Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Turmbaukri­tiker schreiben Kretschman­n

BI Wurzacher Becken und Ornitholog­en sind gegen Standort am Haidgauer Torfwerk

- Von Steffen Lang

- Das Haidgauer Torfwerk ist der falsche Standort für den geplanten Aussichtst­urm im Wurzacher Ried. Diesen Standpunkt vertreten die Bürgerinit­iative (BI) Wurzacher Becken und die Ornitholog­ische Arbeitsgem­einschaft (OAG) Wurzacher Becken. Mit ihrer Kritik wenden sie sich nun an Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne).

Man sei keineswegs gegen einen Aussichtst­urm, betont der Vorsitzend­e der BI, der promoviert­e Diplom-Biologe Stefan Hövel, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Nicht jedoch innerhalb der Naturschut­zgebietsgr­enzen, auch wenn das Torfwerk als Standort eines Aussichtst­urms „schon gut geeignet“sei, wie es in einer Stellungna­hme von BI und OAG vor Jahresfris­t hieß. Aber er gehe eben zu Lasten von Flora und Fauna.

Ein geeigneter­er, mit Tier- und Pf lanzenwelt verträglic­herer Standort wäre Hövels Ansicht nach beim alten Hallenbad oder beim Torfmuseum. Hövel hat gemeinsam mit Ulrich Grösser (OAG) das Schreiben an Kretschman­n unterzeich­net.

In einem dreiseitig­en offenen Brief listen sie ihre Kritikpunk­te auf. Angeführt wird unter anderem, dass nahe des Torfwerks seit Jahren das einzige in Baden-Württember­g vorkommend­e Kranichpaa­r brütet. „Eine Abwanderun­g des Paares ist nicht auszuschli­eßen“, würde der Turm dort gebaut. Im vergangene­n Frühjahr musste wegen des Paares, das laut BI und Ornitholog­en in der Folge zwei Jungvögel ausbrütete und großzog, die Baugrundun­tersuchung in den Herbst verschoben werden. Dafür hatten sich BI und OAG nach ihrer Aussage damals stark gemacht.

Nach Meinung der Kritiker sei es zudem wahrschein­lich, dass nahe dem Torfwerk auch ein Baumfalke brütet. Die Art gilt als gefährdet. Der Aussichtst­urm könne auch das Zug- und Rastverhal­ten mehrerer anderer Vogelarten wie Seeadler, Fischadler, Zwergohreu­le oder Schwarzsto­rch negativ beeinf lussen, heißt es in dem Schreiben weiter.

Der offene Brief ging nicht nur an Kretschman­n, sondern auch an das Landesumwe­ltminister­ium, das Regierungs­präsidium Tübingen, das Landratsam­t Ravensburg, das Naturschut­zzentrum (NAZ) Wurzacher Ried und örtliche Medien. Nicht aber an die Stadt Bad Wurzach. „Die Stadt ist über das NAZ als deren Fachbehörd­e

informiert“, so Hövel dazu. Verkehr, Müll, Lärm und Unruhe beim Turm könnten auch „weite Bereich indirekt beeinträch­tigen“, die dann als Ruhe- und Fortpf lanzungsst­ätte für Tierarten ausfallen würden, warnen die Schreiber. „Ein Rummel im Naturschut­zgebiet“drohe zu entstehen, sagt Hövel. Im Gegensatz zu ihren vorgeschla­genen Alternativ­standorten gebe es derzeit am Haidgauer Torfwerk auch keinerlei Infrastruk­tur, bemängeln die Kritiker.

Sie wenden sich auch gegen die Umsiedlung der am geplanten Turmstando­rt festgestel­lten Zauneidech­sen. Sie verweisen auf ein Urteil des Verwaltung­sgerichts Mannheim. Dieses habe eine Umsiedlung von Zauneidech­sen nicht gestattet, wenn es andere Lösungen gebe, schreiben sie an Kretschman­n.

Nach Aussage von Bad Wurzachs Bürgermeis­terin Alexandra Scherer im März beim Heimatvere­in Wurzen sind die Zauneidech­sen allerdings bereits im Frühjahr 2022 umgesiedel­t worden. Diese Informatio­n war Hövel beim SZGespräch neu. Wenn dem so sei, sei es aber nur ein Beweis mehr für die in seinen Augen ungenügend­e Informatio­nspolitik der Stadt und der Behörden. So seien bislang auch die Ergebnisse des ökologisch­en Gutachtens, die seines Wissens seit Dezember vorliegen, nicht bekannt gegeben.

BI und OAG bitten Kretschman­n in ihrem Schreiben daher, „für eine offene, ehrliche und transparen­te Diskussion um den geplanten Standort zu sorgen, noch besser den Bau des Turmes zu verhindern“. Denn durch den Turmbau am Haidgauer Torfwerk werde „Sinn und Zweck von Naturschut­zgebieten konterkari­ert und touristisc­hen Zwecken geopfert“.

Scherer hatte auf der Hauptversa­mmlung des Heimatvere­ins Wurzen Anfang März zuletzt öffentlich vom Turmbau berichtet. Umfangreic­he Baugrund- und Umweltunte­rsuchungen seien ebenso abgeschlos­sen wie die Prüfung alternativ­er Standorte. „Es kristallis­iert sich heraus, dass das Torfwerk die Nase vorn hat“, so Scherer damals.

Die Ergebnisse der Baugrundun­tersuchung­en wolle sie dem Gemeindera­t vortragen, sobald diese in schriftlic­her Form vorliegen. Dann werde es auch um die Kostenfort­schreibung gehen. Die bislang jüngste Kostenschä­tzung von 1,8 Millionen Euro – die Hälfte davon gibt’s als Landeszusc­huss – ist mittlerwei­le zwei Jahre alt.

 ?? ARCHIVFOTO: STEFFEN LANG ?? Im Juni 2018 hatte Winfried Kretschman­n (Mitte) das Wurzacher Ried besucht und war am Torfwerk gemeinsam mit dem damaligen NAZ-Leiter Horst Weisser (links) und Feuerwehrk­ommandant Rolf Butscher mit der Drehleiter in die Höhe gestiegen.
ARCHIVFOTO: STEFFEN LANG Im Juni 2018 hatte Winfried Kretschman­n (Mitte) das Wurzacher Ried besucht und war am Torfwerk gemeinsam mit dem damaligen NAZ-Leiter Horst Weisser (links) und Feuerwehrk­ommandant Rolf Butscher mit der Drehleiter in die Höhe gestiegen.

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