Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Sozialstation kooperiert beim „Adler“
Pläne sehen Neubau neben dem ehemaligen Gasthaus in Kißlegg vor
KISSLEGG - Aus dem ehemaligen Gasthaus „Adler“in Kißlegg soll zusammen mit einem geplanten Neubau eine Art Pflegezentrum im Kißlegger Ortskern werden. Die Investoren haben sich dazu die Sozialstation St. Vinzenz ins Boot geholt. Der Gemeinderat gab dem Projekt jüngst mit großer Mehrheit grünes Licht. Bedenken gibt es allerdings bei der Parkplatzfrage. Und auch der Denkmalschutz hat bei den Plänen noch ein Wörtchen mitzureden.
Den „Adler“will Bauherr Werner Brigel im Erdgeschoss zu einer Tagespflege-Einrichtung umbauen. Dort sollen beispielsweise Menschen mit Demenzerkrankungen an Wochentagen tagsüber betreut werden, die ansonsten noch zu Hause leben und dort etwa von Angehörigen und ambulanten Pflegediensten versorgt werden. In den beiden Obergeschossen sollen sechs Wohnungen zwischen 60 und 80 Quadratmetern Größe entstehen.
Teil der Projekts ist aber auch ein quasi L-förmiger Neubau, der sich nebenan vom Gelände des einstigen Hauses Riedesser hinter dem „Adler“-Gebäude bis zur Fürst-Maximilian-Straße zieht und mit dem „Adler“über ein gemeinsames Treppenhaus verbunden wird. Alle Wohnungen wären dann über einen Aufzug und einen verbundenen Laubengang erreichbar. In dem Neubau sollen 24 Wohnungen zwischen 55 und 100
Quadratmetern Größe für betreutes Wohnen entstehen, im Erdgeschoss soll eine Sozialstation einziehen.
Das Vorhaben stieß bei den Gemeinderäten auf viel Zustimmung. Christoph Dürr (CDU) etwa sagte: „Wir sind sehr froh, dass das Areal belebt wird.“Josef Kunz (SPD) lobte die Umnutzung als „richtig sinnvoll. Die Gesellschaft wird immer älter, das können wir gut brauchen.“
Detlef Radke (FWV) betonte den Einsatz der privaten Investoren, die sich dem „Adler“trotz der Kosten annehmen. Denn dort spricht auch der Denkmalschutz mit – noch steht dessen abschließende Beurteilung aus, wie eine Nachfrage von Andreas Kolb ergab. Der GOL/ELK-Rat wünschte den Bauherren, „dass es trotz Preissteigerungen gut klappt“.
Nachfragen, teils auch Kritik, brachte vor allem die Parkplatzfrage mit sich. Mit dem Neubau fallen die bisherigen Stellplätze zwischen „Adler“und „Schlosskeller“weg – genauso wie die auf der provisorischen Parkfläche auf dem ehemaligen Haus Riedesser-Gelände. In der geplanten, von der Fürst-Maximilian-Straße aus erreichbaren Tiefgarage unter dem Neubau sollen 15 Parkplätze für Autos sowie 30 Abstellplätze für Fahrräder und Rollatoren entstehen. Vier weitere Stellplätze sind vor dem Gebäudekomplex geplant.
Dass das für Angestellte, Besucher und das Bringen und Holen von Klienten der Tagespflege knapp werden könnte, klang in den Beiträgen der Ratsmitgliedern mehrfach an. Daran änderten auch die Ausführungen der Sozialstation St. Vinzenz, vertreten auch durch deren Leiterin Gabriele Wiese, nichts. Sie schilderten, dass die Angestellten sicher Parkplätze suchten, aber auch weiterhin der Feuerwehrparkplatz genutzt werde. Einige kämen bereits mit dem Fahrrad, andere nähmen den Dienstwagen auch wieder mit nach Hause.
Besonders deutlich in den Bedenken wurde eine Anwohnerin, die sich in der nachfolgenden Bürgerfragestunde zu Wort meldete. Seit zehn Jahren nehme der Verkehr zu, „das ist ein Wahnsinn, was sich durch unsere Straße bewegt“. Radfahrer würden mittlerweile auf den Gehweg ausweichen. Und wie das dann mit einer Bringsituation morgens gehen solle, sei ihr nicht klar. Wegen Lieferdiensten und Ärzten sei dort mit noch mehr Verkehr zu rechnen. „Mir fehlt hier die Idee, wie wir mit dem Verkehr umgehen wollen“, schickte sie in Richtung Räte und Verwaltung und hielt zudem fest: „Und die Lösung kann auch nicht sein, dass der Schnee in Fürst-Maximilian-Straße geschoben wird.“
Dass es im Ortskern mit dem Neubau wieder enger wird, war auch im Zusammenhang mit weiteren Punkten ein Thema: Ein offizieller Anwohnereinwand kritisierte etwa die geringe Breite der Zufahrt zu den bestehenden Gebäuden in zweiter Reihe. Ein zweiter, den fehlenden Abstand
zu anderen Gebäuden. Zudem wird sich an der engen Gehwegsituation vor dem „Adler“keine Verbesserung abzeichnet.
Entscheiden wird letztlich das Landratsamt als Baurechtsbehörde, die Gemeinde Kißlegg indes ist in ihrer Haltung klar. Ziel sei es, ein historisches Gebäude einer neuen Nutzung zuzuführen. Und eine Entwicklung sei ohne Ergänzungsbau nicht möglich. Beratend hatte die Gemeinde den Architekt Wolff Stottele hinzugezogen, der sie auch beim „Löwen“berät.
Stottele lobte, dass sich jemand der Herausforderung annehme, ein „schwieriges Grundstück in der Ortsmitte“so zu verdichten, dass ein sinniger Gebäudeverbund entstehe. Dass der Neubau ein eher modernes Gesicht trage und, wie von GOL/ ELK-Rat Hubert Braun bemängelt, kein aufgemaltes Fachwerk, befand Stottele als richtig. „Das wäre dann Fake“und Kißleggs historischem Bestand nicht angemessen, so könne man erkennen, was neu sei. „Bei aller berechtigter und weniger berechtigter Kritik, wir haben hier keine ideale Welt, sondern eine gegebene Situation“, stellte Bürgermeister Dieter Krattenmacher fest. Im Zusammenhang mit der Verkehrsproblematik verwies er auf langwierige Planungen für eine Ortsumgehung: „Wenn die Südspange kommt, wird der Landkreis diese Kreisstraße aufgeben, dann haben wir sehr gute Chancen an der Straße was zu verändern.“