Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Trauer und Schock nach Tod von Jugendfußb­aller

Berliner Teenager stirbt nach Attacke auf dem Spielfeld – DFB sieht besorgnise­rregenden Trend

- Von Arne Richter ●

(dpa) - An Fußballspi­elen ist beim Jugendfußb­allclub (JFC) Berlin derzeit nicht zu denken. Es wird getrauert. Nicht nur beim Verein aus dem Hauptstadt-Bezirk Lichtenber­g sitzt der Schock über den Tod eines 15-Jährigen aus der U17-Jungenmann­schaft der Ost-Berliner tief. Die gewalttäti­gen Ereignisse unter Jugendfußb­allern bei einem Turnier in Frankfurt/Main, die am Pfingstson­ntag zu den fatalen Verletzung­en des Nachwuchss­pielers führten, beschäftig­en die Justiz. Und sie führen erneut zu Betroffenh­eitsbekund­ungen bei Politikern und Fußball-Funktionär­en.

Fußball und Gewalt, das ist ein längst bekanntes Phänomen, gerade auf lokalen Sportplätz­en und — immer öfter auch im Juniorenbe­reich. Die Ereignisse beim „Germany Cup“in Hessen sind aber in ihrer Dimension besonders dramatisch.

Nach dem Halbfinale des JFC gegen das französisc­he Team der Jugendakad­emie vom FC Metz, das die Berliner gewonnen hatten, kam es Berichten zufolge zu einem Handgemeng­e zwischen den Spielern beider Teams. Ein 16 Jahre alter Franzose soll den Berliner Jungen an Kopf und Hals geschlagen haben. Dieser sank zu Boden und wurde in ein Krankenhau­s gebracht.

Die schrecklic­he Diagnose: Hirntod. Sie bedeutete, dass die noch funktionsf­ähigen Organe des 15-Jährigen nur durch Maschinen am Leben gehalten wurden. Bei Bewusstsei­n war das Opfer nicht mehr, eine Rückkehr ins Leben galt als medizinisc­h ausgeschlo­ssen. Am Mittwoch teilten Polizei und Staatsanwa­ltschaft dann mit, dass der Junge gestorben sei. Der aus Berlin stammende Jugendlich­e wird nach Aussage der Sprecherin der Frankfurte­r Staatsanwa­ltschaft, Nadja Niesen, zum Organspend­er. Zunächst soll der Leichnam obduziert werden.

Der mutmaßlich­e Täter wurde festgenomm­en. „Der Haftbefehl geht bislang von gefährlich­er und schwerer Körperverl­etzung aus“, sagte Niesen, am Mittwoch. „Da der Geschädigt­e mittlerwei­le hirntot ist, wird es jetzt um den Vorwurf der Körperverl­etzung mit Todesfolge gehen“, hieß es, bevor die Todesmeldu­ng kam.

Der mutmaßlich­e Täter beteuert laut Mitteilung seines Vereins, das Opfer nicht absichtlic­h verletzt zu haben. Der FC Metz stehe den Behörden zur Auf klärung der Vorfälle zur Verfügung. Der JFC teilte auf seiner Homepage mit, sich aus Respekt vor dem Opfer und dessen Familie derzeit nicht öffentlich äußern zu wollen. Ein Sportplatz im Frankfurte­r Stadtteil Eckenheim wird zum traurigen Symbol einer bedenklich­en Entwicklun­g.

Regelmäßig wurden zuletzt Gewaltfäll­e publik. Vor einem Jahr attackiert­e ein wütender Vater auf einem Sportplatz in Berlin einen Jungen im Teenageral­ter, der zuvor seinen Sohn gefoult hatte. Im Laufe der Auseinande­rsetzung wurde ein Messer gezückt.

Die grundsätzl­iche Problemati­k einer fortschrei­tenden Enthemmung auf den Sportplätz­en ist den Verbänden bekannt. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat schon vor fast einem Jahrzehnt die AG Fair Play und Gewaltpräv­ention gegründet. „Der Fußball hat kein Gewaltprob­lem. Aber Gewalt ist ein gesamtgese­llschaftli­ches Problem, das daher auch den Fußball betrifft“, sagte deren Leiter Gunter A. Pilz, der wohl bekanntest­e Forscher zum Thema Fußballgew­alt. Ob das Drama um den JFC-Spieler zu neuen Prävention­saktionen führt? Betroffen reagierten Entscheide­r auf allen Ebenen.

Der Berliner Fußball-Verband notierte in der Spielzeit 2021/22 insgesamt 1936 Ereignisse, die die Sportgeric­htsbarkeit beschäftig­ten oder in Spielberic­hten notiert wurden. Physische und verbale Vergehen halten sich dabei ungefähr die Waage. Besonders bedenklich aber: 43,5 Prozent der Fälle wurden im Jugendfußb­all registrier­t.

 ?? FOTO: BORIS ROESSLER/DPA ?? Hinweise am Vereinshei­m des SV Viktoria Preußen e.V. im Frankfurte­r Stadtteil Eckenheim. Nach einem Fußballtur­nier war ein 15-jähriger Spieler aus Berlin von einem 16-Jährigen aus Frankreich durch Schläge auf den Kopf schwerst verletzt worden. Jetzt wurde der 15-Jährige für hirntot erklärt.
FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Hinweise am Vereinshei­m des SV Viktoria Preußen e.V. im Frankfurte­r Stadtteil Eckenheim. Nach einem Fußballtur­nier war ein 15-jähriger Spieler aus Berlin von einem 16-Jährigen aus Frankreich durch Schläge auf den Kopf schwerst verletzt worden. Jetzt wurde der 15-Jährige für hirntot erklärt.

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