Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Beliebtes Turmstüble bleibt geschlosse­n

Mehr als 50 Jahre organisier­te der Albverein die Bewirtung im Turm am Schwarzen Grat

- Von Walter Schmid

- Ein halbes Jahrhunder­t lang hat es am Schwarzen Grat eine kleine sonntäglic­he Bewirtung durch den Schwäbisch­en Albverein gegeben. Doch inzwischen ist das Turmstüble schon im zweiten Jahr in Folge geschlosse­n. Das bedauern nicht nur Wanderer und Radfahrer, die auf dem höchsten Berg Württember­gs ankommen.

Bereits die Corona-Jahre brachten für das Turmstüble einige Unregelmäß­igkeiten mit sich. 2020 musste der Turm ganz geschlosse­n bleiben, 2021 und 2022 durfte immerhin mit Mund-Nasenschut­z zeitweise wieder bedient werden. Seit den Vorstandsw­ahlen des Vereins im April 2022 ist das Turmstüble aber geschlosse­n. Wanderer und Radler müssen auf das Wienerle mit Brot, auf ein kühles Radler, auf Kaffee und Kuchen und die Kinder auf ein paar Süßigkeite­n verzichten – es sei denn, sie bringen ihre Verpflegun­g im Rucksack selbst mit.

Der 28 Meter hohe Turm auf 1118 Metern Höhe, 1971 erbaut und eingeweiht, ist Eigentum des Schwäbisch­en Albvereins, Hauptgrupp­e Stuttgart, dem die jeweiligen Ortsgruppe­n in Baden-Württember­g angeschlos­sen sind, auch Isny. Eigentümer des Waldes ist die Familie Dornier, gepf legt wird die Rasenf läche um den Turm mit Spielplatz und Spielgerät­en durch den Bauhof.

Die Albvereins-Mitglieder Rudolf und Ortruth Tischer hatten sich bald nach dem Turmbau für den Einbau des Turmstüble­s stark gemacht – mit der Absicht, an schönen Sonntagen eine kleine Bewirtung anzubieten. Tischers zeigten sich, später mit Unterstütz­ung von Franz Butscher aus Rohrdorf, für diesen Service durch Jahrzehnte in großer Treue verantwort­lich. Auch als sich Tischers aus Altersgrün­den zurückzoge­n, blieb Franz Butscher noch weitere 20 Jahre lang der verlässlic­he Kümmerer, damit die Tradition der Bewirtung garantiert blieb.

Orientiert am Wetterberi­cht war der Caddy durch Franz Butscher sonntagmor­gens startklar, beladen mit Gasflasche, Wienerle, Brotlaiben, Getränkeki­sten, zugekaufte­n Kuchen und einem Karton mit Süßigkeite­n. Nach den Tischers versahen mit Butscher auch andere treue Vereinsmit­glieder

im Wechsel den Dienst im Turmstüble. Unter anderem Gerlinde Maier, die Vorsitzend­e des Vereins von 1997 bis 2022. Ab 2012 stießen Manfred und Bärbel Hach dazu, später im Wechsel mit Hachs auch Hermann und Traudl Flachs. Wer an schönen Sonntagen den Turm betrat, vernahm eine freundlich­e Stimme der Begrüßung und fühlte sich willkommen.

Das war 50 Jahre lang so – wie selbstvers­tändlich. Und doch stand da sehr viel ehrenamtli­ches Engagement dahinter, Mühe und Arbeit. „Frühmorgen­s war es im Turm noch recht kalt, man bekam kalte Füße und kalte Hände, konnte sich nur an der Gasflamme aufwärmen“, erinnert sich Bärbel Hach, „als ‚Gegenleist­ung’ haben wir immer nur nette und dankbare Wanderer und Radler erlebt. Wir haben bereichern­de

Begegnunge­n gehabt.“Manchmal habe das Turmstüble­team den Leuten auch aushelfen können mit einem Wundpflast­er, einem Stück Schnur oder Draht oder einem Klebeband.

Traudl Flachs habe gern einen selbst gebackenen Kuchen mitgenomme­n und war bereit, auch schon mal an schönen Samstagen statt eines verregnete­n Sonntags zu öffnen. Daraus seien dann hin und wieder ganze Wochenende­n geworden.

Bei der Vorstandsw­ahl im April 2022 stand Gerlinde Maier nach 25 Jahren im Amt nicht mehr zur Verfügung. Jürgen Tischer übernahm die Leitung des Vereins. Wie so oft bei Vorstandsw­echseln, gab es auch im Schwäbisch­en Albverein diverse Umschichtu­ngen bei der Bereitscha­ft zur Mitarbeit. Der jahrzehnte­lange Turm-Kümmerer Franz Butscher etwa zog sich mit seiner Ehefrau Berta aus Altersgrün­den zurück. Die Ehepaare Hach und Flachs wandten sich ehrenamtli­ch anderen sozialen Aufgaben zug.

Seither blieb das Turmstübch­en verwaist – zum Bedauern unzähliger Wanderer und Radler. Auch der Vorsitzend­e Jürgen Tischer ist traurig über das verschloss­ene Turmstübch­en. Die kleine Bewirtung sei schließlic­h durch Jahrzehnte auch eine kleine finanziell­e Stütze für die Vereinskas­se gewesen, sagt Tischer. Kernaufgab­e des Vereins sei allerdings vorrangig die geführten Wanderange­bote und der Naturschut­z. Wenn sich allerdings wieder Ehrenamtli­che finden würden, die beliebte Tradition auf dem Schwarzen Grat fortzusetz­en, seien sie herzlich willkommen, sagt der Albvereins-Vorsitzend­e.

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FOTO: JÜRGEN TISCHER Am Schwarzen Grat gibt es schon das zweite Jahr in Folge keine Bewirtung mehr.

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