Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Landwirte fürchten um ihre Freiheit
Infoveranstaltung zum Biosphärengebiet – Chancen und Bedenken auf dem Tisch
- Informationen zu einem möglichen Biosphärengebiet hat es für Gemeinderäte aus der Raumschaft Achberg, Argenbühl, Isny und Wangen, Vertreter aus den Bereichen Landwirtschaft, Tourismus und Naturschutz sowie weitere Personen aus den vier Kommunen bei einer Veranstaltung am Montagabend im Dorfstadl in Eglofs gegeben. Erklärtes Ziel war es, sich im ersten Anlauf über das mögliche Konstrukt in der Region Allgäu-Oberschwaben auszutauschen. Im späteren Verlauf des Prozesses soll dann geprüft werden, ob das Biosphärengebiet umgesetzt werden kann.
Argenbühls Bürgermeister Roland Sauter sprach vor den rund 100 Gästen von einem „Spannungsfeld zwischen Chancen und Risiken“, in dem sich vor allem die Landwirte befinden würden. Umso wichtiger sei es, sich umfassend über das,
„was uns als Gesellschaft berührt“, zu informieren und aufkommende Fragen auch in abzuhaltenden Konferenzen zu klären.
Biosphärengebiete wurden 1970 von der Unesco ins Leben gerufen. Sie sollen Modell-Landschaften für eine ökologisch, ökonomisch und soziokulturell nachhaltige Lebensweise sein. Laut Bundesnaturschutzgesetz sind es Flächen, die für einen bestimmten Landschaftstyp charakteristisch sind. Man denkt dabei an deren Schutz und Entwicklung. Mit anderen Worten: Themen wie Naturschutz, Kultur und eine nachhaltige Wirtschaftsweise spielen eine bedeutende Rolle.
Ein mögliches Biosphärengebiet ist Teil des Koalitionsvertrags zwischen Grünen und CDU im Land. Darin steht, dass in Oberschwaben geprüft werden soll, ob die Region ein solches Gebiet will. Doch wer entscheidet, ob es tatsächlich kommt? Von den Referenten, darunter Bürgermeister Timo Egger in seiner Funktion als Vorstand der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Biosphärengebiet, Berthold Reichle vom Umweltministerium und Franz Bühler vom Prozessteam, war immer wieder zu hören: „Das entscheidet nicht die Landesregierung, sondern allein die Kommunen in der Region.“
Was ein Biosphärengebiet ist, das war von Berthold Reichle zu hören. Er machte deutlich, dass man darunter ein Regionalentwicklungsprojekt versteht. Ziel sei eine ganzheitlich nachhaltige Entwicklung der Region. Eine, der in den nächsten Jahren zu diskutierenden Fragen sei, wie nachhaltiges Leben und Arbeiten im ländlichen Raum weiter vorangebracht und unterstützt werden könne. Die vorgegebene Gebietsgröße wurde mit mindestens 30.000 Hektar, maximal 150.000 Hektar angegeben. Weitere Fragen, so Reichle, hätten den Moorschutz, die Bedeutung für den Tourismus und nicht zuletzt mit der Überlegung zu tun, „welche Flächen insbesondere für die Kernund Pflegezonen geeignet seien und überhaupt zur Verfügung stehen würden“. Womit der Begriff der „Zonen“in einem Biosphärengebiet aufkam und die dazu gehörenden Regeln und Vorschriften benannt wurden.
Es gibt eine Kernzone, eine Pflegezone und eine Entwicklungszone. Die Kernzone soll mindestens drei Prozent der Gesamtfläche ausmachen. Pflegezone und Kernzone sollen zusammengenommen rund 20 Prozent der Fläche abdecken. In der Kernzone, so wurde vor Augen geführt, „soll die Natur sich selbst überlassen werden, ohne menschliche Eingriffe. In der Region Allgäu/Oberschwaben kämen zum Beispiel die Moorgebiete infrage.
Pflegezonen sollen dagegen überwiegend wie Naturoder Landschaftsschutzgebiete geschützt werden. Auch Wirtschaftswälder wären geeignet, sagte Stefan Schwab vom Regierungspräsidium Tübingen. Und in den Entwicklungszonen? Laut Schwab soll „eine vorbildliche ökologisch ausgerichtete Wirtschaftsentwicklung“unterstützt werden.
Natürlich wurde auch über die finanziellen Möglichkeiten gesprochen. Interessant zu hören, dass ein Biosphärengebiet der Region Modellregion für Naturschutz, Kultur und nachhaltiges Wirtschaften wäre. Entsprechende Projekte hätten gute Chancen auf finanzielle Förderungen. Eine Geschäftsstelle würde sich um Dinge wie die Vermarktung regionaler Lebensmittel, Erschließung
von regionalen regenerativen Energiequellen sowie um Klimaund Naturschutzmaßnahmen kümmern. Zudem stärke ein Biosphärengebiet den „qualitativ hochwertigen Tourismus“.
Dass es Befürchtungen hinsichtlich der Einrichtung eines Biosphärengebiets gibt, das wurde an den an die Referate anschließenden „Thementischen“deutlich. Land- und Forstwirte befürchteten Einschränkungen und glaubten, insgesamt die Verlierer zu sein. Auch wurde von den Bedenken gesprochen, „dass intensive Landwirtschaft in der Pflegezone nicht mehr möglich ist“, man „immer mehr Vorgaben von ‚oben‘“bekäme und „unternehmerische Freiheit verloren geht“.
Chancen sahen Teilnehmer der Veranstaltung im Entwerfen neuer Geschäftsmodelle und dem Entstehen regionaler Wertschöpfungsketten. Ebenfalls glaubte man, sich besser auf zukünftige Rahmenbedingungen – Klimagesetze und Moorschutzstrategien – vorbereiten zu können.
Naturschützer sahen einerseits die Störung von Schutzgebieten durch zu viel Tourismus, andererseits neue Wertschöpfungsmöglichkeiten und die Kooperation zwischen Naturschutz und Landwirtschaft als Chance. Im Bereich „Tourismus/Gastronomie/regionale Wirtschaft“wurde vor dem „Konfliktfeld Tourismus gegen Naturschutz und Landnutzende“gewarnt. Zu diesem Thema wurden Befürchtungen laut, es werde mehr Bürokratie und aufwendigere Genehmigungsverfahren geben. Vorgeschlagen wurde, dass nahe der Grenze zu Bayern auch dieser Landstrich mit in die Überlegungen und Planungen einfließen müsste.
Und die Verantwortlichen des Abends? Die betonten, dass das Biosphärengebiet nicht „von oben“über die Region gestülpt werden soll, dass das Projekt nur dann verwirklicht wird, wenn die Menschen vor Ort das auch wollen, und der Landwirtschaft „keine Flächen entzogen werden“.
Nach zweieinhalb Stunden Information und Gespräche ließ Bürgermeister Timo Egger wissen, dass man zwar „am Ende des Abends, aber noch lange nicht am Ende des Prozesses angelangt ist“.
Womit das Stichwort für Moderatorin Gerda Peuling gegeben war. Sie lud zur Teilnahme an verschiedenen Arbeitskreisen ein und verwies auf die ausliegenden Anmeldebogen.
„Eine vorbildliche ökologisch ausgerichtete Wirtschaftsentwicklung soll unterstützt werden“, sagt Stefan Schwab vom Regierungspräsidium Tübingen.
„Am Ende des Abends, aber noch lange nicht am Ende des Prozesses angelangt“, sagt Bürgermeister Timo Egger.
„Das entscheidet nicht die Landesregierung, sondern allein die Kommunen in der Region.“sagen Timo Egger in seiner Funktion als Vorstand der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Biosphärengebiet, Berthold Reichle vom Umweltministerium und Franz Bühler vom Prozessteam.