Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Der „Forrest Gump“der Rockmusik

Der Musiker und Produzent Al Kooper wird 80 – Mit seiner Band „Blood, Sweat & Tears“war er ein Trendsette­r

- Von Holger Spierig

Auch wer seinen Namen nicht kennt, hat ihn wahrschein­lich schon gehört: Al Kooper steuerte die charakteri­stische Hammond-Orgel bei „Like a Rolling Stone“von Bob Dylan bei, er spielte Klavier bei dem Rolling-Stones-Song „You Can’t Always Get What You Want“und schuf mit seiner eigenen Band Blood, Sweat & Tears einen neuen Sound. Heute wird der Musiker, Songschrei­ber und Produzent 80 Jahre alt.

Weil er bei Schlüsselm­omenten der Rockgeschi­chte dabei war, wird Kooper auch als „Forrest Gump“der Rockmusik bezeichnet – in Anlehnung an den gleichnami­gen Film und Roman. Er spielte für Jimi Hendrix Piano, Hendrix schenkte ihm auch eine seiner Fender-E-Gitarren. Er jammte mit B.B. King und Chuck Berry, spielte bei The Who und den Rolling Stones. Er traf sich zum Tee mit Brian Wilson von den Beach Boys und produziert­e George Harrison und Ringo Starr.

Der Bluesmusik­er John Lee Hooker würdigte Kooper einmal als großartige­n Musiker, der den Blues liebe. Steve Winwood hob Koopers Orgelspiel und den Sound seiner frühen Aufnahmen

hervor, die Einzug in das Repertoire eines jeden Organisten gefunden hätten. Der frühere Präsident des Musiklabel­s Columbia Records, Clive Davis, erklärte, dass Koopers Werke, etwa mit der Band Blood, Sweat & Tears, in „das Pantheon der besten zeitgenöss­ischen Musik“eingezogen seien.

Der Durchbruch kam für Kooper, als Bob Dylan 1965 den Song „Like A Rolling Stone“in den Columbia Studios in New

York aufnahm. Der 21-jährige Kooper war vom Produzente­n als Zuschauer zu den Aufnahmen eingeladen worden. Als der Produzent gerade abgelenkt war, mogelte er sich an die Orgel. Der Song ist über fünf Minuten lang, es gibt keine Noten. Und Kooper, der eher Gitarrist war, verfügte damals nur über rudimentär­e Kenntnisse des Orgelspiel­s.

„Aber das Band läuft — und da ist Bob Dylan. Also sollte ich hier sitzen, und irgendetwa­s spielen“, erinnert er sich in seiner Autobiogra­fie. „Das Beste, was ich hinbekomme­n konnte, war zögernd auf Sicht zu spielen, und den Weg durch die Akkordwech­sel zu fühlen, wie ein kleines Kind, das im Dunkel den Lichtschal­ter zu finden sucht.“

Dylan gefällt der Orgel-Sound und verlangt später von den Technikern, beim Abmischen die Orgel lauter zu machen. Als der Song weltweit rauf und runter gespielt wurde, sei er mit Angeboten für Aufnahmese­ssions überhäuft worden, berichtete Kooper einmal in einem Interview. Die Leute hätten „diesen Dylan-Sound“gewollt und seien bereit gewesen, jeden Preis dafür zu zahlen.

Geboren wurde Kooper am 5. Februar 1944 in Brooklyn als Alan Peter Kuperschmi­dt. Schon als Kind spielte er Songs aus dem Radio auf Klavier und Gitarre nach. Mit 14 war er Gitarrist in einer Teenie-Rock’n’Roll-Band. Als Schüler schrieb er für Musikverla­ge am Broadway Songs und sprang auch als Begleitmus­iker ein.

Nach einem Engagement bei einer Bluesband, The Blues Project, gründete Kooper 1967 mit Blood, Sweat & Tears seine eigene Band. Dabei kombiniert­e er Bluesrock mit jazzigen Bläsersätz­en.

Nach Streitigke­iten verließ er die Band jedoch nach kurzer Zeit wieder. In Musikerkre­isen geschätzt wird auch die Aufnahme „Supersessi­on“(1968), die Kooper gemeinsam mit befreundet­en Musikern, dem BluesGitar­risten Mike Bloomfield und Stephen Stills (Crosby, Stills & Nash), einspielte.

Kooper war darüber hinaus als Produzent erfolgreic­h. Er entdeckte die Southern-Rock-Band Lynyrd Skynyrd und produziert­e deren erste drei Alben, unter anderem mit dem Hit „Sweet Home Alabama“. In seinen späteren Jahren wurde es ruhiger um Kooper. Aus dem aktiven Musikmache­n hat er sich inzwischen weitgehend zurückgezo­gen. Mit seinen Innenansic­hten aus 60 Jahren Rockgeschi­chte ist Kooper aber noch immer ein gefragter Interviewg­ast. Er betreibt auch den Podcast „Kooperkast“.

Anfang der 2000er-Jahre überstand er die Operation eines Hirntumors. „Ich habe keine Angst vor dem Tod“, schrieb Kooper nach der Diagnose in seiner aktualisie­rten Autobiogra­fie „Memoiren eines Rock’n’Roll-Überlebend­en“: Er habe ein wundervoll­es Leben gehabt, er vermisse nichts. „Ich habe das Leben gelebt, das ich leben wollte. Alles Übrige ist ein Bonus.“(epd)

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FOTO: IMAGO Schuf mit seiner eigenen Band Blood, Sweat & Tears einen neuen Sound: Al Kooper. Heute wird er 80 Jahre alt.

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