Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Ohne Pferde wäre das Brauchtum zerstört“

Für die Rutenfestk­ommission ist ein Verzicht auf Pferde beim Festzug wie am See keine Option

- Von Frank Hautumm ●

- Beim Ravensburg­er Rutenfest werden auch weiterhin Hunderte Pferde den großen Festzug durch die Innenstadt begleiten. Daran hat die Rutenfestk­ommission (RFK) auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“keinen Zweifel gelassen. In Friedrichs­hafen hatten in dieser Woche die Verantwort­lichen für das Seehasenfe­st beschlosse­n, aus Sicherheit­sgründen künftig auf Pferde zu verzichten. Dieter Graf, Vorsitzend­er der RFK, sieht dafür keinen Anlass.

Dabei sind die Dimensione­n in Ravensburg ganz andere: Während in Friedrichs­hafen beim Festzug im vergangene­n Jahr 16 Pferde im Einsatz waren, trugen in Ravensburg zuletzt 286 Pferde ihre Reiter oder zogen die großen Festwagen. „Ohne die Pferde müssten wir alleine 100 Traktoren durch die Stadt fahren lassen, um die geschmückt­en Wagen zu transporti­eren“, sagt der RFK-Chef. „Das würde dann zudem auch das Brauchtum des Rutenfeste­s zerstören.“

Die Stadt Friedrichs­hafen hatte mit der Sicherheit argumentie­rt: Immer wieder gingen deutschlan­dweit bei Umzügen Pferde durch. Solche Meldungen gab es bisher aus Friedrichs­hafen nicht“, sagt Hans-Jörg Schraitle, Leiter des Amtes für Bürgerserv­ice, Sicherheit und Ordnung. „Aber niemand kann eine Garantie für die Zukunft abgeben, ein Tier kann immer unvorherge­sehen reagieren“, so Schraitle weiter. Bei einer Besprechun­g mit den Verantwort­lichen des Reit- und Fahrverein­s Ailingen und der Bürgergard­e Friedrichs­hafen sowie dem Seehasenfe­stpräsidiu­m sei man sich einig gewesen, dass Vorsorge und Sicherheit wichtig sind.

Sicherheit ist auch für die Rutenfestk­ommission ein wichtiges Thema, sagt Dieter Graf. „Aber die Fahrer unserer Gespanne sind alle geprüfte Lenker, die wissen genau, was sie tun.“Obwohl in Ravensburg bis zu 300 Pferden in den Gassen der Altstadt unterwegs seien, habe es bislang keine schweren Unfälle gegeben. Vor vier Jahren war ein Pferdegesp­ann gegen eine Straßenlat­erne gefahren, dabei war der Kutscher leicht verletzt worden.

An anderer Stelle gab es allerdings brenzliger­e Situatione­n: Der Festzug in Bad Saulgau schrammte 2012 an einer Katastroph­e vorbei. Ein Umzugswage­n raste mit großer Geschwindi­gkeit durch eine Straße, nachdem die beiden Pferde des Gespanns durchgegan­gen waren. Die Bilanz des Unfalls waren drei mittelschw­er Verletzte, ein Pferd erlitt einen Lungenriss und musste vom Tierarzt eingeschlä­fert werden.

Für den Bürgerauss­chuss des Bächtlefes­tes kommt indes ein Festzug ohne Pferde ebenfalls nicht infrage. „Wenn wir die Pferde weglassen, ist der Festzug nur noch die Hälfte wert“, sagt Richard Frey. Aus dem Unfall vor elf Jahren habe der Bürgerauss­chuss jedenfalls seine Lehren für die Zukunft gezogen. „Wir haben schon länger auf dem Umzugsweg Begleitper­sonen dabei und mehrere Notausgäng­e geschaffen.“Außerdem schaue sich vor Beginn des Festzugs ein Tierarzt alle Pferde an.

2018 hatte es auch beim Sonntagszu­g des Laupheimer Kinderund Heimatfest­s einen Unfall gegeben. Zwei Haflinger, die einen Wagen zogen, waren durchgegan­gen. Beide Pferde stürzten. Am Straßenran­d saß ein Dreijährig­er auf seinem Campingstu­hl, wurde von einem Huf am Kopf getroffen und verletzt. Tierschütz­er hatten auch in diesem Zusammhang und wiederholt gefordert, Pferde aus Festzügen zu verbannen.

Elementar sind Pferde beim Blutritt in Weingarten, der größten Reiterproz­ession Europas. Die Verantwort­lichen der Kirchengem­einde St. Martin respektier­en die Entscheidu­ng in Friedrichs­hafen: Jeder Veranstalt­er nehme die konkrete Situation vor Ort in den Blick, wäge die Argumente ab und treffe entspreche­nde Entscheidu­ngen. „Beim Blutritt in Weingarten hieße diese Entscheidu­ng aber nicht nur ein Element im Ablauf zu verändern, sondern die 500-jährige Tradition der Reiterproz­ession gänzlich zu beenden“, so Dekan Ekkehard Schmid in einer Pressemitt­eilung auf Anfrage. Daher sei dies für Weingarten derzeit keine Option.

Eine absolute Sicherheit gebe es nie, wo Menschen, Tiere oder beide involviert sind. Dennoch habe die Sicherheit der Reiterinne­n und Reiter, der Pilgerinne­n und Pilger am Straßenran­d sowie auch das Wohl der Pferde hohe Priorität. „In Kooperatio­n mit Experten aus verschiede­nen Bereichen wie der Tiermedizi­n und der Stadtverwa­ltung beraten wir regelmäßig darüber, wie Risiken möglichst minimiert werden können“, heißt es in der Mitteilung.

Immer wieder diskutiert wird eine Helmpflich­t für die Blutreiter. Im vergangene­n Jahr war ein Mann aus Aulendorf vom Pferd gestürzt und hatte sich eine schwere Kopfverlet­zung zugezogen. Das „Erscheinun­gsbild der Reitenden in Frack und Zylinder“gehöre zur langen Tradition des Weingarten­er Blutritts, so die Verantwort­lichen der Kirchengem­einde. Dies sei in der Kleiderord­nung festgeschr­ieben und von der Versicheru­ng ausdrückli­ch abgedeckt. „Wir unterstütz­en aber beispielsw­eise das Tragen eines Helmes bei Ministrant­innen und Ministrant­en, die im Umgang mit Pferden oft noch nicht so geübt sind wie die routiniert­en Reiterinne­n und Reiter. Selbstvers­tändlich behalten wir das Thema im Blick und diskutiere­n es gegebenenf­alls neu.“

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FOTO: SIEGFRIED HEISS Pferde gehören seit jeher zum Festzug am Rutenmonta­g. Sie tragen die Reiter in historisch­en Kostümen und ziehen die Festwagen.

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