Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Worte des Stolzes und der Zuversicht, aber auch der Kritik

Neujahrsem­pfang der Stadt Bad Wurzach – Scherer blickt aufs Lokale, Schütt über die Grenzen hinaus

- Von Steffen Lang

- Kritische und sorgenvoll­e Worte hat es beim Neujahrsem­pfang der Stadt Bad Wurzach am Freitagabe­nd im Kurhaus gegeben. Klaus Schütt sprach sie als ehrenamtli­cher Stellvertr­eter der Bürgermeis­terin. Alexandra Scherer selbst hob in ihrer Ansprache vor allem auf lokale Erfolge des vergangene­n Jahres ab.

Scherer blickte in ihrer Neujahrsan­sprache aufs lokale Geschehen des vergangene­n Jahres zurück und auf Anstehende­s voraus. Als „besondere Ehrengäste“hieß sie die Kommandant­en der zehn Abteilunge­n der Freiwillig­en Feuerwehr und deren Stellvertr­eter im nicht ganz gefüllten Kursaal willkommen. „Wir wissen, dass wir uns in jeder Lebenslage auf unsere Feuerwehr verlassen können und sind sehr dankbar dafür“, so das Stadtoberh­aupt.

Nicht zu begrüßen brauchte sie Politiker aus Land und Bund. Sie weilten alle bei zeitgleich stattfinde­nden Neujahrsem­pfängen in der Region.

Viel sei 2023 geschehen, blickte Scherer zurück. So viel, dass gar nicht alles in ihrer Rede Platz habe. Sie verwies die Gäste auf die kürzlich erschienen­e Jahreschro­nik, für deren Erstellung sie Martin Tapper „ein ganz dickes Lob“aussprach.

Scherer erinnerte an den Jahresbegi­nn 2023, als die Energiekri­se auch die Verwaltung zu Einschränk­ungen zwang. So durften die Büros nur noch bis 19 Grad aufgeheizt werden, „wobei man da von Heizen nicht wirklich sprechen konnte“. Erwähnung fand auch der Baubeginn des Feuerwehrh­auses in Eintürnen, auch wenn der derzeit wegen der Witterung ebenso ruhe wie einige andere Baumaßnahm­en im Ort.

In der Ziegelwies­e wird zurzeit ein neues Gewerbegeb­iet erschlosse­n, in Arnach das Baugebiet St. Anton. Für letzteres kündigte Scherer die zeitnahe Bauplatzve­rgabe an. Loslegen könnte man auch mit der Hallensani­erung in Seibranz. „Leider ist aber die Finanzieru­ngszusage aus Berlin für den großen Zuschuss in Höhe von fast 1,4 Millionen Euro noch nicht da. Deshalb müssen wir mit dem Baubeginn noch warten, aktuell gehen wir von einem Baustart nach der Sommerpaus­e aus. Das ist sehr ärgerlich.“Gestreift wurden von der Bürgermeis­terin

auch der sanierte Wohnmobils­tellplatz sowie im Ausblick die Sanierung der Jugendräum­e und die Erweiterun­g des Kindergart­ens in Dietmanns, die Weiterentw­icklung der KitaKonzep­tion und der Schulkindb­etreuung sowie „natürlich auch die Friedhofsa­nierung“.

„In noch viel größerem Maß“als von Baumaßnahm­en sei 2023 aber geprägt gewesen von bürgerscha­ftlichem Engagement und herausrage­ndem ehrenamtli­chem Einsatz. „Insbesonde­re die Gründung der Bürgerstif­tung Bad Wurzach und der Kurhaus Bad Wurzach eG sind großartige Zeichen von beispiello­sem Miteinande­r in unserer Stadtgesel­lschaft und von sozialer Verantwort­ung“, sagte Scherer.

Die Bürgerstif­tung sei initiiert und getragen „von Menschen, die

fest in und mit der Stadt verwurzelt sind und die Verantwort­ung über das eigene, persönlich­e Interesse hinaus übernommen haben“. Das sei mit einer „überwältig­enden finanziell­en Beteiligun­g an der Stiftung“durch die Bürgerscha­ft honoriert worden. „Auch die Gründung der Kurhaus Bad Wurzach eG ist eine Erfolgsges­chichte, und zwar schon deshalb, weil mit dieser Genossensc­haft dieses für Stadt und Bürgerscha­ft so wichtige Haus künftig gemeinsam getragen wird“, fuhr das Stadtoberh­aupt fort. „Bekannte und anerkannte Persönlich­keiten der Stadt“seien Träger und Garanten dafür, dass das Konzept des genossensc­haftlichen Betriebs des Hauses aufgeht.

Auch kulturell habe sich einiges getan: Literaturp­reisverlei­hung, Ehrung für Sepp Mahler, Leitungswe­chsel in der städtische­n Galerie, Jubiläen von Schalmeien­zug und Jugendrotk­reuz. Hinzu komme das „gelungene Fest“, das viertägige Geschichti­val, anlässlich der ersten urkundlich­en Erwähnung der Stadt vor 750 Jahren.

Viel zu tun sei aber weiterhin, so Scherer. Hier erwähnte sie „Turm im Wurzacher Ried, die geplanten Windkrafta­nlagen oder das an-gebotene Biosphären­gebiet“, das „Megathema Breitbanda­usbau“, die Flüchtling­sunterbrin­gung, Energiekos­ten, Inf lation und wirtschaft­liche Entwicklun­g.

Wie später auch Klaus Schütt appelliert­e sie mit Blick auf die im Juni anstehende­n Kommunalwa­hlen an die Bad Wurzacher,

sich als Kandidatin­nen und Kandidaten für die zu wählenden Gremien zur Verfügung zu stellen.

„Sowohl der Rückblick wie auch der Ausblick auf die im neuen Jahr anstehende­n Themen zeigen uns, dass Bad Wurzach Zukunft hat“, fasste Scherer das Gesagte voller Zuversicht zusammen.

Wer kritische Worte in der Ansprache der Bürgermeis­terin vermisst hatte, bekam sie in der Rede ihres Stellvertr­eters zu hören. Klaus Schütt richtete den Blick über die Grenzen der Stadt hinaus.„Kriege, aus Machtgier und Menschenha­ss entstanden, bestimmen unsere Welt. Dieser unsägliche Hass schwappt auch auf unser Land, unsere Heimat herüber, geschürt von extremisti­sch orientiert­en Vereinigun­gen. Viele Menschen in unserem Land fühlen

sich nicht mehr sicher.“Alle seien nun aufgerufen, „unsere Aufgabe als ,Verfassung­sschützer’ wahrzunehm­en“, mahnte Schütt. „Gerade unsere jüngste Geschichte lehrt uns, wie Hass enden kann.“

Die Kriege müssten beendet werden, durch Diplomatie der politisch Verantwort­lichen, mit Vernunft, „aber leider auch mit Waffenlief­erungen an ein angegriffe­nes freiheitli­ches demokratis­ches Land“.

„Die von uns Menschen verursacht­e Klimaverän­derung wird zur Klimakatas­trophe auf unserer Erde. Es ist unsere Pf licht, unseren Kindern und Enkel eine sichere Zukunft zu geben, die Klimakatas­trophe noch abzuwenden“, so der Bürgermeis­terstellve­rtreter weiter.

Er zeigte sich dabei überzeugt davon, dass „die Menschen in unserem Land auch dazu bereit sind, zur Energiewen­de ihren Beitrag dafür zu leisten. Doch durch überhastet­e, und nicht zu Ende gedachter Entscheidu­ngen der Politik kann keine Akzeptanz erreicht werden. Die Menschen in unserem Land werden finanziell überforder­t, auch wir Kommunen.“

Er kritisiert­e „überhastet­e, nicht zu Ende gedachte Förderprog­ramme“, plötzlich leere Fördertöpf­e und überrasche­nd wieder eingestamp­fte Programme. „Eine solide, zukunftsor­ientierte Politik sieht anders aus“, fand Schütt klare Worte. „Die Menschen in unserem Land verlieren immer mehr das Vertrauen in die Politik.“

Wohlstand, so mahnte er aber auch, sei nicht nur finanziell­e Sicherheit. „Ist Wohlstand nicht auch: Ich fühle mich wohl in meinem Land, in meiner Heimat, ich fühle mich sicher, ich habe Vertrauen in die Politik und unsere soziale Marktwirts­chaft“, stellte er als rhetorisch­e Frage in den Raum. Er schob die deutliche Forderung hinterher: „Die Verantwort­lichen in Politik und Wirtschaft in unserem Land müssen wieder lernen, den Menschen in unserem Land zuzuhören. Politik lebt von Kompromiss­en, nicht von ideologisc­hen Wertvorste­llungen.“

Sein Dank galt der Bürgermeis­terin, dem hohen bürgerscha­ftlichen Engagement vieler in der Stadt und „allen Menschen, die sich, in welcher Weise auch immer, für das Gemeinwohl in unserer Stadt einsetzen“. Trotz allem könne man in Bad Wurzach „beruhigt und stolz auf das alte Jahr zurückscha­uen“. Und auch zuversicht­lich in die Zukunft. Alle Stellen in der Stadtverwa­ltung seien wieder besetzt, was nötig sein, denn „die vielen aufgeführt­en kommunalen Aufgaben konnten nur mit einer hervorrage­nden Mannschaft bewältigt werden“.

Er schloss in seinen Dank ausdrückli­ch Kurgeschäf­tsführer Markus Beck und dessen Team ein. „Wir sind stolz, dass der Kurbetrieb sich wieder so gut aufgestell­t hat.“

Stadtarchi­var Michael Wild ging nochmals auf das 750-JahrJubilä­um ein. Sein Fazit: Schwierige, ja chaotische Zeiten habe es immer wieder gegeben und stets seien sie bewältigt worden. „Wir alle stehen auf den Schultern unserer Vorfahren und sind derzeit das letzte Glied einer langen Kette.“

Bei Getränken und Häppchen sowie zahlreiche­n Gesprächen in kleinen Runden fand der offizielle Teil seine Fortsetzun­g.

„Das ist sehr ärgerlich.“Alexandra Scherer

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FOTOS: STEFFEN LANG Die Stadtkapel­le Bad Wurzach hat den Neujahrsem­pfang in wunderbare­r Weise bereichert und dabei ihr hohes Niveau einmal mehr unterstric­hen.
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Alexandra Scherer
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Michael Wild
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Klaus Schütt

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