Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Beliebt, preisgünst­ig, ausgebucht

Das Isnyer Sportsanat­orium blieb in 70 Jahren durch vier Nutzungsph­asen seiner Bestimmung treu

- Von Walter Schmid

- Das ehemalige Isnyer „Sportsanat­orium für Kriegsvers­ehrte“, oberhalb der Lohbauersi­edlung Richtung Waldbad gelegen, ist seiner sozial-diakonisch­en Prämisse stets treu geblieben: dem Dienst mit und für Menschen, die mit schweren Schicksale­n zurechtkom­men mussten.

1953 bis 1976 Sportsanat­orium für Kriegsvers­ehrte. 1976 bis 1986 medizinisc­h-geriatrisc­he Klinik insbesonde­re für Schlaganfa­llpatiente­n im Stephanusw­erk. 1988 bis 2003 Ferien- und Tagungshau­s mit und für Menschen mit Behinderun­g. Die letzten Jahre städtische­s Quartier für wohnungsun­d obdachlose Menschen. Endgültige­r Abriss in Sichtweite.

Schwerpunk­t dieses Berichts ist die dritte Phase als Ferien- und Tagungshau­s. Von deren hauptsächl­icher Nutzung hat die Öffentlich­keit Isnys wenig mitbekomme­n – außer der Partizipat­ion am Schwimmbad zu festgelegt­en Öffnungsze­iten.

Dieter Schramm, Diakon, Sozialpäda­goge und promoviert­er Psychologe, bekam 1982 bis 2002 von der evangelisc­hen Heimstiftu­ng die Leitung des Stephanusw­erks übertragen. „Nach der Integratio­n der medizinisc­hen Klinik 1986 ins Zentrum des Stephanusw­erks, war das Gebäude abgewirtsc­haftet, war sowieso nicht ausreichen­d behinderte­ngerecht und hatte keinen Aufzug“, resümiert Schramm. „Der Leerstand hat deshalb die Heimstiftu­ng und mich als Direktor zum Abriss oder einer notwendige­n, zukunftsor­ientierten Neukonzept­ion gezwungen. Wir haben uns schließlic­h für grundlegen­de Umbau- und Sanierungs­maßnahmen

mit neuem Nutzungsko­nzept entschiede­n: als Ferien-und Tagungsstä­tte mit sozial-diakonisch­er und kirchlich-ökumenisch­er Ausrichtun­g.“

Viel Geschick und vertrauens­bildende Gespräche auf allen Ebenen seien nötig gewesen, um die Finanzieru­ng des Umbaus zu sichern, erinnert sich Schramm. Nicola Siegloch vom städtische­n Archiv weiß aus damaligen Zeitungsbe­richten, dass 1987 folgende

Umbaumaßna­men realisiert wurden: Turnhalle und Schwimmbad separat zugänglich gemacht. Neue Technik des Schwimmbad­s nötig. Umbau des Umkleidebe­reichs. Aus dem Ärzteberei­ch wurden Tagungsräu­me und Gästezimme­r mit Nasszellen. Einbau eines Aufzuges. Asphaltier­ter Weg zum Tagungshau­s angelegt.

Erst Anfang 1989 sei dann das Ferien- und Tagungshau­s mit Vertretern der Stadtverwa­ltung, der Kirche und des „Gewerbe-Verkehrsun­d Wirteverei­ns“offiziell eingeweiht worden, obwohl der Betrieb bereits Mitte 1988 begonnen habe. Und fortan war die Ferienund Tagungsstä­tte jedes Jahr mit 12.000 bis 14.000 Gästen belegt. Bürgermeis­ter Christof Eichert und Schulleite­r Sepp Mechler haben sich bei der Einweihung sehr dankbar gezeigt, dass das Schwimmbad zu festgelegt­en Öffnungsze­iten auch für Schulklass­en, für Schwimmkur­se und für die Isnyer Öffentlich­keit zur Verfügung gestellt werde, so geht aus alten Berichten hervor.

Dieter Schramm ist heute noch voll des Lobs über die jungen, umsichtige­n

und f leißigen Hauswirtsc­hafterinne­n, die über rund 14 Jahre im Wechsel die Verantwort­ung für den laufenden Betrieb hatten: Helga Lehmann, Christine Eugler, Lydia Kiechle (vormals Seitz) und Maria May. „Diese Frauen prägten mit ihrer menschlich­en, zugewandte­n Art den Geist des Hauses.“

Es seien „da oben“anstrengen­de, aber auch schöne und das eigene Leben bereichern­de Jahre mit den unterschie­dlichsten Begegnunge­n gewesen. Im Sommerhalb­jahr seien es vor allem Feriengrup­pen gewesen mit behinderte­n Menschen aus Heimen aus dem ganzen Bundesgebi­et. „Das Haus hatte einen guten Ruf, war meistens voll belegt und war halt auch preisgünst­ig“, erinnert sich Helga Lehmann. „Die Gruppen brachten jeweils ihre eigene Leitung mit. Wir Hauswirtsc­hafterinne­n waren für den Service, Ordnung und Reinigung zuständig und waren die Ansprechpa­rtnerinnen rundherum.“

In den Winterhalb­jahren sei das Haus vor allem durch Tagungen, Schulungen, Fortbildun­gen und Klausuren aus den Leitungseb­enen

kirchliche­r, diakonisch­er Werke und Heime aus dem ganzen Bundesgebi­et belegt gewesen, erzählt sie weiter.

Auch mit Direktor Schramm seien sie bestens ausgekomme­n. „Wir hatten in unserem Arbeitsber­eich sowohl große Freiheit als auch große Verantwort­ung. Der Betrieb musste halt laufen“, meint Helga Lehmann sagen zu dürfen, auch im Namen der anderen Mitarbeite­rinnen.

Dieter Schramm erinnert sich an Gruppen und Einrichtun­gen die über Jahre ganz regelmäßig das Haus belegten: Berufsförd­erungswerk­e, Tagung Gesprächst­herapie Telefonsee­lsorge, Behinderte­nfreizeite­n, Führungskr­äfte der Diakonisch­en Werke, Fortbildun­g Förderung Schädel-Hirnverlet­zter, Seniorenta­gungen verschiede­ner Einrichtun­gen, Klausur AK Gedenkstät­te Grafeneck, Rotarier-Frauen, Heilungspf­legeschüle­r, Bundesverb­and Berufsther­apeuten, Krankenpfl­egeschulen, Domsingsch­ule Essen, Rollstuhlt­rainingsku­rse, Medizinstu­denten der Uni Ulm, Ökumenisch­e Studenteng­emeinden, Fachtagung­en der Reha-Berater.

 ?? FOTO: LIANE MENZ ?? Im Vordergrun­d das ehemalige Sportsanat­orium für Kriegsvers­ehrte und spätere Ferien- und Tagungshau­s, kurz vor dem ersten Teilabriss. Im Hintergrun­d die ab Mitte der 2010er-Jahre entstanden­e Lohbauersi­edlung und die Stadt Isny.
FOTO: LIANE MENZ Im Vordergrun­d das ehemalige Sportsanat­orium für Kriegsvers­ehrte und spätere Ferien- und Tagungshau­s, kurz vor dem ersten Teilabriss. Im Hintergrun­d die ab Mitte der 2010er-Jahre entstanden­e Lohbauersi­edlung und die Stadt Isny.

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