Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
VBAO: Agathe Peter übergibt an Simon Weiß
Die beiden Immobilienexperten über die Entwicklung bei Zinsen, Mieten und Neubaupreisen
- Es ist ein bedeutender Wechsel, der Anfang April in der Führung der Volksbank AllgäuOberschwaben (VBAO) vollzogen wurde. Agathe Peter, die die Genossenschaftsbank mit Sitz in Leutkirch über Jahrzehnte mitgeprägt hat, verabschiedete sich in den Ruhestand. Ihre Aufgaben – Direktor Baufinanzierung und Immobilienvermittlung sowie Geschäftsführer der ImmobilienGesellschaft – übernimmt ihr Nachfolger Simon Weiß. Im gemeinsamen Gespräch mit der Redaktion blicken beide darauf, wie sich der Baufinanzierungsund Immobilienbereich in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Es geht unter anderem darum, warum heutzutage trotz des Traums eines eigenen Häuschens als Zwischenstation vielleicht auch erst mal eine Eigentumswohnung gekauft wird. Und auch darum, wie sich die Lage bei den Zinsen, Mieten und Neubaupreisen entwickeln dürfte.
Die letzten beiden Jahre
„Das hätte ich nicht mehr gebraucht“sagt Peter mit Blick auf diese letzte Zeit vor ihrem Ruhestand. Ein „rapider“Zinsanstieg, gestiegene Baupreise, Turbulenzen bei den Fördermitteln und durch die Bundesregierung verursachte Unsicherheiten, Stichwort Heizung, hätten bei den Kunden für Frust und teils eine regelrechte Schockstarre gesorgt; sowohl im Immobilienbereich als auch bei der Baufinanzierung, erklärt sie. Diese Phase habe selbst den Börsencrash 2008 in den Schatten gestellt, so Peter. Inzwischen habe sich die Situation glücklicherweise wieder etwas beruhigt.
Veränderte Einstellung der Kunden
War früher das große Haus mit großem Garten das Ziel, rücken immer mehr kleinere Häuser und Eigentumswohnungen in den Fokus, erklärt Peter. Grund dafür sei zum einen die finanzielle Seite, also die hohen Zinsen, gestiegene Baukosten und teure Bauplätze. Zum anderen habe es aber auch ein Umdenken bei der sogenannten Work-Life-Balance gegeben. „Viele wollen auch nicht mehr jedes Wochenende im Garten verbringen“, sagt Peter.
Veränderte Einkommenssituation
Die Zeiten, in denen ein Hauptverdiener für die Finanzierung aufkam, seien vorbei. Inzwischen seien so gut wie immer zwei Einkommen nötig. Generell ist immer ein Gespräch darüber wichtig, was man sich leisten kann, betont Peter. „Es kann auch sein, jemand möchte bauen, aber wir müssen sagen, es geht nicht“, erklärt sie. Dann gehe es darum, LöMoment
sungen zu suchen, den Kunden Alternativen aufzuzeigen. Wie etwa die, erst mal eine Eigentumswohnung zu finanzieren und sich daraus weiterzuentwickeln.
Entscheidend sei hier immer auch der Fokus auf mögliche Förderungen. Angesichts der schnelllebigen Zeiten sei es zudem wichtig, für verschiedene Entwicklungen gewappnet zu sein. Etwa über Finanzprodukte, bei denen man auch mal Tilgung und Zins aussetzen kann. Generell, so Peter mit Blick auf die fast 48 Jahre, sei es immer ein schöner
gewesen, wenn man Kunden den Wohntraum erfüllen konnte, sagt sie. Immer wieder habe sie zu diesen gesagt: „Glauben sie mir, wir schaffen das!“Und sich dann gefreut, wenn etwa nach 25 Jahren ein Dankeschön kam, weil aus roten Zahlen schwarze wurden.
Die aktuelle Zinssituation
Die Zinsen seien zuletzt zwar gesunken, so Weiß, aber ohne großen Sprung. Aktuell liegt der Leitzins der EZB bei 4,5 Prozent. Weiß rechnet bis Ende des Jahres nochmals
mit einer leichten Senkung, ebenso 2025. „Aber: Die Null-Prozent-Phase kommt nicht mehr“, betont er. Das Problem beim Blick in die Glaskugel bleiben zudem die unwägbaren Krisen in dieser Welt. Eine Folge dieser Zinsentwicklung sei, dass die Eigenkapitalquote steigt. Entweder, so Weiß, weil die Leute sich etwas ansparen oder zum Beispiel auch, weil die Eltern etwas dazugeben.
Der Markt bei Bestandsimmobilien
Vor allem bei gebrauchten Immobilien,
die schlecht saniert sind, habe es eine Angleichung beim Verhältnis von Kauf und Verkaufspreis gegeben, sagt Weiß. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer „großen Marktbereinigung“. Weiß erklärt, dass die Preise für solche Immobilien seit der zweiten Jahreshälfte 2022 um 15 bis 20 Prozent gesunken sind.
Der Markt beim Neubau
Auch wenn die Kreditanfragen zuletzt wieder etwas angezogen hätten, sei der Neubau im Prinzip „immer noch tot“, sagt Weiß. Es sei schwerer geworden, Käufer für Baugrundstücke zu finden. Wo es früher eher darum ging, Grundstücke zu verteilen, muss man jetzt nach Käufern suchen, so Weiß. Eine Folge dieser Entwicklung sei die Zunahme von Reihen- und Doppelhäusern.
Gleichzeitig seien Neubauten aber weiter „wertstabil“, erklärt Weiß. Denn Bauen wird wohl teuer bleiben. Der Grund: Die Lohnkosten werde nicht mehr sinken und auch die Rohstoffpreise dürften stabil hoch bleiben, wagt Weiß eine Prognose.
Die Situation bei den Mieten
„Da (bei den gestiegenen Mietpreisen, Anm. d. Red.) wird sich nichts mehr einpendeln“, sagt Peter klar. Der Bedarf werde schließlich weiter steigen. Gleichzeitig, so Weiß, wird weniger neu gebaut. Mit Blick auf den fehlenden sozialen Mietwohnraum spricht er deutlich von einer „Vollkatastrophe seitens der Bundesregierung“. Die Fördertöpfe für entsprechende Neubauten in diesem Bereich seien leer.
Zu Simon Weiß
Weiß ist 2012 zur damaligen Leutkircher Bank gekommen, hat dort ein duales Studium gemacht. Später folgte der Diplom-Bankbetriebswirt. Zuletzt hat der junge Leutkircher in einer Übergangsphase neun Monate zusammen mit Peter gearbeitet, bevor zum 1. April der offizielle Übergang erfolgte. Sowohl der 31-Jährige als auch Peter betonen an dieser Stelle, wie dankbar sie ihrer Familie und ihrem Umfeld für die Unterstützung sind.
Die Fusion mit Laupheim
Die anstehende Fusion mit der Volksbank-Raiffeisenbank Laupheim-Illertal, die bei Zustimmung der jeweiligen Vertreterversammlungen rückwirkend zum 1. Januar 2024 gelten soll, sieht Weiß als große Chance. Zwei „starke Banken“könnten so ihre „Kräfte bündeln“, um unter anderem den steigenden regulatorischen Anforderungen begegnen zu können. Peter berichtet, dass sie in ihrer Laufbahn insgesamt sieben Fusionen mitgemacht hat. Dieses stetige Wachstum der Bank habe unter anderem die Arbeitsplatzsicherheit der Bankmitarbeiter erhöht.