Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Zwei gastronomische Aushängeschilder sagen Ade
Die Wirte von „Sonnenhalde“und „Lamm“, Rosemarie und Franz Christberger, gingen am Sonntag in Rente
- Die Wangener Gastronomie verliert demnächst ein weiteres Aushängeschild. Nach zusammen knapp 40 Jahren in der „Sonnenhalde“und im „Lamm“geht das Wirtepaar Rosemarie und Franz Christberger am 5. März in Rente. Die beiden blicken auf schöne, manchmal aber auch schwierige Zeiten zurück.
Die Mittagsgäste sind alle verköstigt, das eigene Mahl nach getaner Arbeit ebenfalls eingenommen. Rosemarie und Franz Christberger sitzen auf ihren Stammplätzen links neben dem Ausschank in einer Nische etwas abseits des großen Gastraums, der sich bereits geleert hat. Ein guter Platz, um in Ruhe die vergangenen Jahrzehnte im Beruf Revue passieren zu lassen und sich Gedanken zu machen, wie sich die Branche in all der Zeit entwickelt hat. Als Gedächtnisstütze liegt ein Album auf dem Tisch, das viele Erinnerungen weckt – auch an einige bekannte Namen.
Seine Lehrjahre als Koch absolvierte Franz Christberger Ende der 70er-Jahre im Haus Waltersbühl. Bei seiner ersten Stelle im Hotel Praßberger lernte der gebürtige Wangener seine heutige, aus Waltershofen stammende Frau Rosemarie kennen, die dort als Servicekraft arbeitete. Nach den Zwischenstationen Alte Post (Wangen) und Schönblick (Lindenberg) übernahmen die beiden damals noch jungen Gastronomen im Jahr 1984 die „Sonnenhalde“, davor bekannt als Gasthaus Enderle. Eine Entscheidung nicht ohne Risiko, aber im Nachhinein goldrichtig. „Wenn man an diese Zeit zurückdenkt, wird man richtig wehmütig“, sind sich die Christbergers einig.
Da waren die Busreisen, Monteure oder Touristen, mit denen der 35-Betten-Beherbergungsbetrieb gut ausgelastet war. Da waren die vielen Stammtische, Vereine oder Jahrgänger, die sich in der „Sonnenhalde“trafen. Die Stammgäste haben quasi zur Familie gehört, erinnert sich Franz Christberger. Alles sei einfacher, unkomplizierter gewesen. Und, so der 62-Jährige: „Damals haben die Leute miteinander geschwätzt, heute schicken sie sich am Tisch Nachrichten.“
Die erste Veranstaltung für ihn als Pächter der „Sonnenhalde“hat er bis heute nicht vergessen. Es war eine Hochzeitsgesellschaft,
sogar die Presse sei damals dabei gewesen, und ausgerechnet am Tag der Feier sei der Bräutigam mit einer anderen Frau fremdgegangen – in der Toilette des Gasthauses. Die Feier sei dann anders wie geplant zu Ende gegangen.
Viele Künstler waren ebenfalls in der „Sonnenhalde“zu Gast. Im Album haben sich damals bekannte Schauspieler wie Doris Gallert oder Ernst Stankowski verewigt, aber auch Schlagersänger wie Wolfgang Petry. Der kam nach seinem Konzert im „Schwarzen Hasen“in den frühen Morgenstunden mit der Band ins Gasthaus zurück, wollte vor dem Schlafengehen noch ein zünftiges Frühstück haben und schrieb den Wirten bei der Abreise folgenden Spruch ins Gästebuch: „Hier haben wir gesessen, hier haben wir gesoffen, hier sind wir eingeschlafen. Danke!“
Die Zeit im Praßberg währte jedoch nur zehn Jahre, denn der Eigentümer wollte das Gebäude verkaufen, der Preis war den Christbergers aber zu hoch. Zum Zug kam stattdessen ein Investor, der danach auf dem Grundstück beim Wasserbuckel zwei Mehrfamilienhäuser hinstellte. Die beiden Wirte nahmen dann 1994 das Angebot an, das zuvor länger leer stehende „Lamm“zu übernehmen. „Der Wechsel war hart, wir hatten in der Bindstraße keine Terrasse, keine Parkplätze, keine Hotelgäste als sichere Einnahme“, erinnert sich die heute 65-jährige Rosemarie Christberger. „Der erste Sommer war richtig tote Hose, weil die Sommergäste fehlten.“
Die ersten Jahre blieben ein Kampf, eine Außenbewirtschaftung war zunächst nicht möglich, zudem kamen einige Gruppen von der „Sonnenhalde“nach dem Wechsel nicht mehr. Die Christbergers erlebten damals schwierige Zeiten, auch weil nebenher das Eigenheim finanziert werden musste. Fast kaum zu glauben, wenn man sieht, wie beliebt die Wangener Traditionswirtschaft heute ist.
Zum „Lamm-Fan“wurde 2004 auch der mittlerweile verstorbene Dietz-Werner Steck. Der Darsteller des Tatort-Kommissars Bienzle kehrte damals, als zur Folge „Bienzle und der Sizilianer“auch im früher in der Bindstraße beheimateten „Paradiso“gedreht wurde, nebenan im „Lamm“ein. „Nach seinem Rostbraten und einem Viertel war er selig“, erinnert sich Franz Christberger und zeigt dessen Gästebucheintrag: „Der Weg ins Lamm sich immer lohnt, auch wenn man ganz woanders wohnt.“
Die Beliebtheit hat auch damit zu tun, dass das Wirtepaar ihrem kulinarischen Stil treu geblieben ist, frühzeitig auf den Trend mit regionaler, selbstgemachter Kost gesetzt und sich so mit den Jahren in der regionalen Gastronomie etabliert hat. „Ob Kutteln, Zwiebelrostbraten, Maultaschen, Kässpätzle oder Krautkrapfen: Es gibt viele Leute, die speziell wegen dieser Sachen zu uns kommen“, sagt Franz Christberger. Ganz zu schweigen von den – wie er es nennt – „Alleinstellungsmerkmalen“wie Schweinsbäckle oder Nonnenfürzle. „Speisen und Zutaten von regionalen Erzeugern sind begehrter und das Konsumverhalten nachhaltiger geworden“, so der Wangener Wirt weiter. Und: „Ich brauche kein argentinisches Steak, wir sind doch im Schwabenland, da hast du alles Nötige drumherum.“
Die Folgen der Pandemie spürt das „Lamm“natürlich trotzdem. Trotz des langjährigen Mitarbeiterstamms sei die Suche nach geeignetem Personal schwieriger geworden. Und, so das Wirtepaar: „Die Leute kommen früher und hocken nicht mehr so lang.“Wegen dieses veränderten Gästeverhaltens, aber auch aus Selbstschutz vor zu hoher Belastung, haben sie zuletzt die Öffnungszeiten reduziert. Umso mehr freut es die Wirte, dass die „Leute nach Corona wieder raus wollen“: „Eine so gute Saison haben wir noch nie erlebt.“
Dass sie ausgerechnet jetzt aufhören, wo es wieder gut läuft, hat vor allem gesundheitliche Gründe. An diesem Sonntag, 5. März, ist der letzte Öffnungstag, und viele Gäste haben in den vergangenen Tagen und Wochen noch mal die Chance genutzt vorbeizuschauen und sich zu verabschieden. „Es ist ein guter Zeitpunkt aufzuhören, einfacher wird es nicht“, darin sind sich die Christbergers einig.
Durchaus möglich aber, dass sie den Kochlöffel im „Lamm“am Sonntag doch nicht ganz abgeben und einen potenziellen Nachfolger, mit dem es laut Verpächter Gottfried Härle ernsthafte Gespräche gibt, anfangs in der Küche unterstützen. Den Gästen würde dieses „Comeback“sicherlich ebenfalls schmecken.