Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wilder Müll kostet Land 2,5 Millionen

Immer mehr Abfall landet in der Natur – Hemmschwel­le zur illegalen Entsorgung sinkt

- Von Svenja Helfers

- Zigaretten­kippen auf dem Waldboden, To-go-Becher neben dem Weg: Sogenannte­r wilder Müll ist ein Problem. Ihn zu entsorgen, kostete das Land Baden-Württember­g etwa 2,5 Millionen Euro – allein im Jahr 2021. Das ist das Ergebnis einer Anfrage des SPD-Abgeordnet­en Florian Wahl. Ihm zufolge wird das Problem immer größer.

„Wilder Müll“bezeichnet Müll, der in der freien Natur abgeladen wird, also in Wäldern oder auf Feldern. Dabei handelt es sich um verschiede­nste Abfälle: Bauschutt, Elektroger­äte und auch alltäglich­e Abfälle wie To-go-Verpackung­en und Restmüllsä­cke. Es werden auch immer wieder Sonderabfä­lle illegal entsorgt, unter anderem Batterien, Asbest und Öl. Die Kommunen müssen diesen Müll entfernen und für Personal- und Entsorgung­skosten aufkommen.

Doch der Müll verunstalt­et die Natur nicht nur optisch. Er sei auch problemati­sch für Tiere und die Umwelt, etwa wenn giftige Flüssigkei­ten auslaufen und ins Grundwasse­r gelangen, teilt Wahl mit.

Auf die Anfrage Wahls antwortet Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne), dass es zunehmend aufwendige­r werde, den Müll zu beseitigen und diejenigen zu ermitteln, die ihn verursache­n. Vor allem seit der CoronaPand­emie habe die Menge an wildem Müll zugenommen, teilt Walker mit. Mögliche Gründe dafür könnten Medienberi­chten zufolge sein, dass die Menschen während den Lockdowns zu Hause entrümpelt­en oder dass die Wertstoff höfe zeitweise geschlosse­n waren.

Verlässlic­he Zahlen, die belegen, dass es immer mehr wilden Müll gibt, wurden bisher auch nicht erhoben. Dennoch „lässt sich erkennen, dass die Hemmschwel­le zur illegalen Abfallents­orgung in der Bevölkerun­g immer mehr sinkt“, hält Walker fest.

Und das kostet – beispielsw­eise in Ulm fielen 2021 etwa 185.000 Euro an, um wilden Müll zu beseitigen. Ein Großteil dieser Kosten wird benötigt, um den Abfall zu entsorgen. Hinzu kommen rund 150.000 Euro Personalko­sten der Stadtreini­gung. Doch auch was die Kosten angeht, sind die Zahlen nicht verlässlic­h, sondern nur „grob abgeschätz­t“. Das liegt daran,

dass die meisten Landkreise die Kosten, die für wilden Müll anfallen, nicht einzeln festhalten. Stattdesse­n erfassen sie die Ausgaben für Abfallents­orgung und Stadtreini­gung zusammen. Den Schätzunge­n zufolge zahlte das Land 2021 rund 2,5 Millionen Euro, um den wilden Müll zu entsorgen.

Um dem Abfall gesetzlich vorzubeuge­n, seien laut Walker in erster Linie der Bund und die EU gefragt. Sie könnten die entspreche­nden Gesetze auf den Weg bringen, etwa, dass Restaurant­s und Cafés Mehrwegbeh­älter für Speisen und Getränke zum Mitnehmen anbieten müssen. Diese

Regelung trat Anfang des Jahres in Kraft. Der Gastronomi­everband Dehoga kritisiert allerdings, das System bereite hohen Aufwand und hohe Kosten bei den Wirten.

Die Landesregi­erung hingegen setzt vor allem darauf, dass die Kommunen die Bürgerinne­n und Bürger mithilfe von Kampagnen im Internet oder Broschüren darüber aufklären, wie sich wilder Müll auf die Umwelt auswirkt. Auch Kreisputze­ten, also Müllsammel­aktionen, sollen die Menschen sensibilis­ieren. Die Fläche, auf der es zu wildem Müll kommt, könne nicht überwacht werden, sagt eine Sprecherin des

Umweltmini­steriums. Daher seien Kampagnen und Öffentlich­keitsarbei­t einige der wenigen Mittel, um wildem Müll vorzubeuge­n.

Eine weitere Maßnahme der Landesregi­erung war es, 2018 den Bußgeldkat­alog für die Entsorgung von Abfällen zu verschärfe­n: Wer Zigaretten­kippen in die Natur wirft, kann mit einem Bußgeld von etwa 50 Euro rechnen, Sperrmüll kann bis zu 2500 Euro und Bauschutt bis zu 10.000 Euro Strafe kosten.

In einzelnen Fällen könne es auch zu einer Freiheitss­trafe führen, den Müll in der Natur zu entsorgen. Das hängt jedoch vorrangig davon ab, ob der Müll Stoffe enthält, die für Menschen, Tiere und Umwelt gefährlich sind, zum Beispiel Chemikalie­n oder Spritzen.

Auch im Gebiet der Ulmer Entsorgung­sbetriebe kommt es immer wieder zu Abfällen in Wäldern, Gebüschen oder auf Feldwegen. Im Übrigen seien auch in Ulm „praktisch alle Abfallarte­n vertreten“, wie ein Sprecher der Betriebe sagt. Er beobachte ebenfalls, dass immer mehr Müll in der Natur landet. „Bei ertappten Müllsünder­n besteht oft kein Unrechtsbe­wusstsein“, berichtet der Sprecher. Doch die bestehende­n Gesetze seien bereits ausreichen­d – sie müssten nur konsequent­er umgesetzt werden.

Die Sprecherin des badenwürtt­embergisch­en Landesverb­ands des Naturschut­zbundes (Nabu) sieht das anders. Das Abfallsyst­em müsse „dahingehen­d verbessert werden, dass die sachgemäße Entsorgung von Abfällen möglichst bequem wird“. Dafür braucht es unter anderem ein enges Netz an Wertstoffh­öfen und Sperrmüllf­ahrten, öffentlich­en Abfalleime­rn und Annahmeste­llen für Elektrosch­rott. Darüber hinaus müsse der Sprecherin zufolge bei Umweltdeli­kten schärfer kontrollie­rt werden, indem die Kontrollbe­hörden besser ausgestatt­et und strengere Gesetze erlassen werden.

SPD-Abgeordnet­er Florian Wahl fordert indes eine „groß angelegte Informatio­nskampagne des Umweltmini­steriums“, um das Problem zu lösen. Doch auch, wenn die Regierung den Bußgeldkat­alog bereits verschärft­e: Die Antworten des Ministeriu­ms auf seine Anfrage seien „nicht immer zufriedens­tellend“, da die Landesregi­erung insgesamt zu sehr auf die Kommunen setze.

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Die Hemmschwel­le, Müll illegal in der Natur zu entsorgen, sinke immer weiter, teilt Umweltmini­sterin Thekla Walker mit.

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