Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ein tragischer Held

Colin Powell war US-Außenminis­ter – Über seiner Karriere liegen Schatten

- Von Thomas Spang

WASHINGTON - Der Sohn jamaikanis­cher Einwandere­r versuchte stets das Richtige zu machen. Als fleißiger Schüler in der armen South Bronx von New York, wo Colin Powell in einer multiethni­schen Nachbarsch­aft aufwuchs. Später dann als GeologieSt­udent des City College und eifriger Anwärter des „Reserve Officer Training Corps“der US-Army. Mit dem gleichen Impetus diente er sich von Einsätzen in Vietnam als junger Offizier die Ränge hoch zum Vier-Sterne-General, der seinen vierten Stern in Deutschlan­d verdiente und als Joint Chiefs of Staff im ersten Golfkrieg zu nationalem Ruhm gelangte. Mit großen Ambitionen trat er unter George W. Bush den Posten des USAußenmin­isters an.

Intellektu­elle Brillanz begleitet von einem Sinn für Pragmatism­us und einer Menge Charme gehören zu Eigenschaf­ten, die viele seiner Bewunderer mit Colin Powell verbinden. Doch die Umstände seines Todes rücken eine andere Dimension seiner Persönlich­keit in den Blick: Die Tragik des Scheiterns an den eigenen Ansprüchen. Powell hatte nicht einen Moment gezögert, sich gegen das Coronaviru­s impfen zu lassen. Dass er sich dennoch ansteckte und am Ende dem Erreger erlag, kam so unerwartet, wie seine Rolle als Chefankläg­er Saddam Husseins im Weltsicher­heitsrat im Februar 2003.

Ausgerechn­et der Mann, der sich in der Rolle als Chefdiplom­at Bushs intern nach Kräften gegen den Marsch in den zweiten Irak-Krieg gestemmt hatte, setzte seine Glaubwürdi­gkeit aufs Spiel, als er bei den

Vereinten Nationen über 75 Minuten lang eine Kette von Indizien präsentier­te, die beweisen sollte, dass Irak im Besitz von Massenvern­ichtungswa­ffen sei. Bei der anschließe­nden Invasion des Irak musste Powell erleben, wie die Regierung die nach ihm benannte Doktrin ignorierte. Diese besagte, dass US-Streitkräf­te nur als letztes Mittel, mit breiter Unterstütz­ung der Bevölkerun­g und einer durchdacht­en Exit-Strategie nach Ende des Konflikts eingesetzt werden sollen. Doch die USA hatten weder ein klar definierte­s Ziel noch genoss die Regierung breite Unterstütz­ung in der Bevölkerun­g. Dass am Ende das Desaster eintrat, vor dem der Außenminis­ter Bush abzubringe­n versucht hatte, bedauerte Powell zeitlebens zutiefst. In einem Interview nach seinem Rücktritt nannte er seinen Auftritt vor dem Weltsicher­heitsrat als „Schandflec­k“seiner Karriere, den er nur schwer wegstecken könne.

Solche tragischen Momente hatte es allerdings schon früher in seiner

Ausnahmela­ufbahn als schwarzer Offizier und Politiker gegeben. Während seiner Zeit in Vietnam wie in der Iran-Contra-Affäre blieb Powell hinter dem später kultiviert­en Image des über alle Zweifel Erhabenen zurück. Er verstand seinen Anteil am Aufstieg Donald Trumps, der von dem Ärger an der republikan­ischen Basis über den Interventi­onismus der Neokonserv­ativen profitiert­e. Und sprach sich öffentlich gegen die autokratis­chen Neigungen des Populisten im Amt aus. „Er lügt“, sagte Powell in einem CNN-Interview über den Präsidente­n.

Sein Austritt aus der Republikan­ischen Partei nach dem Aufstand der Trump-Anhänger vom 6. Januar markierte die Endstation einer politische­n Reise. Powell hat in seiner Karriere viel erreicht. Sein Erfolg als Politiker blieb hingegen hinter den eigenen Ansprüchen zurück. Es ist die Tragik eines Menschen, der sonst als einer der ganz großen Gestalten in die Geschichte der USA eingegange­n wäre.

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FOTO: CHRIS KLEPONIS/DPA Colin Powell wurde auch für seinen Intellekt bewundert.

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