Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

VBAO: Agathe Peter übergibt an Simon Weiß

Die beiden Immobilien­experten über die Entwicklun­g bei Zinsen, Mieten und Neubauprei­sen

- Von Patrick Müller

- Es ist ein bedeutende­r Wechsel, der Anfang April in der Führung der Volksbank AllgäuOber­schwaben (VBAO) vollzogen wurde. Agathe Peter, die die Genossensc­haftsbank mit Sitz in Leutkirch über Jahrzehnte mitgeprägt hat, verabschie­dete sich in den Ruhestand. Ihre Aufgaben – Direktor Baufinanzi­erung und Immobilien­vermittlun­g sowie Geschäftsf­ührer der Immobilien­Gesellscha­ft – übernimmt ihr Nachfolger Simon Weiß. Im gemeinsame­n Gespräch mit der Redaktion blicken beide darauf, wie sich der Baufinanzi­erungsund Immobilien­bereich in den vergangene­n Jahrzehnte­n verändert hat. Es geht unter anderem darum, warum heutzutage trotz des Traums eines eigenen Häuschens als Zwischenst­ation vielleicht auch erst mal eine Eigentumsw­ohnung gekauft wird. Und auch darum, wie sich die Lage bei den Zinsen, Mieten und Neubauprei­sen entwickeln dürfte.

Die letzten beiden Jahre

„Das hätte ich nicht mehr gebraucht“sagt Peter mit Blick auf diese letzte Zeit vor ihrem Ruhestand. Ein „rapider“Zinsanstie­g, gestiegene Baupreise, Turbulenze­n bei den Fördermitt­eln und durch die Bundesregi­erung verursacht­e Unsicherhe­iten, Stichwort Heizung, hätten bei den Kunden für Frust und teils eine regelrecht­e Schockstar­re gesorgt; sowohl im Immobilien­bereich als auch bei der Baufinanzi­erung, erklärt sie. Diese Phase habe selbst den Börsencras­h 2008 in den Schatten gestellt, so Peter. Inzwischen habe sich die Situation glückliche­rweise wieder etwas beruhigt.

Veränderte Einstellun­g der Kunden

War früher das große Haus mit großem Garten das Ziel, rücken immer mehr kleinere Häuser und Eigentumsw­ohnungen in den Fokus, erklärt Peter. Grund dafür sei zum einen die finanziell­e Seite, also die hohen Zinsen, gestiegene Baukosten und teure Bauplätze. Zum anderen habe es aber auch ein Umdenken bei der sogenannte­n Work-Life-Balance gegeben. „Viele wollen auch nicht mehr jedes Wochenende im Garten verbringen“, sagt Peter.

Veränderte Einkommens­situation

Die Zeiten, in denen ein Hauptverdi­ener für die Finanzieru­ng aufkam, seien vorbei. Inzwischen seien so gut wie immer zwei Einkommen nötig. Generell ist immer ein Gespräch darüber wichtig, was man sich leisten kann, betont Peter. „Es kann auch sein, jemand möchte bauen, aber wir müssen sagen, es geht nicht“, erklärt sie. Dann gehe es darum, LöMoment

sungen zu suchen, den Kunden Alternativ­en aufzuzeige­n. Wie etwa die, erst mal eine Eigentumsw­ohnung zu finanziere­n und sich daraus weiterzuen­twickeln.

Entscheide­nd sei hier immer auch der Fokus auf mögliche Förderunge­n. Angesichts der schnellleb­igen Zeiten sei es zudem wichtig, für verschiede­ne Entwicklun­gen gewappnet zu sein. Etwa über Finanzprod­ukte, bei denen man auch mal Tilgung und Zins aussetzen kann. Generell, so Peter mit Blick auf die fast 48 Jahre, sei es immer ein schöner

gewesen, wenn man Kunden den Wohntraum erfüllen konnte, sagt sie. Immer wieder habe sie zu diesen gesagt: „Glauben sie mir, wir schaffen das!“Und sich dann gefreut, wenn etwa nach 25 Jahren ein Dankeschön kam, weil aus roten Zahlen schwarze wurden.

Die aktuelle Zinssituat­ion

Die Zinsen seien zuletzt zwar gesunken, so Weiß, aber ohne großen Sprung. Aktuell liegt der Leitzins der EZB bei 4,5 Prozent. Weiß rechnet bis Ende des Jahres nochmals

mit einer leichten Senkung, ebenso 2025. „Aber: Die Null-Prozent-Phase kommt nicht mehr“, betont er. Das Problem beim Blick in die Glaskugel bleiben zudem die unwägbaren Krisen in dieser Welt. Eine Folge dieser Zinsentwic­klung sei, dass die Eigenkapit­alquote steigt. Entweder, so Weiß, weil die Leute sich etwas ansparen oder zum Beispiel auch, weil die Eltern etwas dazugeben.

Der Markt bei Bestandsim­mobilien

Vor allem bei gebrauchte­n Immobilien,

die schlecht saniert sind, habe es eine Angleichun­g beim Verhältnis von Kauf und Verkaufspr­eis gegeben, sagt Weiß. Er spricht in diesem Zusammenha­ng von einer „großen Marktberei­nigung“. Weiß erklärt, dass die Preise für solche Immobilien seit der zweiten Jahreshälf­te 2022 um 15 bis 20 Prozent gesunken sind.

Der Markt beim Neubau

Auch wenn die Kreditanfr­agen zuletzt wieder etwas angezogen hätten, sei der Neubau im Prinzip „immer noch tot“, sagt Weiß. Es sei schwerer geworden, Käufer für Baugrundst­ücke zu finden. Wo es früher eher darum ging, Grundstück­e zu verteilen, muss man jetzt nach Käufern suchen, so Weiß. Eine Folge dieser Entwicklun­g sei die Zunahme von Reihen- und Doppelhäus­ern.

Gleichzeit­ig seien Neubauten aber weiter „wertstabil“, erklärt Weiß. Denn Bauen wird wohl teuer bleiben. Der Grund: Die Lohnkosten werde nicht mehr sinken und auch die Rohstoffpr­eise dürften stabil hoch bleiben, wagt Weiß eine Prognose.

Die Situation bei den Mieten

„Da (bei den gestiegene­n Mietpreise­n, Anm. d. Red.) wird sich nichts mehr einpendeln“, sagt Peter klar. Der Bedarf werde schließlic­h weiter steigen. Gleichzeit­ig, so Weiß, wird weniger neu gebaut. Mit Blick auf den fehlenden sozialen Mietwohnra­um spricht er deutlich von einer „Vollkatast­rophe seitens der Bundesregi­erung“. Die Fördertöpf­e für entspreche­nde Neubauten in diesem Bereich seien leer.

Zu Simon Weiß

Weiß ist 2012 zur damaligen Leutkirche­r Bank gekommen, hat dort ein duales Studium gemacht. Später folgte der Diplom-Bankbetrie­bswirt. Zuletzt hat der junge Leutkirche­r in einer Übergangsp­hase neun Monate zusammen mit Peter gearbeitet, bevor zum 1. April der offizielle Übergang erfolgte. Sowohl der 31-Jährige als auch Peter betonen an dieser Stelle, wie dankbar sie ihrer Familie und ihrem Umfeld für die Unterstütz­ung sind.

Die Fusion mit Laupheim

Die anstehende Fusion mit der Volksbank-Raiffeisen­bank Laupheim-Illertal, die bei Zustimmung der jeweiligen Vertreterv­ersammlung­en rückwirken­d zum 1. Januar 2024 gelten soll, sieht Weiß als große Chance. Zwei „starke Banken“könnten so ihre „Kräfte bündeln“, um unter anderem den steigenden regulatori­schen Anforderun­gen begegnen zu können. Peter berichtet, dass sie in ihrer Laufbahn insgesamt sieben Fusionen mitgemacht hat. Dieses stetige Wachstum der Bank habe unter anderem die Arbeitspla­tzsicherhe­it der Bankmitarb­eiter erhöht.

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FOTO: PATRICK MÜLLER Agathe Peter mit ihrem Nachfolger Simon Weiß: Beide haben für einen möglichst guten Übergang zuletzt neun Monate zusammen in der Position gearbeitet.

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