Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Bildhauern, zeichnen und musizieren
Alexander Habisreutinger stellt im Espantor in Isny aus
- Dass bildende Künstlerinnen und Künstler nicht unbedingt nur auf der ihr eigenen Klaviatur spielen, sondern sich gerne auch weiteren Terrains zuwenden, ist keine Seltenheit. Mit Alexander Habisreutinger verhält es sich exakt so. Er ist vor allem Bildhauer und Zeichner. Gleichzeitig liegt ihm die Musik, speziell die des Free Jazz, am Herzen. Von beidem konnte sich das Publikum am Sonntag anlässlich seiner Ausstellungseröffnung mit Skulpturen und Zeichnungen in der Städtischen Galerie im Espantorturm überzeugen.
1975 in Ravensburg geboren, hat er nach Tischlerlehre und Studium der Malerei und Grafik an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe bei Ernst Caramelle und Gustav Kluge in Berlin gelebt. Vor einigen Jahren ist er in seine Heimat Oberschwaben zurückgekehrt. „Back to the Roots“könnte man meinen, stammt er doch aus dem gleichnamigen Weingartner Holzzentrum.
Die Arbeit mit dem Werkstoff Holz ja, doch hat er den künstlerischen Weg eingeschlagen. Fundholz
sei das Ausgangsmaterial seiner Skulpturen und Installationen. Dieses werde zerlegt, zersägt und auch gespalten. Mittels verschiedener Techniken würden die daraus resultierenden Holzteile zu neuartigen Gebilden zusammengefügt. Dieses Stück-fürStück-Wachsen lässt sich nun Stockwerk für Stockwerk im Espantor nachvollziehen. Freistehende oder von der Decke abgehängte Skulpturen wechseln mit
Wandobjekten und Tuschezeichnungen ab.
Doch bevor Elisabeth Olberz vom Büro für Kultur zu einem Rundgang einlud, hatten sich Alexander Nelles-Ehrmann aus Ravensburg und Alexander Habisreutinger für ihre musikalische Performance unten vor dem Espantor postiert. Nelles-Ehrmann mit Hang, Cajon und Mundharfe – Habisreutinger am Kontrabass und an der singenden
Säge. Während der sechs Jahre, die er in Berlin verbracht hat, sei er oft zu Improvisationstreffs gegangen. Dort habe er gelernt, verschiedene Instrumente zu bauen und zu spielen. Seine s-förmig gebogene singende Säge ist solch ein Instrument aus Blech, das er mit einem Holzstück zum Vibrieren bringt.
Heraus kommen hohe rhythmisch aufploppende Töne, die wenig kalkulierbar erscheinen.
Vielmehr spiegeln sie das Spontane, Expressive und Vitale wieder, wie es seinem bildnerischen Schaffen zu Eigen ist. Nur auf anderem Wege. Als offene Systeme, die mit astartigen Bewegungen in den Raum ausgreifen. Die in einigen Fällen eine Art Verbindungsstücke aufweisen. Gewissermaßen Module im Sinne von Steckvorrichtungen, um die glatt geschliffenen Aststücke miteinander zu verbinden.
Habisreutinger hat einen starken Bezug zum Gewachsenen, weswegen es unter anderem auch keine Vorzeichnungen oder Entwürfe gibt. Von figürlichen Assoziationen spricht er dabei und sobald sich der Blick seinen Tuschezeichnungen zuwendet, werden die Schnittstellen sichtbar. Ein All-Over aus feinlinigen Krakeluren überzieht das Papier, worin sich Figürliches im weitesten Sinne entdecken ließe. Wo er anfange zu zeichnen und wie lange er für ein solches Blatt benötige, sind immer wiederkehrende Fragen von Besucherinnen und Besuchern. Akribisch oder meditativ – je nachdem aus welcher Perspektive.
„Man muss sich einschwingen“, ist von Habisreutinger zu hören, dessen linke Hand oben rechts beginnt los zu krakeln und das in zeitlichen Abschnitten über Tage hinweg. Bleibt da noch seine Serie „Multiplex Remix“in Gestalt von Wandobjekten. Vorläufer waren Reliefs aus Sperrholzplatten, in die er ritzt und schneidet. Doch wie gelingt es, Flächigem mehr Volumen, mehr Plastizität, mehr Raum zu verschaffen? Indem er selbige zertrümmert und neu zusammensetzt, entstehen buckelartige, an Landschaftliches erinnernde Objekte, deren facettenhaft gebrochenen Oberf lächen er mit linearen Netzwerken überzieht. Ihm geht es – wie in der Musik – um das Improvisieren, um das Prozesshafte, um das immer wieder neu Verschlungene.