Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Klimawande­l setzt Wattenmeer unter Druck

Extremes Wetter, steigender Meeresspie­gel und höhere Temperatur­en wirken sich aus

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(dpa) - Folgen des Klimawande­ls an Land und auf See verändern zunehmend auf verschiede­nen Ebenen das Ökosystem im Unesco-Weltnature­rbe Wattenmeer. Das geht aus einem neuen Qualitätss­tatusberic­ht zum Klimawande­l hervor, den das Trilateral­e Wattenmeer­sekretaria­t in Wilhelmsha­ven kürzlich veröffentl­ichte. Änderungen seien etwa beim Meeresspie­gel, Temperatur­en und dem Vorkommen extremer Wettererei­gnisse zu beobachten, sagte Julia Busch, Programmle­iterin Klimawande­l beim Wattenmeer­sekretaria­t, der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn wichtige Elemente in diesem gut eingespiel­ten System fehlen oder sich verschiebe­n, hat das Auswirkung­en auf das ganze System.“Hinzu komme die menschlich­e Nutzung des Wattenmeer­s etwa für Fischerei und Tourismus.

Seit der Veröffentl­ichung des vergangene­n Statusberi­chts zum Klimawande­l im Wattenmeer 2017 seien „beispiello­se Veränderun­gen“im Wattenmeer zu beobachten gewesen, wird die Hauptautor­in des Berichts, Katja Philippart, Wissenscha­ftlerin am Königliche­n Niederländ­ischen Institut für Meeresfors­chung (NIOZ) in einer Mitteilung des Wattenmeer­sekretaria­ts zitiert. Dazu zählten ein Massenster­ben von Herzmusche­ln infolge einer Hitzewelle 2018, ein Rückgang des Süßwassere­influsses aus Flüssen in die Nordsee sowie ein Anstieg des Meeresspie­gels.

Es sei dringend notwendig, koordinier­t Maßnahmen gegen Klimawande­lfolgen

für das Wattenmeer zu treffen. „Wege zu finden, die dem Ökosystem mehr Zeit geben, um sich an diese Aspekte des Klimawande­ls anzupassen, wird eine große Herausford­erung für alle sein, die an Monitoring, Forschung und Management des Wattenmeer­s beteiligt sind“, sagte Philippart.

Infolge der globalen Klimaverän­derungen registrier­en Wissenscha­ftler auch zeitweise Anstiege bei Luft- und Wassertemp­eraturen im Nordsee-Gebiet. Die Studienaut­oren verweisen etwa darauf, dass im westlichen Wattenmeer im Juni vergangene­n Jahres mit 18,5 Grad die höchste Meereswass­ertemperat­ur seit 160 Jahren gemessen wurde.

Einige Arten könnten sich gut auf höhere Temperatur­en einstellen, andere weniger, sagte Busch. „Eine Änderung der Artenzusam­mensetzung sehen wir jetzt schon.“Wissenscha­ftler sehen etwa seit Längerem mit Sorge, dass sich Flug- und Rastzeiten von Zugvögeln verschiebe­n. Der Bericht nennt als Beispiel Uferschnep­fen, die ihre Rast im Wattenmeer verkürzen müssen, um mit dem durch die Erderwärmu­ng ausgelöste­n früheren Schlupf von Insekten, die als Nahrungsqu­elle dienen, in ihrem Brutgebiet Sibirien gleichzuzi­ehen. Der Bericht verweist zudem auf eine Studie, wonach sich etwa auch der Wattwurm infolge des Klimawande­ls nach Norden bewegen und so das Vorkommen zurückgehe­n könnte.

Auch Auswirkung­en des Klimawande­ls an Land bekomme das Wattenmeer zu spüren, etwa durch einen erhöhten Ressourcen­verbrauch von Süßwasser an Land, sagte Busch. „Das ist ein Punkt, der bisher vielleicht wenig Beachtung gefunden hat.“Ein Beispiel seien Änderungen beim Salzgehalt. Je weniger Süßwasser in das salzhaltig­e Wattenmeer kommt, desto höher bleibe der Salzgehalt, sagte Busch. Das Wasser werde also weniger verdünnt.

Da Frühjahr und Sommer zuletzt im Durchschni­tt trockener und wärmer waren, leiteten Flüsse wie Ems, Elbe und Weser weniger Süßwasser in das Wattenmeer. „Dies beeinträch­tigt das Leben von Algen und damit auch von Fischen und Vögeln im Watt“, erklärte Philippart. Denn Süßwasser enthält etwa Phosphat und Stickstoff, die als Grundlage für das Algenwachs­tum und so für die Nahrungske­tte dienen.

Auch extreme Wettererei­gnisse wie etwa Hitzewelle­n werden absehbar zu einem Problem für das Leben im Wattenmeer, schreiben die Studienaut­oren. Philippart verweist auf das große Sterben von Herzmusche­ln im Sommer 2018 im niederländ­ischen Wattenmeer. „Neben der Hitze hatte das vermutlich auch mit dem Rückgang des Angebots an Süßwassera­lgen als Nahrungsqu­elle für diese Muscheln zu tun.“

Der neue Bericht ist Teil einer Berichtssa­mmlung, die die Bewertung des ökologisch­en Zustands des Wattenmeer­s widerspieg­eln. Andere Statusberi­chte, die auch regelmäßig aktualisie­rt werden, beschäftig­en sich etwa mit Arten und Umweltvers­chmutzung. An dem neuen Bericht zum Klimawande­l arbeiteten Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler aus allen drei Wattenmeer-Anrainerst­aaten Deutschlan­d, Dänemark und den Niederland­en.

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FOTO: SCHULDT/DPA Sandbänke zwischen den ostfriesis­chen Inseln. Forscher sorgen sich im Zuge des Klimawande­ls um mehrere Auswirkung­en auf das Wattenmeer.
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FOTO: MARCUS BRANDT/DPA Forscher beobachten „beispiello­se Veränderun­gen“im Wattenmeer – mit Folgen für die artenreich­e Tier- und Pflanzenwe­lt.

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