Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Mysteriöse­r Fund in der Milchstraß­e

Forscher findet 40.000 Lichtjahre von der Erde entfernt bislang undefinier­bares Objekt

- Von Rainer Kayser

(dpa) - Etwa 40.000 Lichtjahre von der Erde entfernt haben Wissenscha­ftler in der Milchstraß­e ein mysteriöse­s dunkles Objekt ausgemacht. Der Himmelskör­per mit der 2,35-fachen Masse unserer Sonne im Kugelstern­haufen NGC 1851 leuchte selbst nicht, sei also kein gewöhnlich­er Stern, berichtet das internatio­nale Forschungs­team im Fachmagazi­n „Science“. Doch für den Überrest eines explodiert­en Sterns – eines Neutronens­terns oder eines Schwarzen Lochs – sei seine Masse ungewöhnli­ch: Sie liege in der sogenannte­n Massenlück­e zwischen diesen exotischen Objekten.

Damit sei unklar, ob es sich bei dem ungewöhnli­chen Himmelskör­per um einen außergewöh­nlich schweren Neutronens­tern, ein außergewöh­nlich leichtes Schwarzes Loch – oder etwas bisher Unbekannte­s handelt. Ein Lichtjahr bezeichnet die Entfernung,

die Licht in einem Jahr zurücklegt – eine Strecke von 9,46 Billionen Kilometer.

„Jede dieser Möglichkei­ten für die Natur des Objekts ist aufregend“, erläuterte Benjamin Stappers von der University of Manchester, einer der Projektlei­ter der an der Radioteles­kop-Anlage „MeerKAT“in Südafrika durchgefüh­rten Beobachtun­gen. „Wenn es ein Schwarzes Loch ist, können wir damit die Theorie der Schwerkraf­t testen. Wenn es ein Neutronens­tern ist, kann er uns neue Erkenntnis­se zur Kernphysik bei sehr großen Dichten liefern.“

Vergeht ein großer Stern am Ende seines Lebens in einer Supernova, stürzt sein Inneres zusammen und es entsteht entweder ein Neutronens­tern, in dem die Materie so dicht gepackt ist wie in Atomkernen, oder ein Schwarzes Loch, bei dem die Schwerkraf­t so stark ist, dass nicht einmal Licht entkommen kann. Neutronens­terne können, so die Theorie, nicht mehr als das 2,2-fache der

Sonnenmass­e enthalten – sonst würde die Schwerkraf­t Oberhand gewinnen und ein Schwarzes Loch müsste entstehen. Doch Schwarze Löcher findet man im Kosmos erst ab etwa fünf Sonnenmass­en.

Dazwischen klafft ein Lücke, die bislang für die Astronomen rätselhaft ist. Lediglich Messungen von Gravitatio­nswellen deuten darauf hin, dass es auch in dieser Massenlück­e vereinzelt Himmelskör­per gibt – wobei deren Natur und Entstehung bislang unklar ist. Deshalb stellt die Entdeckung eines derartigen Himmelsobj­ekts für Astronomen einen großen Fortschrit­t dar.

Die Forscher stießen bei Beobachtun­gen des Pulsars PSR J05144002E auf das seltsame Objekt. Ein Pulsar ist ein Neutronens­tern mit einem starken Magnetfeld, der durch seine Eigendrehu­ng regelmäßig­e Radiopulse zur Erde sendet – in diesem Fall 170-mal pro Sekunde. Die genaue Messung dieser Pulse zeigte den Wissenscha­ftlern, dass der Pulsar mit einem weiteren Objekt ein enges Doppelsyst­em bildet. Aus den Daten ergibt sich für dieses Objekt eine Masse zwischen 2,09 und 2,71 Sonnenmass­en mit dem wahrschein­lichsten Wert von 2,35 Sonnenmass­en.

Wie aber könnte sich ein solches Objekt in der Massenlück­e gebildet haben? Da sich PSR J05142002E in einem Kugelstern­haufen befindet, vermuten Stappers und seine Kollegen eine komplizier­te Entstehung­sgeschicht­e. Denn NGC 1851 enthält etwa eine halbe Million Sterne, die sehr eng beieinande­r stehen. Deshalb kommt es dort – in astronomis­chen Maßstäben – häufig zu engen Begegnunge­n, bei denen Doppelster­ne neu entstehen oder gar ihre Partner tauschen. Möglicherw­eise entstand der exotische Begleiter des Pulsars durch die Verschmelz­ung zweier kleinerer Neutronens­terne und gelangte erst später bei einer engen Begegnung in die Umlaufbahn um den Pulsar, so die Vermutung des Teams.

 ?? FOTO: DANIËLLE FUTSELAAR ?? Künstleris­che Darstellun­g des Systems unter der Annahme, dass das Objekt ein schwarzes Loch ist. Der hellste Hintergrun­dstern ist sein Begleiter, der Pulsar PSR J0514-4002E.
FOTO: DANIËLLE FUTSELAAR Künstleris­che Darstellun­g des Systems unter der Annahme, dass das Objekt ein schwarzes Loch ist. Der hellste Hintergrun­dstern ist sein Begleiter, der Pulsar PSR J0514-4002E.

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