Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Auch ohne Gerichte sind Verbraucher nicht hilflos
Schlichtungsstellen und Onlinekanzleien helfen beim Durchsetzen von Rechten – Selbst bei Kleinbeträgen
- Verspätungen sind Bahnreisende inzwischen gewohnt. Immerhin ein Ärgernis hat die Deutsche Bahn dabei weitgehend beseitigt. Schon direkt nach der Ankunft können Reisende Entschädigungansprüche mithilfe der Bahn-App einfach geltend machen. Etwaige Teilerstattungen des bezahlten Fahrpreises überweist das Unternehmen auch prompt – meist.
Doch immer wieder fühlen sich Verbraucher machtlos gegenüber Unternehmen, die keine gute Leistung erbringen. Es gibt jedoch mehrere Wege, die Verbraucherrechte durchzusetzen. Der erste Schritt ist der Kontakt zum Unternehmen selbst. Gute Unternehmen setzen auf Kulanzregelungen. Weist eine Firma die Beschwerde zurück oder geht gar nicht darauf ein, kommt eine Schlichtung in Betracht. Die Schlichter, auch als Ombudsleute bekannt, prüfen den Fall und entscheiden in der Regel auch, ob ein Anspruch berechtigt ist.
Seit 2016 wurden in immer mehr Branchen entsprechende Einrichtungen gegründet. Grundlage war das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz. Die Bundesregierung wollte damit die Justiz von Klagen entlasten und Verbrauchern ortsnahe Hilfe im Konf liktfall anbieten. Später wurde noch eine Schlichtungsstelle des Bundes für Branchen ohne Schlichtungsstelle eingerichtet. Ob für Banken, Versicherungen, Energie, Nahverkehr, Architekten oder Rechtsanwälte – die aktuelle Liste der Ombudsleute umfasst einen großen Teil der Wirtschaft. Wer ein Problem hat, kann die Aufzählung auf der Website www.bundesjustizamt .de abrufen und eine passende Einrichtung heraussuchen. Ein Schlichtungsverfahren ist für die Verbraucher kostenlos.
Das Verfahren endet mit einem Schlichterspruch, der von den Unternehmen
nicht in allen Branchen angenommen werden muss. Die Erfolgsaussichten sind mitunter gut. Bei der SÖP, der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, enden zum Beispiel 80 Prozent der Eingaben mit einer einvernehmlichen Lösung. Wird die Forderung zurückgewiesen, bleibt den Verbrauchern immer noch der Klageweg vor Gericht als Option. Eine Klage ist allerdings mit erheblichen Kosten verbunden, von der Beratung durch einen Rechtsanwalt bis hin zu den eigentlichen Verfahrenskosten
bei einem verlorenen Prozess. Die Höhe der Kosten hängt vom Streitwert ab. Ist eine Rechtsschutzversicherung vorhanden, kann das Verfahren für den Kläger auch kostenlos bleiben.
Seit einiger Zeit entwickelt sich ein neues Angebot für Verbraucher, ihre Rechte durchzusetzen. Im Internet bieten immer mehr Anwaltskanzleien ihre Dienste dafür an. Die sogenannten „LegalTechs“spezialisieren sich auf bestimmte Standardfälle. Ein Beispiel dafür ist das Portal Flightright.de, das sich auf Entschädigungsfälle
im Luftverkehr konzentriert. Das Verfahren ist einfach. Ein Passagier gibt seine Flugnummer an. Dann prüft ein Computerprogramm, ob ein Entschädigungsanspruch besteht. Ist dies der Fall, beauftragt der Kunde oder die Kundin die Kanzlei mit der Vertretung. Entweder einigt sich die Kanzlei mit dem Unternehmen oder die Kanzlei klagt die Forderung ein. Kosten entstehen den Mandanten dabei nicht. Allerdings lassen sich die Legal-Techs ihre Arbeit im Erfolgsfall durch einen Anteil am erstrittenen Betrag vergüten. Zwischen 20 und 30 Prozent behält zum Beispiel Flightright nach eigenen Angaben ein und gibt die Erfolgsquote mit 99 Prozent an.
Das Angebot der Onlinehelfer reicht über übliche Entschädigungen hinaus. So haben sie sich etwa auch auf Verletzungen beim Datenschutz durch Unternehmen spezialisiert. Es gab bei mehreren großen Unternehmen Datenlecks, bei denen Informationen über ihre Kunden in die Hände Krimineller fielen. Bekannt wurde zum Beispiel, dass bei der Hotelkette Motel One im vergangenen Jahr Kundendaten geklaut wurden. Auch bei Facebook kamen Daten von rund 500 Millionen Nutzern abhanden. Dafür wurde der Mutterkonzern Meta von irischen Behörden zu einem Bußgeld in dreistelliger Millionenhöhe verdonnert.
Beim Legal-Tech helpcheck.de können Nutzer des sozialen Mediums prüfen lassen, ob ihre Mailadresse vom Datenklau betroffen ist. Ist dies der Fall, kann ein Schadenersatzanspruch vorliegen, wenn das Postfach mit Spam-Mails geflutet wird oder unablässig verbotene Werbeanrufe eingehen. Bis zu 3000 Euro haben Gerichte den Geschädigten schon zugesprochen. „Gerade kleinere Beträge werden oft nicht durchgesetzt“, sagt Helpcheck-Jurist Clemens Pfeifer. Das übernimmt seine Kanzlei und lässt sich dies im Erfolgsfall mit einem Viertel der erstrittenen Summe vergüten.
Die Stiftung Warentest sieht die noch jungen Angebote eher skeptisch. „Die Angebote sind oft ganz schön teuer“, sagt Verbraucherschützer Christoph Herrmann. Außerdem würden LegalTechs ungern vor Gericht ziehen. Die Verbraucher müssten sich dann mit dem abfinden, was die Unternehmen freiwillig zahlen. Aber es gibt auch Inkassoangebote, die funktionieren, zum Beispiel bei der Durchsetzung von Fluggastrechten.