Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wie sich die Altenpflege verändert hat
Thomas Ebel blickt nicht nur auf 32 Jahre als Leiter der Fachschule zurück, die im Sommer nach Wangen zurückkehrt
(bee) - Vor 32 Jahren hat das Institut für soziale Berufe (IfsB) aus Ravensburg die Altenpflegeschule in Wangen übernommen. Von Anfang an dabei ist deren Leiter Thomas Ebel. Bevor der 63-Jährige offiziell in den Ruhestand verabschiedet wird, zieht er für die „Schwäbische Zeitung“nicht nur ausführlich Bilanz. Er blickt auch nach vorne, denn im Sommer kehrt die Fachschule von ihrem zweijährigen „Exil“in Isny wieder zurück nach Wangen.
Wer über 30 Jahre lang Altenpfleger und zuletzt Pflegefachfrauen und -männer ausgebildet hat, kann viel erzählen: über sich wandelnde Berufsbilder oder politische Rahmenbedingungen, über die Folgen von Corona und Zuwanderung, über die herausfordernde Arbeit an sich. Mit fast 700 Schülern und Schülerinnen – zwischen 18 und 50 Jahre alt, weiblicher Anteil: 80 Prozent – hatte es Thomas Ebel in dieser Zeit zu tun. „Heute ist die Pflege bunter, mit sieben Nationalitäten in einem Kurs, was guttut, nicht nur in Oberschwaben.“
Dass der aus Frankfurt stammende Gerontologe ein Pädagogikstudium hinter sich hat und schon damals mit einem Lehrerjob liebäugelte, kam und kommt ihm als Leiter der Altenpf legeschule zugute. Denn neben den erforderlichen Fachkenntnissen gilt es, das nötige Selbstbewusstsein und eine gewisse Widerstandsfähigkeit für die künftige Arbeit zu vermitteln, wie es der heute 63Jährige ausdrückt.
Eine ganz besondere Belastungsprobe in dieser Hinsicht war die Pandemie. Die stundenlange Arbeit hinter der Maske sei nicht nur körperlich, sondern auch psychisch anstrengend gewesen. Tausende Pflegekräfte hätten wegen Überlastung in der Corona-Krise ihren Job an den Nagel gehängt, weiß Thomas Ebel. Dabei sei der Personalmangel vor allem in der Altenpf lege schon jetzt dramatisch, auch in Heimen in der Region seien deshalb Betten nicht belegt. Laut Pf legereport der Bertelsmann-Stiftung, so Ebel, steige die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 um 50 Prozent. Zugleich nehme die Zahl derjenigen ab, die in der Pflege arbeiten. Demnach würden bis dahin fast 500.000 Vollzeitkräfte in der Pf lege fehlen, wenn sich die derzeitigen Trends fortsetzen.
Das alles sind düstere Aussichten für einen Bereich, der vor gar nicht so langer Zeit noch allseits beklatscht wurde. „Leider ist es beim damaligen Applaus geblieben“, sagt Thomas Ebel. Schon als es ums Geld für die Corona-Prämien ging, seien die Diskussionen ärgerlich gewesen. Sein Fazit: „Zwar ist die Pflege seit der Pandemie stärker im Fokus und wird mehr wertgeschätzt, aber sie soll eben weiter möglichst wenig kosten.“Die höhere Wertschätzung habe zudem nicht dazu geführt, dass viel mehr Menschen den Beruf lernen wollen: „Wir könnten weiter viel mehr Leute brauchen.“
Ob die 2020 eingeführte generalistische Pflegeausbildung, in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege miteinander verbunden sind, am Personalmangel speziell in der Altenpf lege groß etwas ändert, da hat Thomas Ebel so seine Zweifel. „Die Schüler haben zwar jetzt mehr Möglichkeiten, sie suchen sich aber das aus, was ihnen am besten gefällt“, sagt der Wangener. Und fragt sich: „Wer bleibt da noch in der Altenpf lege, wo die Arbeitsbedingungen sicherlich mit am meisten belastend sind?“
Das dürfte auch in der Zukunft so sein. Denn früher, so Ebel, seien die Bewohner eines Pflegeheims jünger gewesen, seien länger da geblieben und geistig klarer gewesen. Heute, mit dem sozialpolitisch gewollten Ausbau der ambulanten Pflege, kämen sehr viel ältere Menschen mit einem höheren Pflegegrad ins Heim, ein Anteil von 70 Prozent Demenzkranker sei dabei der Normalfall. Dazu würden die Leute teilweise nur Tage oder wenige Wochen bleiben, der Aufbau einer Beziehung zum Bewohner sei für eine Pflegekraft deshalb schwieriger geworden. „Kürzer, länger, dementer – das sind drei Faktoren für eine steigende Belastung“, weiß Thomas Ebel. Seine Gesamtbilanz fällt trotzdem überwiegend positiv aus. Die Herausforderungen der ständigen Veränderungen in der Ausbildung seien gut bewältigt worden – sei es die bundesweite Vereinheitlichung 2003, die gestreckte Altenpf legehelfer-Ausbildung für Migranten in 2015 (dafür gab es den Deutschen Caritaspreis) oder zuletzt der Aufbau zur generalistischen Ausbildung. Auch daran war Ebel maßgeblich beteiligt und empfindet heute, im Rückblick, nicht nur eine „große Befriedigung, etwas Sinnvolles gemacht zu haben“. Für ihn ist es auch eine Freude zu sehen, wie viele ehemalige Schüler mittlerweile in verantwortlichen Positionen sind, unter anderem auch als Kollegen am IfsB. „Die viele Arbeit hat sich gelohnt.“Dazu passt, dass das Institut für soziale Berufe im Sommer nach Wangen zurückkehrt. Nach dem Abriss von St. Vinzenz und wegen der Verzögerung
bei der neuen Carderie auf dem Erba-Areal, musste die Altenpf legeschule ganze zwei Jahre lang, statt wie ursprünglich geplant nur eines, in die Räumlichkeiten der NaturwissenschaftlichTechnischen Akademie (NTA) in Isny ausweichen. „Wir sind dort herzlich aufgenommen worden, kamen zurecht und hatten wegen der jetzt guten Busverbindungen auch keinen Einbruch bei den Schülerzahlen“, so Ebel.
In den Sommerferien soll die Rückkehr nach Wangen über die Bühne gehen. Im ersten Stock des Carderie-Westtrakts hat das IfsB dann ab dem kommenden Schuljahr und auf etwa 500 Quadratmetern drei große Unterrichtsräume und einen Pf legeraum zur Verfügung, dazu Flächen für Sanitär und Büros – neues Mobiliar inklusive. „Der Umzug wird meine letzte Amtshandlung sein“, sagt Thomas Ebel, der offiziell bereits bei der Abschlussfeier am 17. Juli in der NTA verabschiedet wird. Und was bleibt sonst noch? Sechs Worte: „Große Genugtuung, Zufriedenheit, ein bisschen Stolz.“