Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Gipfelnamen und ihre Geheimnisse
Bergbezeichnungen wie Grünten, Höfats, Säuling klingen vertraut – Doch was bedeuten sie?
- Was bedeuten die Namen von Berggipfeln im Allgäu? Wohl kaum einer weiß dies besser als Wolf-Armin von Reitzenstein. Der 84-Jährige gilt als „Mister Namensforscher“, wie ihn die Süddeutsche Zeitung einmal nannte.
Der Wissenschaftler und Buchautor („Lexikon schwäbischer Ortsnamen“) hat sich tief in die Materie eingearbeitet. Dabei griff er auf Fachliteratur und historische Landkarten zurück. Eine wichtige Rolle spielen zum Beispiel die Werke des Oberstdorfer Flurnamensforschers Thaddäus Steiner und die der Tiroler Kartografen Anich/Hueber aus dem 18. Jahrhundert. Hier erläutert Reitzenstein die Namen von neun bekannten Gipfeln in den Allgäuer beziehungsweise in den Ammergauer Alpen.
Grünten
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Der „Wächter des Allgäus“, wie der 1738 Meter hoch gelegene Berg auch genannt wird, wird schon 1350 in einem Augsburger Almbuch erwähnt. „Vber den Grinten“heißt es darin.
Da fällt vermutlich manch einem ein ähnlich klingendes Allgäuer Wort ein: der „Grind“, etwas verächtlich für „Kopf“gebräuchlich. Doch diese Herleitung verwirft Reitzenstein. Vielmehr geht der Grünten auf den schweizerdeutschen Begriff „Grinte“zurück - und der bedeutet „Bergrücken“.
Hochfrottspitze
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Mit 2649 Metern ist sie der höchste deutsche Gipfel in den Allgäuer Alpen. Das „Hoch“ist also leicht erklärt. Doch was bedeutet „frott“?
„Es leitet sich aus dem schweizerdeutschen Begriff ’Frutt’ ab“,
sagt Reitzenstein. „Das bedeutet Felsspalte, Bacheinschnitt.“Als „Hochen Fröttspiz“fand der Gipfel 1667 erstmals schriftlich Erwähnung.
Damals übrigens noch als der Hochen Fröttspiz. „Früher hieß es auch der Zugspiz“, sagt Reitzenstein. Aus „der Spiz“wurde erst im 20. Jahrhundert an etlichen Bergnamen „die Spitze“. „Möglicherweise hatte das mit dem Tourismus zu tun. Es kamen mehr hochdeutsch sprechende Besucherinnen und Besucher in die Berge.“
Höfats
Der markante Grasberg nahe Oberstdorf trägt einen „etwas seltsamen Namen“, sagt Reitzenstein schmunzelnd. Seine Theorie: „Höfats“bedeutet so viel wie hoch gelegene Weide. „Atz“stand im Mittelhochdeutschen für Weide.
Vermutlich galt der Berg früher als „Höchatz“und wurde im Dialekt zur „Höfats“. In einer sehr frühen Nennung 1797 hieß die Höfats übrigens „Herfers Kopf“. Benannt vermutlich nach einer Person.
Großer Krottenkopf
Landläufig würde man diesen Namen wohl von Krötenkopf ableiten.
So geschehen auch in einem historischen Sagenbuch von Karl Reiser: Verbannte Geister lebten demnach als hässliche „Krotten“(=Kröten) auf dem Berg weiter. Genau wie Thaddäus Steiner hat von Reitzenstein hierfür freilich eine andere Erklärung für den Namen parat: „Krot bedeutete im Mittelhochdeutschen eine zerrissene Felslandschaft mit Höhlen.“
Mädelegabel
Dieser Name führt am häufigsten in die Irre. Denn mit einem Mädchen hat er laut dem Forscher nichts zu tun. „Mädele ist die kleine Mahd, also das kleine Gelände unter dem Gipfel, das bewirtschaftet wurde“, sagt Reitzenstein. Zwischen Trettach und Hochfrottspitze erinnert dieser Gipfel an die mittlere Zacke einer Gabel.
Mittagberg
Den Bauern rund um Immenstadt half früher der Blick auf diesen Berg und den Himmel bei der zeitlichen Orientierung. „Wenn die Sonne über dem Gipfel stand, war für sie Mittag“, schildert von Reitzenstein. Erstmals schriftlich erwähnt wurde der „Mittag B. 1899 von Eugen Waltenberger.
Rote Flüh
Ein rotes Felsband unterhalb des Gipfels stand Pate für diesen Namen. „Flüh“leitet sich von „Fluoh“ab, was im Althochdeutschen Fels bedeutete. Der Gipfelname änderte sich mehrmals. 1471 taucht er als „Rottenfluchspitz“auf. Im 19. Jahrhundert ist von „Haldenspitz“und „Schafschrofen“die Rede, ehe sich der heutige Name durchsetzt und die Rote Flüh zu einem beliebten Gipfel in den Tannheimer Bergen wird.
Säuling
Das Wahrzeichen der Region rund um Schwangau wird bereits im Jahr 895 in einer Chronik als „Siulinch“erwähnt. Später taucht er als „Sewling“oder „Seylingspiz“auf und 1832 erstmals als „Säuling“. Mit Säuen zu tun hat der 2.047 Meter hoch gelegene Gipfel in den Ammergauer Alpen allerdings nichts, vielmehr leitet er sich laut Reitzenstein von althochdeutsch „siule“ab: Säule. Der markante Gipfel galt als Grenzberg.
Tegelberg
Dieser Gipfel in den Ammergauer Alpen weist namenstechnisch eine gewisse Parallele zum Tegernsee auf. Prägend war in beiden Fällen das althochdeutsche Adjektiv „tegar“, erklärt von Reitzenstein. „Es bedeutet groß und breit.“Aus dem bereits 1330 erwähnten „Tegerperch“wurde wohl wegen der leichteren Aussprache im Lauf der Jahrhunderte der Tegelberg.