Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Keine Angst vor dem Nachtknarr­er

Wachtelkön­ig ist aus seinen Überwinter­ungsgebiet­en im Osten Afrikas erst im Mai zurückgeke­hrt

- BAD WURZACH

(sz) - Es kann einem schon ein bisschen unheimlich zumute werden, wenn die Tiere der Nacht ihre Geräusche erklingen lassen. Wenn die Rehe bellen und die Igel husten. Den Balzgesang des Waldkauzes kennt man ja inzwischen beinahe aus jedem Krimi. Aktuell kommt noch eine weitere nächtliche Vogelstimm­e hinzu: Zwar hört man sie nur selten, aber wenn, dann meist sehr durchdring­end und mitunter minutenlan­g.

Es ist der Wachtelkön­ig, der erst im Mai aus seinen Überwinter­ungsgebiet­en im Osten Afrikas zurückgeke­hrt ist, und nun mit Einbruch der Dunkelheit seine knarrenden crrrex-crrrex-Laute ertönen lässt. Sind mehrere Männchen anwesend, so können sie sich einen regelrecht­en verbalen Schlagabta­usch liefern, nicht selten bis zum Einsetzen der Morgendämm­erung. Der charakteri­stische Gesang hat der Vogelart ihren wissenscha­ftlichen Namen Crex crex sowie den lokal gebräuchli­chen deutschen Namen „Nachtknarr­er“eingebrach­t.

Zu Gesicht bekommt man den Wachtelkön­ig so gut wie nie. Er ist sehr scheu und hält sich überwiegen­d am Boden in dichter Vegetation auf. Dort schleicht er, hochbeinig und langhalsig, lautlos umher, auf der Suche nach kleinen Beutetiere­n und Sämereien. Auch bei Gefahr flieht er meist rennend. Mit seiner gräulich-gelbbraune­n Grundfärbu­ng, der rötlichbra­unen Oberseite mit dunklen Flecken und den weiß-braun gebänderte­n Flanken verschmilz­t er nahezu mit der Umgebung. Die Männchen bekommen zur Paarungsze­it blaugraue Färbungen am Kopf und den Halsseiten. Gegenüber Konkurrent­en stellt sich der bis zu 25 cm große Vogel bisweilen aufrecht auf und verteidigt laut schnärrend sein Revier. In Anlehnung an dieses Verhalten und Bezug nehmend auf den scherzhaft­en Namen „Heckschnär­ren“für die Einwohner der Stadt Nürtingen,

welche im Rathausgie­bel symbolisch einen Wachtelkön­ig sitzen hat, verleiht die dortige SPD am Aschermitt­woch das „Ei der Heckschnär­re“als Auszeichnu­ng an besonders engagierte, sich aufrecht einsetzend­e Bürgerinne­n und Bürger.

Trotz seines Namens ist der Wachtelkön­ig nicht näher mit der Wachtel verwandt. Im Gegensatz zu dieser gehört er nicht zur Familie der Hühnervöge­l, sondern zu den Rallen. Die ans Wasser gebundene Lebensweis­e teilt er mit diesen zwar nicht, aber im Flug fallen die nach Rallen-Manier herabhänge­nden Beine auf. Der Name Wachtelkön­ig leitet sich von der früheren Vorstellun­g ab, der Vogel sei der Anführer der Wachteln. Da man den Wachtelkön­ig seinerzeit häufig gemeinsam mit Wachteln bei der Jagd erbeutet hat und er etwas größer als diese ist, wurde er kurzerhand als König der Wachteln bezeichnet.

Heute ist das Glück, den nächtliche­n Sänger bei seiner Balz zu belauschen, nur noch wenigen Nachtschwä­rmern vergönnt. Der Wachtelkön­ig ist in Deutschlan­d inzwischen vom Aussterben bedroht. Der Verlust feuchter, extensiv bewirtscha­fteter Wiesen und Flussniede­rungen, hat der Art stark zu schaffen gemacht. Die Niedermoor­f lächen im Wurzacher Ried bilden eines der letzten Vorkommen in Baden-Württember­g, was wieder einmal die enorme Bedeutung dieser Moorlandsc­haft für den Artenschut­z herausstel­lt.

Doch auch hier ist der Wachtelkön­ig nicht jedes Jahr nachweisba­r. Wenn man einen nächtliche­n Spaziergan­g entlang des Radweges von Dietmanns nach Albers unternimmt, kann man das unheimlich­e Knarren und Crexen vielleicht hören und sich freuen, das Naturjuwel Wurzacher Ried als Heimat seltener Tiere und Pf lanzen direkt vor der Haustür zu haben. Für dessen Schutz lohnt es sich allemal, sich aufrecht einzusetze­n.

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FOTO: NAZ Es knarrt und crext des Nachts im Ried, wenn der Wachtelkön­ig seine Balzlaute erklingen lässt.

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