Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Geldjongleur brachte FBI auf die Spur
Steuersünder Charles Blazer kooperierte mit US-Behörden bei Ermittlungen gegen Fifa
NEW YORK - „Soccer“gilt im Land von Football, Baseball und Basketball immer noch als eine Art Mädchensport – doch nun rütteln ausgerechnet die Amerikaner mit ihren Enthüllungen an den Grundfesten des Fußball-Weltverbands Fifa.
Es war natürlich nur ein Zufall, aber im Nachhinein wirkt es symbolisch. Als Südafrika die Weltmeisterschaft 2010 zugesprochen bekam, war Loretta Lynch gerade in dem Land unterwegs. Sie ließ sich mitreißen von der Begeisterung, der Welle des Nationalstolzes, der Vorfreude auf das Turnier. „Zu lernen, dass dies durch Korruption begünstigt wurde, war niederschmetternd“, sagt die Ministerin heute.
Lange bevor die 56-jährige Lynch Eric Holder an der Spitze des Justizressorts ablöste, dirigierte sie die Ermittlungen gegen korrupte Fußballfunktionäre. Als Staatsanwältin des Bundes war sie zuständig für den östlichen Distrikt New Yorks, zu dem Brooklyn und Queens gehören, die bodenständigeren Schwestern der Wolkenkratzerinsel Manhattan. In Queens wiederum lebte Charles Blazer, der Geldjongleur mit besten Verbindungen in die Karibik, der unter Druck zum Kronzeugen wurde.
Nach Angaben des FBI bekamen die Detektive der Bundespolizei und der IRS, der US-Steuerbehörde, einen Faden in die Hand, als Blazer wegen Verdacht auf Steuerhinterziehung in ihr Visier geriet. Auf dem Posten des Generalsekretärs stand er in Diensten von Concacaf, dem FifaRegionalverband für Nord- und Mittelamerika, er war die rechte Hand Jack Warners, des Concacaf-Direktors. Zwischen 2005 und 2010 soll er sowohl einen beträchtlichen Teil seines Einkommens am Fiskus vorbeigeschleust als auch Konten im Ausland verschwiegen haben. 2011 begann Blazer mit dem FBI zu kooperieren, was offenbar so weit ging, dass er bei den Olympischen Spielen in London ein Mikrofon in einem Schlüsselanhänger versteckte, um Gespräche aufzuzeichnen.
Allerdings hätte es des geografischen Bezugs gar nicht bedurft, um Anklage zu erheben. Für den Schmiergeldtransfer wurde das USBankensystem benutzt; die Concacaf hat ihren Sitz in Miami: Nach den Worten von FBI-Chef James Comey war schon das Handhabe genug, um tätig zu werden. Zudem gibt die amerikanische Verfassung dem Kongress die Macht, „Piraterie und andere Verbrechen zu definieren, die auf hoher See begangen werden und gegen das Recht der Nationen verstoßen“. Heute lässt sich der Passus relativ problemlos auf das Ausland anwenden. Der 1977 verabschiedete Foreign Corrupt Practices Act stellt es unter Strafe, wenn US-Unternehmen – und solche, die in den USA Geschäfte machen – Beamte oder Funktionäre bestechen. BHP Billiton, ein australisch-britischer Rohstoffkonzern, musste vergangene Woche 25 Millionen Dollar Bußgeld berappen, weil er 176 Regierungsmitgliedern eine Reise zu Olympia in Peking finanziert hatte.
Jedenfalls ist es ein Moment, in dem Amerika sehr zufrieden mit sich ist. Während die Alte Welt kungelt, dealt und vertuscht, kehrt die Neue Welt mit ihrer kompromisslosen Justiz, ihrem Transparenzideal den Augiasstall aus, heißt es in den Kommentaren der großen Zeitungen. Der Weltverband des Fußballs habe im- mer versucht, Amerika stärker für „Soccer“zu interessieren; „nun, jetzt hat er damit Erfolg“, schreibt die „New York Times“. Die eigentliche Überraschung sei, dass Washington derart aggressiv vorgeht gegen Offizielle einer Sportart, die hierzulande deutlich weniger beliebt sei als anderswo auf dem Planeten. Die „New York Daily News“schlägt in bissiger Ironie vor, der Riege um Sepp Blatter eine Seifenopfer mit dem Titel „Die Alten und die Ahnungslosen“zu widmen und die Fifa umzubenennen, in Federation of International Fraud Artists. Auf Deutsch hieße das: Föderation Internationaler Betrugskünstler.