Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Ein tragischer Held
Colin Powell war US-Außenminister – Über seiner Karriere liegen Schatten
WASHINGTON - Der Sohn jamaikanischer Einwanderer versuchte stets das Richtige zu machen. Als fleißiger Schüler in der armen South Bronx von New York, wo Colin Powell in einer multiethnischen Nachbarschaft aufwuchs. Später dann als GeologieStudent des City College und eifriger Anwärter des „Reserve Officer Training Corps“der US-Army. Mit dem gleichen Impetus diente er sich von Einsätzen in Vietnam als junger Offizier die Ränge hoch zum Vier-Sterne-General, der seinen vierten Stern in Deutschland verdiente und als Joint Chiefs of Staff im ersten Golfkrieg zu nationalem Ruhm gelangte. Mit großen Ambitionen trat er unter George W. Bush den Posten des USAußenministers an.
Intellektuelle Brillanz begleitet von einem Sinn für Pragmatismus und einer Menge Charme gehören zu Eigenschaften, die viele seiner Bewunderer mit Colin Powell verbinden. Doch die Umstände seines Todes rücken eine andere Dimension seiner Persönlichkeit in den Blick: Die Tragik des Scheiterns an den eigenen Ansprüchen. Powell hatte nicht einen Moment gezögert, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Dass er sich dennoch ansteckte und am Ende dem Erreger erlag, kam so unerwartet, wie seine Rolle als Chefankläger Saddam Husseins im Weltsicherheitsrat im Februar 2003.
Ausgerechnet der Mann, der sich in der Rolle als Chefdiplomat Bushs intern nach Kräften gegen den Marsch in den zweiten Irak-Krieg gestemmt hatte, setzte seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel, als er bei den
Vereinten Nationen über 75 Minuten lang eine Kette von Indizien präsentierte, die beweisen sollte, dass Irak im Besitz von Massenvernichtungswaffen sei. Bei der anschließenden Invasion des Irak musste Powell erleben, wie die Regierung die nach ihm benannte Doktrin ignorierte. Diese besagte, dass US-Streitkräfte nur als letztes Mittel, mit breiter Unterstützung der Bevölkerung und einer durchdachten Exit-Strategie nach Ende des Konflikts eingesetzt werden sollen. Doch die USA hatten weder ein klar definiertes Ziel noch genoss die Regierung breite Unterstützung in der Bevölkerung. Dass am Ende das Desaster eintrat, vor dem der Außenminister Bush abzubringen versucht hatte, bedauerte Powell zeitlebens zutiefst. In einem Interview nach seinem Rücktritt nannte er seinen Auftritt vor dem Weltsicherheitsrat als „Schandfleck“seiner Karriere, den er nur schwer wegstecken könne.
Solche tragischen Momente hatte es allerdings schon früher in seiner
Ausnahmelaufbahn als schwarzer Offizier und Politiker gegeben. Während seiner Zeit in Vietnam wie in der Iran-Contra-Affäre blieb Powell hinter dem später kultivierten Image des über alle Zweifel Erhabenen zurück. Er verstand seinen Anteil am Aufstieg Donald Trumps, der von dem Ärger an der republikanischen Basis über den Interventionismus der Neokonservativen profitierte. Und sprach sich öffentlich gegen die autokratischen Neigungen des Populisten im Amt aus. „Er lügt“, sagte Powell in einem CNN-Interview über den Präsidenten.
Sein Austritt aus der Republikanischen Partei nach dem Aufstand der Trump-Anhänger vom 6. Januar markierte die Endstation einer politischen Reise. Powell hat in seiner Karriere viel erreicht. Sein Erfolg als Politiker blieb hingegen hinter den eigenen Ansprüchen zurück. Es ist die Tragik eines Menschen, der sonst als einer der ganz großen Gestalten in die Geschichte der USA eingegangen wäre.