Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Nahles hat für Fahrstuhl-Nostalgie wenig übrig
Arbeitsministerin will die Nutzung der Paternoster deutlich einschränken – Kritiker werfen ihr „Gängelei“vor
BERLIN - Am Montag soll es Schluss damit sein. Eine Fahrt im Paternoster, einem der historischen Aufzüge mit den Umlaufkabinen aus Holz, soll nur noch eigens geschulten Beschäftigten erlaubt sein. Besucher dürften dann den Aufzug nicht mehr benutzen. Ein Ende des NostalgieFahrstuhls droht, der Grund dafür ist eine umstrittene Verordnung von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), die den weiteren öffentlichen Betrieb der immer noch mehr als 200 Paternoster in Deutschland untersagt hat.
Doch in den betroffenen Städten wächst der Widerstand gegen das Verbot. „Rettet den Paternoster!“, heißt es nicht nur in den Rathäusern, sondern auch im Bundestag und den Berliner Ministerien.
CDU-Wirtschaftsexperte Michael Fuchs kritisiert das Verbot der Ministerin als „reine Gängelei“. „Wir sollten nicht alles reglementieren. Diese Bundesverordnung sollte unbedingt wieder zurückgenommen werden“, fordert der Vizechef der Unions-Bundestagsfraktion. Unter SPD-Frau Nahles herrsche im Arbeitsministerium „ein Geist der überbordenden Reglementierung“.
FDP kritisiert „Regulierungswut“Kritik und Spott kommt auch von der FDP: „GroKo verbietet Paternoster – Gefahr!“, twittert FDP-Chef Christian Lindner und wirft der Ministerin „Regulierungswut“vor. „Wie haben unsere Großeltern und Eltern nur so lange ohne Andrea Nahles überleben können“, stichelt der Liberale. Sein Parteifreund Volker Wissing stimmt mit ein: Nahles und die SPD machten das, was sie am besten könnten: „Unsinnige Vorschriften“.
Die Ministerin kontert: Die Benutzung von Paternostern werde zwar eingeschränkt, sie soll jedoch nicht verboten werden. Die Neuregelung ist Teil der Betriebssicherheitsverordnung aus dem Arbeitsministerium, die im Juni in Kraft tritt.
Wie die Mitarbeiter für die Nutzung der Paternoster geschult werden sollen, bleibe den Arbeitgebern überlassen, so das Ministerium. „Eingeführt wurde eine Benutzungseinschränkung für Publikumsverkehr, weil es in der Vergangenheit immer wieder zu schweren Unfällen und Todesfällen gekommen ist“, verteidigt Nahles’ Sprecherin die Pläne. Nicht das Ministerium, sondern die Länder und einige Landkreise hätten auf die Änderung gedrängt.
Proteste zeigen Wirkung Der Proteststurm der PaternosterFreunde zeigt offenbar bereits Wirkung: Das Arbeitsministerium arbeite bereits an einer Änderung der Änderung der Betriebssicherheitsverordnung, heißt es. Danach solle es künftig doch noch Ausnahmen geben und die Arbeitsschutzbehörden der Länder sollen ermächtigt werden, die Paternoster-Benutzung auch anderen Personen als Beschäftigten zu erlauben.
Die Koalitionspartner haben Nahles längst als Ministerin der Verbote und der Bürokratisierung ausgemacht. Gemeinsam mit den Wirtschaftsverbänden fordert die Union Änderungen beim Mindestlohn. Vor allem die bürokratischen Dokumentationspflichten sind den Kritikern ein Dorn im Auge.
Die von Nahles geplante Arbeitsstättenverordnung war Ende Februar im Bundeskabinett gestoppt worden. Die Liste von Vorschriften für Betriebe wie abschließbare Spinde für jeden Mitarbeiter, Tageslicht in allen Räumen oder Telearbeitsplätze ging der CDU und den Arbeitgeberverbänden zu weit.
Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sprach von einem „bürokratischen Monster“. SPD-Frau Nahles muss jetzt einen überarbeiteten Entwurf vorlegen. „Hier ist offenbar Vernunft eingekehrt“, erklärt CDUWirtschaftsexperte Fuchs und fordert: Die neue Fassung der Arbeitsstättenverordnung müsse „deutlich entschärft“sein.