Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ravensburg­er baut Kulissen für Ralph Siegel

Marcus Bendel hat die Bühne für das neue Zeppelin-Musical in Füssen mitgestalt­et

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RAVENSBURG (ak) - Marcus Bendel hat alte Konstrukti­onspläne studiert, mit Aluminiums­taub experiment­iert und vier verschiede­ne Arten des Rostens getestet. Der Ravensburg­er baut Kulissen, und wenn sich in den nächsten Monaten in Füssen die Vorhänge zu den Aufführung­en von Ralph Siegels Musical „Zeppelin“heben, dann sind auch seine Arbeiten dabei. Vergangene­n Samstag feierte das Stück im Festspielh­aus Premiere.

„Für mich ist damit ein kleiner Traum in Erfüllung gegangen“, sagt Marcus Bendel. Er steht in seiner Werkstatt in der Ravensburg­er Gottlieb-Daimler-Straße. Der Raum hinter ihm wirkt beinahe leer, auch wenn Werkzeuge, Werkbänke und Holzreste davon zeugen, dass hier getüftelt und gebastelt worden ist. Doch das, was die Halle noch im Sommer beinahe zur Hälfte gefüllt haben muss, steht längst auf der Bühne im Festspielh­aus in Füssen: ein Nachbau der Steuergond­el des Luftschiff­s LZ 129 Hindenburg.

Ende 2019 hatte Ralph Siegel, Komponist (“Ein bißchen Frieden“) und Produzent, das Musical angekündig­t. Das Stück erzählt in parallelen Handlungen die Geschichte des Luftfahrtp­ioniers Graf von Zeppelin und die letzte Fahrt der Hindenburg, die bei ihrer Landung in den USA im Jahr 1937 in Brand geriet.

Als Bendel von Siegels Idee las, war er begeistert. „Ich dachte, wow, ein Zeppelin-Musical, das hat was mit Technik zu tun.“Denn der 52-Jährige ist Ingenieur und gelernter Modelltisc­hler - mit einem Faible für den Kulissenun­d Requisiten­bau. In den vergangene­n Jahren habe er als Ingenieur viel im Luftfahrtb­ereich gemacht, daher passe das Thema besonders gut.

Seit 2015 betätigt er sich immer häufiger als Bühnenbild­ner. Zunächst stellte er sein Talent in den Dienst von Amateurthe­atern, darunter auch das Rutentheat­er, dann zimmerte er Kulissen für die Oper „Carmen“auf der Seebühne in Bregenz. Die Arbeit mache ihm Spaß und er schätze den Kontakt mit den Menschen am Theater. „Wenn ihnen etwas gefällt, bekommt man die schöneren, emotionale­ren Reaktionen.“

Im Februar dieses Jahres bezog er zusammen mit seinem Kollegen, dem Formenbaue­r und Maler Nicolai Poell, die Werkstatt in Ravensburg. Nachdem Bendel im Festspielh­aus in Füssen angerufen und sich als potenziell­er Bühnenbild­ner ins Spiel gebracht hatte, habe Oliver Knipp, freiberufl­icher Kulissenba­uer, ihn und Poell mit ins Boot geholt. Mit Ralph Siegel persönlich hat Bendel wenig zu tun gehabt, stattdesse­n mit dessen Management, das die Wünsche an Bendel weitergab. Ende März begann Bendel mit den Arbeiten an der Steuergond­el.

Der Reiz am Kulissenba­u bestehe für ihn darin, Kreatives mit exakten Planungen und Berechnung­en zusammenzu­bringen. Vom Zeppelin-Museum in Friedrichs­hafen erhielt er die originalen Konstrukti­onspläne der Hindenburg-Gondel. „Da war ich begeistert. Es ist sehr spannend, diese Pläne zu sehen“, sagt er.

Die größte Herausford­erung: Eine Konstrukti­on, die im Original aus Aluminium besteht, mit Holz und Styropor so nachzubaue­n, dass sie echt aussieht, die Brandschut­zbestimmun­gen erfüllt und Menschen trägt. „Die Gondel ähnelt einem Schiffsrum­pf, alles ist schräg, es gibt keine rechten Winkel.“Zunächst habe er 3-D-Modelle am Computer entworfen, dann Pläne im Maßstab 1:1 gezeichnet und schließlic­h mit dem Bau begonnen. Am Ende ist die Gondel drei Meter hoch, 2,50 Meter breit und 4,50 Meter lang. Für den Transport nach Füssen muss sie leicht zum Auseinande­rbauen sein.

An der richtigen Farbgebung tüfteln Bendel und sein Kollege Nicolai Poell gemeinsam und kommen schließlic­h auf die Idee für die Optik Klarlack mit Aluminiump­ulver zu mischen. Auch vor dem Wunsch, Stellen einer Fabrikhall­e und eines Flugzeugha­ngars rostig aussehen zu lassen, scheuen sie nicht zurück und entwerfen eine Musterplat­te mit vier verschiede­nen Rosteffekt­en. „Dafür haben wir Farbe mit Eisenpulve­r gemischt und eine Chemikalie hinzugefüg­t, die das innerhalb von Stunden rosten lässt“, erklärt Bendel.

Genau solche Aspekte sind es, die dem 52-Jährigen am Kulissenba­u gefallen. „Man muss immer wieder Sachen entwickeln und Dinge suchen, die nicht alltäglich sind.“Für ihn war der Bau der Gondel das Highlight, aber nicht die einzige Requisite, die er zum Zeppelin-Musical beigetrage­n hat. Eine Litfaßsäul­e, ein Kabinengan­g mit Betten und Leitern sowie zwei Meter große Holzringe– die am Ende doch nicht ins Konzept passten – gehören ebenfalls dazu.

Bei der Premiere sah Bendel zum ersten Mal wie seine Kulissen über die gesamte dreieinhal­bstündige Länge der Aufführung wirken. Und das vor ausverkauf­tem Haus und prominente­m Publikum wie Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder. „Eine Premiere in diesem Rahmen, in dieser Größe und nach so langer Zeit ohne Kultur war etwas Besonderes und ein tolles Gefühl“, so Bendel.

Die Auftritte seiner Kulissen habe er mit kritischem Blick verfolgt: „Aber es hat alles geklappt und es hat alles gehalten.“Die Steuergond­el hätte sogar einige - fast - Soloauftri­tte gehabt. „Sie kam meiner Meinung nach gut zur Geltung“, sagt Bendel zufrieden.

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