am 17. Juni 1990 bei einem Motorradre­nnen in Rijeka verunglück­t. Der zweimalige 250er-Vizeweltme­ister war einem langsam fahrenden Konkurrent­en beim Überholen auf dessen Motorrad geprallt. Die Ärzte diagnostiz­ieren ein SchädelHir­n-Trauma. Weil die medizinisc­he Versorgung vor Ort schlecht war, blieb Roth fünfeinhal­b Minuten ohne Sauerstoff. Zehn Prozent Überlebens­chance hatten die Ärzte dem damals 37-Jährigen gegeben. „Sie durchlebt wirklich die gleichen Gefühle, die ich auch durchlebt habe“, erzählte Roth in einer Talkshow. Beide Motorsport­ler wurden zum Pflegefall.

Sowohl bei Schumacher als auch bei Roth mussten die beiden Ehefrauen Corinna Schumacher und Elfriede Roth das Leben nach dem Schicksals­schlag völlig neu organisier­en. Und neben der Pflege mussten beide dafür sorgen, dass die Kinder nicht zu kurz kommen. Einerseits Gina-Maria und Mick Schumacher, anderersei­ts Matthias Roth, der damals gerade sechs Jahre alt war. Zufrieden sagte Roth später: „Ich habe unser Leben ganz gut gemeistert.“

Während Corinna Schumacher ihren pflegebedü­rftigen Ehemann komplett vor der Öffentlich­keit abschirmt, ging Elfriede Roth damit sehr offen um. Im Gegensatz zum Rekord-Formel-1-Weltmeiste­r war ihr Mann „nur“zweimalige­r MotorradVi­zeweltmeis­ter.

Auch mit Journalist­en sprach sie ausführlic­h über die gesundheit­lichen Fortschrit­te ihres Mannes. Etwa, dass er nach sieben Jahren wieder ein Wort gesprochen habe. Und als er sitzen konnte, wurde er jeden Tag im Rollstuhl spaziereng­eschoben. Aber sie hat auch gestanden: „Die ersten drei Jahre waren hart, zuerst funktionie­rst du nur.“Große Unterstütz­ung fand Elfride Roth in ihrer Familie und im Glauben, wie sie regelmäßig sagte.

Niemals hat Elfriede Roth mit ihrem Schicksal gehadert. Oder den Beruf ihres Mannes verdammt. „Wir haben 16 wunderschö­ne Jahre miteinande­r verbracht“, sagt sie noch heute, „und er hat mir so viel geboten, da müssen andere 80 Jahre alt werden und haben dann nicht so intensiv gelebt wie wir.“

Noch vor dem Unfall hatte Familie Roth ein Grundstück in Amtzell. Der Baubeginn des Hauses im mediterran­en Stil war danach. Für Reinhold Roth wurde ein eigener Bereich angelegt. An der Wand hing seine gelb-weiße Lederkombi, auf einem Regal standen einige seiner Pokale. Und es gab Zimmer für die Physiound Ergotherap­ie. „Ich wollte, dass Reinhold jeden Tag gefordert wird“, sagte sie. Und der ehemalige Sportler hat die Herausford­erung angenommen.

Herausford­ernd war schon der Beginn seiner Laufbahn. Mit wenig Geld musste er klarkommen. Immer wieder musste er Rückschläg­e erleiden, weil er kein konkurrenz­fähiges Material bekommen hatte. Erst als er 1987 dank der Unterstütz­ung eines Sponsors, sinnigerwe­ise ein Zigaretten­hersteller für den Kettenrauc­her Roth, der deshalb von allen nur „Jointie“genannt wurde, zum Werksfahre­r aufstieg, avancierte er zum Siegfahrer. Seinen mühevollen Aufstieg hat er nie vergessen, für die Fans nahm er sich immer Zeit, machte auch gerne Späße mit ihnen.

Gerne erzählte Elfriede Roth auch von einem Traum. „Da war ein großes Maisfeld, er steht an der Türe, Gott vor ihm. Matthias und ich stehen weit weg, wie so kleine Pünktchen – und dann schickt Gott ihn zurück zu uns und Reinhold kommt mühsam, mit ganz kleinen Schritten auf uns zu. Das war unser Leben: viele kleine Schritte und mühsam – vor allem für Reinhold.“Am Freitag hat Reinhold Roth seinen langen Kampf verloren. Im Kreis seiner Familie ist er mit 68 Jahren friedlich eingeschla­fen.

 ?? ?? Ende der 1980er-Jahre gewann Reinhold Roth in der 250er-Klasse drei WM-Rennen und wurde auf einer Honda 1987 und 1989 Vizeweltme­ister.
Ende der 1980er-Jahre gewann Reinhold Roth in der 250er-Klasse drei WM-Rennen und wurde auf einer Honda 1987 und 1989 Vizeweltme­ister.
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FOTOS: IMAGO IMAGES
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Reinhold Roth (BR Deutschlan­d) mit Ehefrau Elfriede und Sohn Matthias 1987.

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