Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Das Rennen um das weiße Gold

In Südamerika lagern riesige Lithiumvor­kommen – Dem zügellosen Abbau durch Konzerne schiebt Chile nun aber einen Riegel vor

- Von Klaus Ehringfeld

- Es ist das derzeit wohl begehrtest­e Metall auf der Welt. Und der Kampf um die Hoheit und den Abbau von Lithium hat schon lange begonnen, verschärft sich derzeit aber angesichts des Booms der Elektrofah­rzeuge und dem Bemühen um einen Übergang zu sauberer Energie deutlich. Hauptakteu­re sind dabei vor allem China, aber auch die USA, die verlorenes Terrain auf holen wollen. Nun ist mit Chile ein neuer Akteur hinzugekom­men.

Schauplatz des Wettrennen­s ist vor allem Lateinamer­ika. Denn hier lagert mehr als die Hälfte des weltweiten Lithiumvor­kommens – in Argentinie­n, Bolivien und Chile. Dort hat die neue Linksregie­rung von Präsident Gabriel Boric mit dem Projekt ihrer „Nationalen LithiumStr­ategie“jetzt die Märkte in Bewegung gebracht. Das Vorhaben, das Boric vor Kurzem vorstellte, sieht vor, den Staat durch ein Modell der öffentlich-privaten Partnersch­aften zum Hauptförde­rer zu machen. Zudem soll Chile die Hoheit über die Ressourcen behalten.

In den neuen Gemeinscha­ftsunterne­hmen können Privatfirm­en maximal einen Anteil von 49,9 Prozent halten. „Chile verfügt über eines der größten Lithiumvor­kommen der Welt. Wir können uns nicht erlauben, keinen Nutzen daraus zu ziehen“, sagte der Staatschef. Vergangene­s Jahr steigerte Chile den Wert seiner Lithiumpro­duktion um 777 Prozent auf 7,8 Milliarden USDollar (7,2 Milliarden Euro). Das

Metall wurde nach dem Kupfer zum wichtigste­n Exportgut des Landes. Mit der neuen Strategie erfüllt Boric auch ein Wahlverspr­echen, das beinhaltet, den ökologisch problemati­schen Lithiumabb­au nachhaltig­er zu gestalten.

Mineralien wie Lithium, Kobalt und Seltene Erden, die in vielen Produkten von Computern bis hin zu Haushaltsg­eräten verwendet werden, sind unerlässli­che Ausgangsst­offe für Batterien und Elektrofah­rzeuge, Windturbin­en oder Solarzelle­n. Nach Angaben der Weltbank müsste die Produktion des auch als das „weiße Gold“bezeichnet­en Rohstoffs bis 2050 um 500 Prozent steigen, um die Nachfrage zu decken.

Nach Angaben der US-Wissenscha­ftsbehörde „United States Geological Survey“(USGS) führt Bolivien die Liste mit nachgewies­enen Lithiumres­erven an, die auf 21 Millionen Tonnen geschätzt werden, gefolgt von Argentinie­n (19,3 Millionen) und Chile (9,6 Millionen). Beim Abbau des Alkalimeta­lls war Chile bis 2015 weltweit führend, wurde dann aber von Australien abgelöst, das vergangene­s Jahr rund 61.000 Tonnen förderte, gefolgt von Chile (39.000) und China (19.000). In Lateinamer­ika holt vor allem Argentinie­n sprunghaft auf. Einem Bericht der US-Investment­bank JP Morgan vom Februar zufolge wird die argentinis­che Produktion bis 2030 die chilenisch­e übertreffe­n.

Die geballten Vorkommen im „Lithium-Dreieck“Südamerika­s haben schon vor Jahren China auf den Plan gerufen. Das asiatische Land war sehr früh und sehr aggressiv vor Ort und hat in allen drei Ländern lukrative Verträge abgeschlos­sen. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres sagten chinesisch­e Unternehme­n nach Angaben der Denkfabrik „Atlantic Council“fast eine Milliarde US-Dollar für Lithiumpro­jekte in den bolivianis­chen Departemen­ts Potosí und Oruro zu. In Argentinie­n steckt Chery Automobile rund 400 Millionen USDollar in den Bau eines Werks zur Herstellun­g von Elektrofah­rzeugen. Und in Chile hat sich ein chinesisch­es Konsortium dazu verpf

lichtet, in einen Lithiumind­ustriepark in der Stadt Antofagast­a zu investiere­n.

Lateinamer­ika sei im Moment das „wichtigste Schlachtfe­ld“für den globalen Lithiumabb­au, sagte Benjamin Gedan, Lateinamer­ikaDirekto­r des Washington­er Thinktanks „Wilson Center“, der BBC. Die USA seien spät dran und versuchten nun, den Vorteil Chinas auszugleic­hen, fügte Gedan hinzu. Inzwischen hat das Weiße Haus die Sicherung der Lieferkett­e von kritischen Mineralien aus strategisc­hen Gründen ausdrückli­ch priorisier­t. Denn diese lieferten die „Bausteine für viele moderne Technologi­en und seien für die nationale Sicherheit und den Wohlstand unverzicht­bar“, ließ

US-Präsident Joe Biden vergangene­s Jahr erklären.

Ende Januar war auch Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) auf Werbetour für Rohstoffpa­rtnerschaf­ten in Chile. Doch Beobachter­n zufolge steigt Deutschlan­d spät ein in das weltweite Rennen um Lithium.

In Chile soll die neue Strategie künftig über eine nationale Lithiumges­ellschaft gemanagt werden. Bis zu ihrer Gründung bleibt der staatliche Kupferkonz­ern Codelco Ansprechpa­rtner für künftige Partner. Derzeit bauen das chilenisch­e Privatunte­rnehmen SQM und der US-Konzern Albemarle, Nummer 2 und 1 der globalen Lithiumpro­duzenten, im einzigen aktiven chilenisch­en Abbaugebie­t, dem Salar de Atacama, Lithium ab. Ihre Verträge laufen 2030 und 2043 aus. Die Regierung will die Verträge respektier­en, strebt aber eine Neuverhand­lung an, um vorher die Kontrolle zu übernehmen.

Für das chilenisch­e Vorhaben gibt es auch schon ein Vorbild in Lateinamer­ika. Vor einem Jahr verabschie­dete der mexikanisc­he Kongress ein Gesetz, das die Vergabe von Konzession­en an private Unternehme­n zur Lithiumgew­innung verbietet. Der Rohstoff darf in Mexiko künftig nur von staatliche­n Stellen gefördert und verkauft werden. Noch wird in dem Land allerdings kein Lithium gewonnen. Laut USGS steht Mexiko an zehnter Stelle der Länder mit den größten Reserven. Die bisher nachgewies­enen Mengen belaufen sich auf 1,7 Millionen Tonnen, das entspricht 2,3 Prozent der weltweiten Vorkommen.

 ?? FOTO: RODRIGO ABD/DPA ?? Ein Auto fährt auf einer Straße durch den Salar de Atacama in der Nähe der Lithiummin­e Albemarle in Chile: Im „Lithium-Dreieck“Südamerika­s lagern die größten Vorkommen des Alkalimeta­lls. Entspreche­nd groß sind die Begehrlich­keiten, Abbaurecht­e zu ergattern.
FOTO: RODRIGO ABD/DPA Ein Auto fährt auf einer Straße durch den Salar de Atacama in der Nähe der Lithiummin­e Albemarle in Chile: Im „Lithium-Dreieck“Südamerika­s lagern die größten Vorkommen des Alkalimeta­lls. Entspreche­nd groß sind die Begehrlich­keiten, Abbaurecht­e zu ergattern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany