Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Lohnt sich der Hauskauf jetzt wieder?
Immobilienexperte schätzt die Entwicklung von Kaufpreisen und Zinsen im Allgäu ein
- In Onlineportalen für Immobilien finden sich viele Angebote für das Allgäu. Ein Beispiel? Kempten: Reihenmittelhaus, fünf Zimmer, 110 Quadratmeter, Baujahr 1959, Preis: 470.000 Euro. Doch es gibt auch modernere Häuser. Für diese Objekte muss man meist tiefer in die Tasche greifen – der Preis liegt dann auch mal bei über 700.000 Euro. Peer Hessemer ist Leiter der Geschäftsstelle der „Von Poll Immobilien“in Kempten. Für die vergangenen drei Jahre könne man von „angeheizten Preisen“sprechen, sagt er. Hessemer betont aber auch: „Es gibt keine Krise am Immobilienmarkt und keine Blase.“Die Zinsen waren über einen längeren Zeitraum niedrig, Kredite also günstig zu bekommen. Das Angebot an Immobilien war gering, die Nachfrage aber riesig, blickt Hessemer zurück. Vergangenes Jahr seien dann auch im Allgäu die Preise gesunken. Um wie viel? Eine Aussage dazu zu treffen, ist laut Hessemer schwierig. Er geht davon aus, dass die Preise um etwa zehn Prozent gefallen sind.
Bei Kunden stellte Hessemer eine Unsicherheit fest. Daran habe auch die Politik ihren Anteil: Förderungen wurden gestrichen, Entscheidungen wie das Heizungsgesetz schlecht kommuniziert. „Die Käufer haben sich gefragt, was kann ich mir überhaupt noch leisten“, sagt Hessemer. Aktuell sei es so, dass jemand die Immobilie nicht loswerde, wenn er unbedingt zu einem hohen Preis verkaufen möchte. Gerade bei älteren Häusern rechnen potenzielle Käufer Ausgaben für neue Fenster oder eine moderne Heizungsanlage ein. Dadurch entstehe ein Verhandlungsspielraum, sagt Hessemer.
Er stellt außerdem fest, dass Interessenten kompromissbereiter seien und im Zweifelsfall von ihren Wunschvorstellungen abrückten. Wer zum Beispiel zuerst ein Objekt mit sieben Zimmern im Blick hatte, entscheide sich dann auch mal für ein Haus mit fünf. Der Immobilienmakler rät
Kaufwilligen, bei einem passenden Angebot zuzuschlagen: „Die Zinsen gehen voraussichtlich nicht zurück, das Angebot steigt nicht.“
Sinkende Preise bei gebrauchten Häusern beobachtet man auch bei der Bau- und Siedlungsgenossenschaft Allgäu (BSG) in Kempten. Für viele, besonders für junge Familien, sei jedoch der Neubau eines Reihen- oder Doppelhauses schwieriger geworden, sagt BSGVorsitzende Tanja Thalmeier. Gestiegene Zinsen und Baupreise sorgten für eine Belastung, die ohne ausreichendes Eigenkapital für viele zu hoch sei. Für Investoren und Wohnungsbaugesellschaften ist es bei den hohen Baupreisen schwierig, noch bezahlbare Mieten anzubieten.
„Wir nutzen öffentliche Fördermöglichkeiten, wünschen uns dabei verlässliche politische Entscheidungen als Planungsgrundlagen, den Abbau von bürokratischen Hindernissen und teilweise überbordenden Bauvorschriften“, sagt Thalmeier. Sie rechnet vor: Betrachte man die Bauvorschriften,
die Finanzierungsmöglichkeiten und die Baukosten (ohne Förderung), ergebe sich am Ende eine Miete von etwa 20 Euro kalt pro Quadratmeter. Um einen Neubau wirtschaftlich darzustellen, sei „diese Miethöhe derzeit rein rechnerisch notwendig“.
Und wie sieht es auf dem Mietmarkt aus? Insgesamt verfüge die BSG über 7000 Wohneinheiten, berichtet Thalmeier. Davon sind 2200 genossenschaftliche Mietwohnungen. Die Durchschnittsmiete liegt bei monatlich 5,80 Euro pro Quadratmeter. Die Nachfrage in diesem Bereich steige immer stärker. „Aktuell sind etwa 1800 Wohnungsinteressenten bei unserer Genossenschaft vorgemerkt, so viele wie noch nie“, sagt sie. Warum ist das so? Aktuell werden weniger Mietwohnungen neu gebaut. Außerdem gilt: Wer eine Wohnung hat, behalte diese auch. Bei genossenschaftlichen Wohnungen habe die Fluktuation vergangenes Jahr bei unter fünf Prozent gelegen.
Die Auftragsbücher im Baugewerbe und im Handwerk seien nicht mehr so prall gefüllt wie noch vor zwei oder drei Jahren, berichtet Robert Klauer. Er ist Obermeister der Bauinnung Kaufbeuren. Der Neubau von klassischen Einfamilienhäusern tendiere in der Region „nahezu gegen Null“. Im sozialen Wohnungsbau werden Objekte umgesetzt, die bereits angestoßen wurden, private Bauträger warten dagegen ab, sagt Klauer. Kommunen konzentrierten sich auf das Notwendigste, zum Beispiel auf den Bau von Kitas. Klauer will aber nicht pessimistisch auf 2024 blicken: „Wir müssen die Lage vorsichtig, aber positiv betrachten.“Seine Hoffnung: Der Bau rutscht nicht in ein so tiefes Tal, dass man Fachkräfte entlassen muss. Denn dieses Personal brauche man dringend, wenn die Zeiten wieder besser werden.