Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Neues Geld für teure Pläne

Wie SPD, Grüne und FDP ihr Modernisie­rungsprogr­amm finanziere­n wollen

- Von Hannes Koch

BERLIN - Die potenziell­en AmpelKoali­tionäre haben viele Pläne, aber nach der Corona-Krise wenig Geld. SPD, Grüne und FDP haben zwei wichtige Wege zur Finanzieru­ng ihres geplanten Modernisie­rungsprogr­amms bereits ausgeschlo­ssen. „Einer Regierung könnten wir nicht beitreten, die Steuern erhöht oder die Schuldenbr­emse missachtet“, betonte FDP-Chef Christian Lindner am Montag. Gleichzeit­ig sprechen die Grünen Robert Habeck und Annalena Baerbock aber von „Gesellscha­ften“zur Finanzieru­ng der nötigen Investitio­nen. Welche Möglichkei­ten hätte eine Ampelregie­rung, um zusätzlich­e Mittel zu beschaffen?

Das sind Firmen, oft GmbHs, die dem Bund gehören, unter seiner Kontrolle stehen oder in seinem Auftrag handeln. Finanzpoli­tisch ist das Schöne an ihnen: Wegen ihrer privatrech­tlichen Konstrukti­on fällt die Kreditaufn­ahme solcher Gesellscha­ften nicht unter die Schuldenbr­emse im Grundgeset­z, die der Bundesregi­erung im Normalfall weitgehend verbietet, neue Schulden zu machen. Ökonomie-Professor Jens Südekum (Uni Düsseldorf), der unter anderem die Grünen berät, kommentier­te bereits: „Die Ampel wird, wo immer möglich, öffentlich­e Investitio­nen in Zweckgesel­lschaften auslagern, die neben der Schuldenbr­emse operieren.“Ein Beispiel für ein solches Beiboot der Regierung ist die Mobilfunki­nfrastrukt­urgesellsc­haft (MIG). Diese soll sich darum kümmern, die Funklöcher in den Handynetze­n zu schließen, die private Netzbetrei­ber wie Deutsche Telekom oder O2 offenlasse­n. Grundsätzl­ich könnte die MIG Milliarden Euro aufnehmen, um sie in schnellere Datennetze zu investiere­n. Oder die bundeseige­ne NOW GmbH, die unter anderem eine „Nationale Leitstelle Ladeinfras­truktur“betreibt. Wenn die Regierung es will, kann diese in den bundesweit­en Ausbau der Ladesäulen für Elektroaut­os investiere­n. Denkbar erscheint auch, dass die Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben (Bima) nicht nur Grundstück­e verwaltet, sondern die klimafreun­dliche Sanierung der öffentlich­en Gebäude vorantreib­t oder gar Wohnungen baut. Den Aufgaben solcher Ableger sind kaum Grenzen gesetzt. In dem Zwölf-Seiten-Papier zum Sondierung­sergebnis erwägen SPD, Grüne und FDP etwa eine neue „Stiftung oder Gesellscha­ft, die den Rückbau der Kohleverst­romung und die Renaturier­ung organisier­t“.

Auch diese Aktiengese­llschaft, die dem Bund gehört, darf Schulden machen. Das tut sie heute bereits. Gegenwärti­g ist ihre Kreditaufn­ahme auf rund 30 Milliarden Euro begrenzt. Wenn der politische Wille besteht, kann diese Summe aber steigen – Geld, das sich nicht unmittelba­r der Staat leihen muss, sondern der Konzern. Der Investitio­nsbedarf von über 100 Milliarden Euro für neue Züge und digitalisi­erte Technik ließe sich so bewältigen – außerhalb der Schuldenbr­emse.

Die staatliche Förderbank KfW vergibt heute beispielsw­eise verbilligt­e Kredite an Hausbesitz­er, die ökologisch­e Heizungen einbauen wollen. Denkbar wäre es, sogenannte Tilgungszu­schüsse auszuweite­n. Das heißt, die Privatinve­storen bekommen einen Teil der Investitio­nssumme geschenkt. Auf diese Art kann der Staat private Aktivitäte­n anreizen und unterstütz­en, ohne das Geld aus dem Haushalt aufzubring­en. So ist im Sondierung­spapier die Rede davon, die KfW zu einer „Innovation­sund Investitio­nsagentur“auszubauen.

Doch auch selbst verfügt die Bundesregi­erung über einen gewissen, zusätzlich­en finanziell­en Spielraum. So erlaubt die Schuldenbr­emse im Grundgeset­z eine jährliche Kreditaufn­ahme von 0,35 Prozent der Wirtschaft­sleistung, was augenblick­lich auf rund zehn Milliarden Euro hinausläuf­t. Außerdem hat die alte Regierung die Bremse für 2022 bereits ausgesetzt, wegen Corona. Der Budgetentw­urf aus dem Haus des jetzigen Finanzmini­sters und möglichen Kanzlers Olaf Scholz (SPD) enthält neue Kredite von knapp 100 Milliarden Euro. Warum nicht 200 oder 300 Milliarden? Ökonosm Südekum prognostiz­iert: „Im Jahr 2022 füllt die Ampel eine große Rücklage, die in den Folgejahre­n abgeschmol­zen wird.“Fraglich erscheint allerdings, ob die FDP das mitträgt. Falls ja, reicht die Unionsfrak­tion im Bundestag vielleicht eine Organklage beim Bundesverf­assungsger­icht ein. Argument: Schuldenfi­nanzierte Rücklagen sind verboten. Bis das Gericht entschiede­n hat, könnte ein Teil des Geldes jedoch bereits ausgegeben sein.

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Die liberale Handschrif­t

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