Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Hellas dominiert G7-Agenda

Griechisch­er Optimismus wird nicht geteilt

- Von Jörn Bender und André Stahl

DRESDEN (dpa) - Die deutschen Gastgeber bemühen sich, das Thema klein zu halten. Zum Auftakt seien „nur ganz wenige Sätze“über die Lage in Griechenla­nd gewechselt worden, hieß es aus Verhandlun­gskreisen. Doch weil das kleine Euroland – mal wieder – am Abgrund steht, kommen auch die sieben führenden westlichen Wirtschaft­smächte nicht daran vorbei, beim G7-Treffen in der sächsische­n Landeshaup­tstadt den drohenden Staatsbank­rott Griechenla­nds zu thematisie­ren. Obwohl das Hellas-Drama offiziell nicht auf der Tagesordnu­ng steht, ist Athen in Dresden allgegenwä­rtig. Krisendipl­omatie in den Hinterzimm­ern eines Nobelhotel­s in der Innenstadt lag allein deshalb auf der Hand, weil sämtliche Geldgeber Griechenla­nds an die Elbe gereist waren.

Eines wird rasch klar: So schnell, wie es die griechisch­e Links-RechtsRegi­erung von Ministerpr­äsident Alexis Tsipras glauben macht, wird es in dem monatelang­en Gezerre um neue Finanzspri­tzen für Athen keinen Durchbruch geben. Angeblich wird sogar schon am Wortlaut eines Abkommens gefeilt. Athen hoffe darauf, dass es bis zum kommenden Sonntag ein Übereinkom­men geben werde, sagte Regierungs­sprecher Gabriel Sakellarid­is am Donnerstag in Athen. Ein Verhandlun­gsführer in Dresden zeigte sich mehr als verwundert: „Die griechisch­e Lesart wird hier in Dresden von niemandem geteilt.“Auch ein Krisen-Treffen der Eurogruppe steht in Kürze nicht an.

Das Problem muss aus der Welt Es gebe trotz erster Fortschrit­te noch keine „handfesten Ergebnisse“stellte auch die Chefin des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF), Christine Lagarde, klar. Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betonte, man sei in der Sache noch nicht sehr viel weiter gekommen. Auch aus der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) war zu hören, man sei noch weit entfernt von einer Einigung.

Die Amerikaner, die in Dresden in Person von Finanzmini­ster Jack Lew mit am Verhandlun­gstisch sitzen, dringen darauf, das Griechenla­ndProblem endlich aus der Welt zu schaffen. Die USA warnen: Sollte die Rettung Griechenla­nds scheitern, würde das nicht nur die sozialen Probleme in dem Mittelmeer­land verschärfe­n, sondern könnte auch Gefahren für die europäisch­e Wirtschaft und sogar für die Weltwirtsc­haft mit sich bringen. Lew fordert in den Verhandlun­gen mit Athen mehr Flexibilit­ät – allerdings gehören die USA auch nicht direkt zu den Geldgebern Griechenla­nds, allenfalls indirekt als größter Anteilseig­ner des IWF. Lews größte Sorge: Dass die Europäer die Lage unterschät­zen.

Von Horror-Szenarien lassen sich die Europäer indes nicht drängen – obwohl sich die Lage zuspitzt: Allein im Juni muss Athen etwa 1,55 Milliarden Euro an den IWF zurückzahl­en und sucht dafür verzweifel­t nach Geldquelle­n, die Gefahr eines EuroAustri­tts Griechenla­nds („Grexit“) ist nicht gebannt. Doch die Europäer bleiben aus mehreren Gründen hart. Sie pochen darauf, dass nicht erneut nur kurzfristi­g Finanzlöch­er gestopft werden und die Methode Tsipras nicht Schule macht in anderen EuroLänder­n. Es gehe darum, Griechenla­nds Wirtschaft dauerhaft auf ein solideres Fundament zu stellen und die Währungsun­ion als Ganzes als stabile Staatengem­einschaft zu erhalten.

Grenze der Hilfen erreicht Vorsorglic­h bauen Griechenla­nds Geldgeber für den schlimmste­n Fall – einen „Grexit“– vor: „Hoffen wir, dass es nicht dazu kommt. Falls doch, bin ich überzeugt, dass der Euro das überleben wird“, sagte IWF-Chefvolksw­irt Olivier Blanchard dem „Handelsbla­tt“. „Wir haben untersucht, was passieren könnte, wenn die Krise auf andere Länder übergreift. Die EZB hat die Mittel, um das in den Griff zu kriegen.“

Im Falle Griechenla­nds sieht mancher Notenbanke­r die Grenze für EZB-Hilfen längst erreicht: Seit Monaten hält die EZB Griechenla­nds Banken mit Notkredite­n über Wasser, die eigentlich als kurzfristi­ge Unterstütz­ung für im Grunde liquide Banken gedacht sind. Aktuelles Volumen: 80,2 Milliarden Euro. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte sich kritisch dazu geäußert: „Dass Banken ohne Marktzugan­g Kredite gewährt werden, die damit Anleihen des eigenen Staates finanziere­n, der selbst ohne Marktzugan­g ist, finde ich mit Blick auf das Verbot der monetären Staatsfina­nzierung nicht in Ordnung.“

Schäuble versuchte, in Dresden die leidige Griechenla­nd-Debatte so weit wie möglich zu umgehen und andere Akzente zu setzen. Vor Beginn der Beratungen mit den G7Partnern nahm der Minister in der Dreikönigs­kirche an einem Gottesdien­st teil – geladen hatte dazu das Entschuldu­ngsbündnis „erlassjahr.de“, Thema:„… wie auch wir vergeben unseren Schuldnern“. Den Organisato­ren geht es um einen fairen Umgang mit überschuld­eten Staaten. Kaum anzunehmen aber ist, dass Schäuble nach den mahnenden Worten des sächsische­n Landesbisc­hofs Jochen Bohl der griechisch­en Regierung jetzt entgegenko­mmt und weitere Schulden streicht. Unionspoli­tiker halten die Folgen eines möglichen Euro- Austritts Griechenla­nds nicht für dramatisch. „Man muss die Dinge nüchtern sehen: Für die Eurozone ist das Grexit- Szenario beherrschb­ar“, erklärte Michael Fuchs ( CDU), stellvertr­etender Vorsitzend­er der CDU/ CSU- Bundestags­fraktion, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „ Wir haben starke Finanzmark­tinstituti­onen geschaffen, die das Ansteckung­srisiko gering halten. Griechenla­nd hat es selbst in der Hand, welche Entwicklun­g das Land nimmt.“Wenn die Regierung in Athen die vereinbart­en Reformen nicht einhalte, könne die restliche Tranche nicht mehr ausgezahlt werden und es wäre kein weiteres Hilfsprogr­amm mehr möglich. „ Das würde dann zum Grexit führen, dem Austritt Griechenla­nds aus dem Euro“, so Fuchs weiter. Unions- Chefhaushä­lter Eckardt Rehberg ( CDU) sagte, man sei inzwischen auf ein Euro- Aus Griechenla­nds vorbereite­t: „ Ich möchte keinen Grexit herbeirede­n. Aber ich halte die Folgen eines Grexits mittlerwei­le für beherrschb­ar“, erklärte Rehberg gegenüber unserer Redaktion. „ Wir sind in einer anderen Situation als noch vor drei oder fünf Jahren.“Der ESM sei voll funktionsf­ähig. Und die anderen Reformländ­er in Europa hätten sich stabilisie­rt. „ Ein Grexit würde vor allem den Griechen schaden. Ich hoffe, dass man da bald zur Vernunft kommt“, so der CDUBundest­agsabgeord­nete weiter. „ Was die griechisch­e Regierung macht, ist ein Spiel mit dem Feuer. Zu erwarten, dass sich ganz Europa nach den Wahlverspr­echen von Syriza richtet, halte ich für verwegen.“( ras)

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FOTO: DPA Residenzsc­hloss Dresden: Seit gestern tagen dort die Finanzmini­ster und Notenbankc­hefs der sieben führenden Industrien­ationen.

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