Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Hellas dominiert G7-Agenda
Griechischer Optimismus wird nicht geteilt
DRESDEN (dpa) - Die deutschen Gastgeber bemühen sich, das Thema klein zu halten. Zum Auftakt seien „nur ganz wenige Sätze“über die Lage in Griechenland gewechselt worden, hieß es aus Verhandlungskreisen. Doch weil das kleine Euroland – mal wieder – am Abgrund steht, kommen auch die sieben führenden westlichen Wirtschaftsmächte nicht daran vorbei, beim G7-Treffen in der sächsischen Landeshauptstadt den drohenden Staatsbankrott Griechenlands zu thematisieren. Obwohl das Hellas-Drama offiziell nicht auf der Tagesordnung steht, ist Athen in Dresden allgegenwärtig. Krisendiplomatie in den Hinterzimmern eines Nobelhotels in der Innenstadt lag allein deshalb auf der Hand, weil sämtliche Geldgeber Griechenlands an die Elbe gereist waren.
Eines wird rasch klar: So schnell, wie es die griechische Links-RechtsRegierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras glauben macht, wird es in dem monatelangen Gezerre um neue Finanzspritzen für Athen keinen Durchbruch geben. Angeblich wird sogar schon am Wortlaut eines Abkommens gefeilt. Athen hoffe darauf, dass es bis zum kommenden Sonntag ein Übereinkommen geben werde, sagte Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis am Donnerstag in Athen. Ein Verhandlungsführer in Dresden zeigte sich mehr als verwundert: „Die griechische Lesart wird hier in Dresden von niemandem geteilt.“Auch ein Krisen-Treffen der Eurogruppe steht in Kürze nicht an.
Das Problem muss aus der Welt Es gebe trotz erster Fortschritte noch keine „handfesten Ergebnisse“stellte auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, klar. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betonte, man sei in der Sache noch nicht sehr viel weiter gekommen. Auch aus der Europäischen Zentralbank (EZB) war zu hören, man sei noch weit entfernt von einer Einigung.
Die Amerikaner, die in Dresden in Person von Finanzminister Jack Lew mit am Verhandlungstisch sitzen, dringen darauf, das GriechenlandProblem endlich aus der Welt zu schaffen. Die USA warnen: Sollte die Rettung Griechenlands scheitern, würde das nicht nur die sozialen Probleme in dem Mittelmeerland verschärfen, sondern könnte auch Gefahren für die europäische Wirtschaft und sogar für die Weltwirtschaft mit sich bringen. Lew fordert in den Verhandlungen mit Athen mehr Flexibilität – allerdings gehören die USA auch nicht direkt zu den Geldgebern Griechenlands, allenfalls indirekt als größter Anteilseigner des IWF. Lews größte Sorge: Dass die Europäer die Lage unterschätzen.
Von Horror-Szenarien lassen sich die Europäer indes nicht drängen – obwohl sich die Lage zuspitzt: Allein im Juni muss Athen etwa 1,55 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen und sucht dafür verzweifelt nach Geldquellen, die Gefahr eines EuroAustritts Griechenlands („Grexit“) ist nicht gebannt. Doch die Europäer bleiben aus mehreren Gründen hart. Sie pochen darauf, dass nicht erneut nur kurzfristig Finanzlöcher gestopft werden und die Methode Tsipras nicht Schule macht in anderen EuroLändern. Es gehe darum, Griechenlands Wirtschaft dauerhaft auf ein solideres Fundament zu stellen und die Währungsunion als Ganzes als stabile Staatengemeinschaft zu erhalten.
Grenze der Hilfen erreicht Vorsorglich bauen Griechenlands Geldgeber für den schlimmsten Fall – einen „Grexit“– vor: „Hoffen wir, dass es nicht dazu kommt. Falls doch, bin ich überzeugt, dass der Euro das überleben wird“, sagte IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard dem „Handelsblatt“. „Wir haben untersucht, was passieren könnte, wenn die Krise auf andere Länder übergreift. Die EZB hat die Mittel, um das in den Griff zu kriegen.“
Im Falle Griechenlands sieht mancher Notenbanker die Grenze für EZB-Hilfen längst erreicht: Seit Monaten hält die EZB Griechenlands Banken mit Notkrediten über Wasser, die eigentlich als kurzfristige Unterstützung für im Grunde liquide Banken gedacht sind. Aktuelles Volumen: 80,2 Milliarden Euro. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte sich kritisch dazu geäußert: „Dass Banken ohne Marktzugang Kredite gewährt werden, die damit Anleihen des eigenen Staates finanzieren, der selbst ohne Marktzugang ist, finde ich mit Blick auf das Verbot der monetären Staatsfinanzierung nicht in Ordnung.“
Schäuble versuchte, in Dresden die leidige Griechenland-Debatte so weit wie möglich zu umgehen und andere Akzente zu setzen. Vor Beginn der Beratungen mit den G7Partnern nahm der Minister in der Dreikönigskirche an einem Gottesdienst teil – geladen hatte dazu das Entschuldungsbündnis „erlassjahr.de“, Thema:„… wie auch wir vergeben unseren Schuldnern“. Den Organisatoren geht es um einen fairen Umgang mit überschuldeten Staaten. Kaum anzunehmen aber ist, dass Schäuble nach den mahnenden Worten des sächsischen Landesbischofs Jochen Bohl der griechischen Regierung jetzt entgegenkommt und weitere Schulden streicht. Unionspolitiker halten die Folgen eines möglichen Euro- Austritts Griechenlands nicht für dramatisch. „Man muss die Dinge nüchtern sehen: Für die Eurozone ist das Grexit- Szenario beherrschbar“, erklärte Michael Fuchs ( CDU), stellvertretender Vorsitzender der CDU/ CSU- Bundestagsfraktion, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „ Wir haben starke Finanzmarktinstitutionen geschaffen, die das Ansteckungsrisiko gering halten. Griechenland hat es selbst in der Hand, welche Entwicklung das Land nimmt.“Wenn die Regierung in Athen die vereinbarten Reformen nicht einhalte, könne die restliche Tranche nicht mehr ausgezahlt werden und es wäre kein weiteres Hilfsprogramm mehr möglich. „ Das würde dann zum Grexit führen, dem Austritt Griechenlands aus dem Euro“, so Fuchs weiter. Unions- Chefhaushälter Eckardt Rehberg ( CDU) sagte, man sei inzwischen auf ein Euro- Aus Griechenlands vorbereitet: „ Ich möchte keinen Grexit herbeireden. Aber ich halte die Folgen eines Grexits mittlerweile für beherrschbar“, erklärte Rehberg gegenüber unserer Redaktion. „ Wir sind in einer anderen Situation als noch vor drei oder fünf Jahren.“Der ESM sei voll funktionsfähig. Und die anderen Reformländer in Europa hätten sich stabilisiert. „ Ein Grexit würde vor allem den Griechen schaden. Ich hoffe, dass man da bald zur Vernunft kommt“, so der CDUBundestagsabgeordnete weiter. „ Was die griechische Regierung macht, ist ein Spiel mit dem Feuer. Zu erwarten, dass sich ganz Europa nach den Wahlversprechen von Syriza richtet, halte ich für verwegen.“( ras)