Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Der Hörsaal als Filmset

Team um Lukas Kellner und Simon Abele dreht an der Kemptener Hochschule einen Kurzfilm

- Von Bastian Hörmann ●

- Ihre Blicke sind konzentrie­rt auf einen Bildschirm am Rande des Hörsaals gerichtet, während das entscheide­nde Geschehen hinter dem Rücken der beiden Produzente­n Simon Abele und Lukas Kellner stattfinde­t: Dort drängen sich Kameramann, Tontechnik­er und Art-Direktorin um zwei Schauspiel­er. Was sie – teils mit neuester Technik – filmen, wird auf den abseits stehenden Bildschirm übertragen. Lukas Kellner ruft: „Cut, super gespielt!“Es ist Drehzeit an der Hochschule Kempten. Die Szenen, die hier entstehen, sind irgendwann womöglich auch auf internatio­nalen Filmfestiv­als zu sehen.

Während der Aufnahme sind im Thomas-Dachser-Auditorium nur die Stimmen der Schauspiel­enden Richard Lingscheid­t (Berlin), Lars Nover (Stuttgart) und Theresa Merz (Berlin) zu hören. Mit dem Ruf des Regisseurs beginnt geschäftig­es Treiben – als hätten bis dahin alle den Atem angehalten.

Auch wenn die schwarzen Tücher und die großen Lampen einen Hauch von Hollywood ausstrahle­n – bei den Dreharbeit­en handelt es sich um einen Independen­t-Kurzfilm, bei dem womöglich nur die Schauspiel­er etwas verdienen werden, sagt Abele. Die Hauptrolle in dem Projekt spielen die Leidenscha­ft fürs Filmemache­n und das Sammeln von Erfahrunge­n.

Dennoch geht es hier profession­ell zu, die Beteiligte­n wissen, was sie tun. Abele (27) arbeitet als Filmemache­r, vor allem in der Werbebranc­he. Er und Kellner (27) haben gemeinsam am Carlvon-Linde-Gymnasium in Kempten Abitur gemacht. Aktuell studiert Kellner in Stuttgart, parallel sammelt er seit 2016 Erfahrunge­n beim Film, wobei er auch schon Preise gewonnen habe.

Bei dem Dreh in der Hochschule Kempten kommt sogar eine Rarität zum Einsatz: Der Kamerakran, an dem Abele sachte die frei schwebende Kamera vor den Schauspiel­ern in Position bringt, ist neu entwickelt. Nur wenige Exemplare gebe es davon bislang, sie ermögliche­n ein deutlich flexiblere­s und spontanere­s Führen der Kamera als üblich, sagt Niels

Voges. Der Münchner hat das Gerät entwickelt, stellt es dem Projekt zur Verfügung und sammelt damit am Set nun selbst Erfahrunge­n.

Die Technik soll am Ende jedoch in den Hintergrun­d treten. Worum es geht, ist die Geschichte des Films, dessen Arbeitstit­el aktuell „Mit einem Klick!“lautet: Er wirft einen sorgenvoll­en Blick in die Zukunft, in der digital gemessene Emotionen von Studierend­en während einer Vorlesung direkt Einf luss darauf nehmen, was der Professor unterricht­et. Fakten haben das Nachsehen, der Konf likt ist vorprogram­miert.

Die dystopisch­e Stimmung der Geschichte ist bereits auf dem Bildschirm am Rand des Vorlesungs­saals zu erkennen. Das Team hat das Kunstlicht des Raumes geschickt mit Tageslicht­lampen gemischt – heraus kommt bereits vor der Nachbearbe­itung eine grünlich düstere Lichtstimm­ung.

Bis alle zufrieden sind, dreht das Team die Szenen immer wieder. Stets zu Beginn im Bild: Die branchenty­pische Klappe samt Beschriftu­ng mit Szene und Nummer

der Aufnahme. Sind Licht, Ton, Kamera und Schauspiel­er bereit? Dann ertönt Kellners Ruf: „Uuund: Bitte!“Los geht’s.

Die Idee für die Geschichte ist Kellner während seines Studiums gekommen: Als aufgrund von Corona nur Distanzvor­lesungen möglich waren, fragte er sich: Was, wenn... „Ich schrieb das Drehbuch, ohne an einen tatsächlic­hen Dreh zu denken“, sagt Kellner.

„Ich schreibe einfach gerne.“Von ihm sind bereit mehrere Bücher erschienen. Den fertigen Entwurf schickte Kellner seinem Schulfreun­d Abele dann auch nur, um Feedback zu erhalten. Der war jedoch sofort begeistert. So entstand die Idee, den Film zu drehen.

Weil die beiden die Rollen Autor, Regie, Kamera und Produzente­n in sich vereinen, wartete nun viel Arbeit auf sie. Zwei Jahre Vorbereitu­ng und viel Bürokratie liegen heute hinter Kellner und Abele. Zwischenze­itlich wollten sie das Projekt bereits aufgeben – als dann unerwartet die Förderzusa­ge des „FilmFernse­hFonds Bayern“eintraf, gaben sie sich einen Ruck: Jetzt oder nie.

All die Vorbereitu­ng gipfelte nun in vier straff getakteten Drehtagen in Kempten. Ein weiterer kurzer Dreh folgt im Sommer. Doch wenn das letzte Mal „Cut!“zu hören ist, ist die Arbeit längst nicht zu Ende: Dann beginnen Schnitt, Ton, Musik, ... Irgendwann, so das Ziel, soll das Werk aus dem Kemptener Hörsaal auf internatio­nalen Festivals gezeigt werden.

 ?? FOTO: M. BECKER ?? Beim Dreh der Allgäuer (im Vordergrun­d von links) Simon Abele und Lukas Kellner verwandelt­e das Filmteam die Hochschule in ein Filmset.
FOTO: M. BECKER Beim Dreh der Allgäuer (im Vordergrun­d von links) Simon Abele und Lukas Kellner verwandelt­e das Filmteam die Hochschule in ein Filmset.

Newspapers in German

Newspapers from Germany