Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Worte des Stolzes und der Zuversicht, aber auch der Kritik
Neujahrsempfang der Stadt Bad Wurzach – Scherer blickt aufs Lokale, Schütt über die Grenzen hinaus
- Kritische und sorgenvolle Worte hat es beim Neujahrsempfang der Stadt Bad Wurzach am Freitagabend im Kurhaus gegeben. Klaus Schütt sprach sie als ehrenamtlicher Stellvertreter der Bürgermeisterin. Alexandra Scherer selbst hob in ihrer Ansprache vor allem auf lokale Erfolge des vergangenen Jahres ab.
Scherer blickte in ihrer Neujahrsansprache aufs lokale Geschehen des vergangenen Jahres zurück und auf Anstehendes voraus. Als „besondere Ehrengäste“hieß sie die Kommandanten der zehn Abteilungen der Freiwilligen Feuerwehr und deren Stellvertreter im nicht ganz gefüllten Kursaal willkommen. „Wir wissen, dass wir uns in jeder Lebenslage auf unsere Feuerwehr verlassen können und sind sehr dankbar dafür“, so das Stadtoberhaupt.
Nicht zu begrüßen brauchte sie Politiker aus Land und Bund. Sie weilten alle bei zeitgleich stattfindenden Neujahrsempfängen in der Region.
Viel sei 2023 geschehen, blickte Scherer zurück. So viel, dass gar nicht alles in ihrer Rede Platz habe. Sie verwies die Gäste auf die kürzlich erschienene Jahreschronik, für deren Erstellung sie Martin Tapper „ein ganz dickes Lob“aussprach.
Scherer erinnerte an den Jahresbeginn 2023, als die Energiekrise auch die Verwaltung zu Einschränkungen zwang. So durften die Büros nur noch bis 19 Grad aufgeheizt werden, „wobei man da von Heizen nicht wirklich sprechen konnte“. Erwähnung fand auch der Baubeginn des Feuerwehrhauses in Eintürnen, auch wenn der derzeit wegen der Witterung ebenso ruhe wie einige andere Baumaßnahmen im Ort.
In der Ziegelwiese wird zurzeit ein neues Gewerbegebiet erschlossen, in Arnach das Baugebiet St. Anton. Für letzteres kündigte Scherer die zeitnahe Bauplatzvergabe an. Loslegen könnte man auch mit der Hallensanierung in Seibranz. „Leider ist aber die Finanzierungszusage aus Berlin für den großen Zuschuss in Höhe von fast 1,4 Millionen Euro noch nicht da. Deshalb müssen wir mit dem Baubeginn noch warten, aktuell gehen wir von einem Baustart nach der Sommerpause aus. Das ist sehr ärgerlich.“Gestreift wurden von der Bürgermeisterin
auch der sanierte Wohnmobilstellplatz sowie im Ausblick die Sanierung der Jugendräume und die Erweiterung des Kindergartens in Dietmanns, die Weiterentwicklung der KitaKonzeption und der Schulkindbetreuung sowie „natürlich auch die Friedhofsanierung“.
„In noch viel größerem Maß“als von Baumaßnahmen sei 2023 aber geprägt gewesen von bürgerschaftlichem Engagement und herausragendem ehrenamtlichem Einsatz. „Insbesondere die Gründung der Bürgerstiftung Bad Wurzach und der Kurhaus Bad Wurzach eG sind großartige Zeichen von beispiellosem Miteinander in unserer Stadtgesellschaft und von sozialer Verantwortung“, sagte Scherer.
Die Bürgerstiftung sei initiiert und getragen „von Menschen, die
fest in und mit der Stadt verwurzelt sind und die Verantwortung über das eigene, persönliche Interesse hinaus übernommen haben“. Das sei mit einer „überwältigenden finanziellen Beteiligung an der Stiftung“durch die Bürgerschaft honoriert worden. „Auch die Gründung der Kurhaus Bad Wurzach eG ist eine Erfolgsgeschichte, und zwar schon deshalb, weil mit dieser Genossenschaft dieses für Stadt und Bürgerschaft so wichtige Haus künftig gemeinsam getragen wird“, fuhr das Stadtoberhaupt fort. „Bekannte und anerkannte Persönlichkeiten der Stadt“seien Träger und Garanten dafür, dass das Konzept des genossenschaftlichen Betriebs des Hauses aufgeht.
Auch kulturell habe sich einiges getan: Literaturpreisverleihung, Ehrung für Sepp Mahler, Leitungswechsel in der städtischen Galerie, Jubiläen von Schalmeienzug und Jugendrotkreuz. Hinzu komme das „gelungene Fest“, das viertägige Geschichtival, anlässlich der ersten urkundlichen Erwähnung der Stadt vor 750 Jahren.
Viel zu tun sei aber weiterhin, so Scherer. Hier erwähnte sie „Turm im Wurzacher Ried, die geplanten Windkraftanlagen oder das an-gebotene Biosphärengebiet“, das „Megathema Breitbandausbau“, die Flüchtlingsunterbringung, Energiekosten, Inf lation und wirtschaftliche Entwicklung.
Wie später auch Klaus Schütt appellierte sie mit Blick auf die im Juni anstehenden Kommunalwahlen an die Bad Wurzacher,
sich als Kandidatinnen und Kandidaten für die zu wählenden Gremien zur Verfügung zu stellen.
„Sowohl der Rückblick wie auch der Ausblick auf die im neuen Jahr anstehenden Themen zeigen uns, dass Bad Wurzach Zukunft hat“, fasste Scherer das Gesagte voller Zuversicht zusammen.
Wer kritische Worte in der Ansprache der Bürgermeisterin vermisst hatte, bekam sie in der Rede ihres Stellvertreters zu hören. Klaus Schütt richtete den Blick über die Grenzen der Stadt hinaus.„Kriege, aus Machtgier und Menschenhass entstanden, bestimmen unsere Welt. Dieser unsägliche Hass schwappt auch auf unser Land, unsere Heimat herüber, geschürt von extremistisch orientierten Vereinigungen. Viele Menschen in unserem Land fühlen
sich nicht mehr sicher.“Alle seien nun aufgerufen, „unsere Aufgabe als ,Verfassungsschützer’ wahrzunehmen“, mahnte Schütt. „Gerade unsere jüngste Geschichte lehrt uns, wie Hass enden kann.“
Die Kriege müssten beendet werden, durch Diplomatie der politisch Verantwortlichen, mit Vernunft, „aber leider auch mit Waffenlieferungen an ein angegriffenes freiheitliches demokratisches Land“.
„Die von uns Menschen verursachte Klimaveränderung wird zur Klimakatastrophe auf unserer Erde. Es ist unsere Pf licht, unseren Kindern und Enkel eine sichere Zukunft zu geben, die Klimakatastrophe noch abzuwenden“, so der Bürgermeisterstellvertreter weiter.
Er zeigte sich dabei überzeugt davon, dass „die Menschen in unserem Land auch dazu bereit sind, zur Energiewende ihren Beitrag dafür zu leisten. Doch durch überhastete, und nicht zu Ende gedachter Entscheidungen der Politik kann keine Akzeptanz erreicht werden. Die Menschen in unserem Land werden finanziell überfordert, auch wir Kommunen.“
Er kritisierte „überhastete, nicht zu Ende gedachte Förderprogramme“, plötzlich leere Fördertöpfe und überraschend wieder eingestampfte Programme. „Eine solide, zukunftsorientierte Politik sieht anders aus“, fand Schütt klare Worte. „Die Menschen in unserem Land verlieren immer mehr das Vertrauen in die Politik.“
Wohlstand, so mahnte er aber auch, sei nicht nur finanzielle Sicherheit. „Ist Wohlstand nicht auch: Ich fühle mich wohl in meinem Land, in meiner Heimat, ich fühle mich sicher, ich habe Vertrauen in die Politik und unsere soziale Marktwirtschaft“, stellte er als rhetorische Frage in den Raum. Er schob die deutliche Forderung hinterher: „Die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft in unserem Land müssen wieder lernen, den Menschen in unserem Land zuzuhören. Politik lebt von Kompromissen, nicht von ideologischen Wertvorstellungen.“
Sein Dank galt der Bürgermeisterin, dem hohen bürgerschaftlichen Engagement vieler in der Stadt und „allen Menschen, die sich, in welcher Weise auch immer, für das Gemeinwohl in unserer Stadt einsetzen“. Trotz allem könne man in Bad Wurzach „beruhigt und stolz auf das alte Jahr zurückschauen“. Und auch zuversichtlich in die Zukunft. Alle Stellen in der Stadtverwaltung seien wieder besetzt, was nötig sein, denn „die vielen aufgeführten kommunalen Aufgaben konnten nur mit einer hervorragenden Mannschaft bewältigt werden“.
Er schloss in seinen Dank ausdrücklich Kurgeschäftsführer Markus Beck und dessen Team ein. „Wir sind stolz, dass der Kurbetrieb sich wieder so gut aufgestellt hat.“
Stadtarchivar Michael Wild ging nochmals auf das 750-JahrJubiläum ein. Sein Fazit: Schwierige, ja chaotische Zeiten habe es immer wieder gegeben und stets seien sie bewältigt worden. „Wir alle stehen auf den Schultern unserer Vorfahren und sind derzeit das letzte Glied einer langen Kette.“
Bei Getränken und Häppchen sowie zahlreichen Gesprächen in kleinen Runden fand der offizielle Teil seine Fortsetzung.
„Das ist sehr ärgerlich.“Alexandra Scherer