Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wedeln im Kostüm
Bei der Deutschen Aufguss-Meisterschaft in Radolfzell zählt das Show-Erlebnis in der Sauna
RADOLFZELL - Ketten rasseln, Schwerter schlagen metallen aneinander und ein junger Mann stapft langsam, und schwer im Kreis. Schweißperlen tropfen ihm von Stirn und Rücken, er geht gebückt unter der Last zweier Wassereimer, aus denen er zwei Eiskugeln in die Glut wirft. Dann schwebt ein leichter Duft von Orange und Kiefer durch die Luft.
Sauna als Erlebnis
Was wie nach Antike aussieht ist weder Theater noch Sklaverei: Der Mann, der den Gladiator mimt, arbeitet als Sauna-Aufgießer. Bei der Deutschen Aufguss-Meisterschaft in der Bora-Sauna in Radolfzell widmet Aljoscha Burkhardt seine Performance der Geschichte des Kriegers. Einer Geschichte, in der er von Römern versklavt wird, sich als Gladiator durchschlägt und schließlich seine Freiheit erkämpft. Mit dieser Handlung muss er sich an drei Wettkampftagen gegen 33 andere Aufgießer behaupten.
Viel Technik, viel Zubehör und noch mehr Lichteffekte: Die Show hat vor allem mit Schauspielerei, Tanz und mit dem Erzählen von Geschichten, aber nur wenig mit dem klassischen Saunaerlebnis zu tun. Entspannend und gesundheitsfördernd – so haben die Saunen bis in die 1990er-Jahre ihre Umsätze bestritten. Weil die Gesellschaft mehr und mehr erlebnisorientierter wird, kommt dieser Trend auch in den Schwitzstuben an. „Um die Jahrtausendwende wurden die Aufgüsse als solche prominenter, ab etwa 2010 gab es dann Show-Aufgüsse mit Meisterschaften“, erklärt der Geschäftsführer des Deutschen Sauna-Bunds, Rolf-A. Pieper. Auch für den 30-jährigen Aljoscha Burkhardt ist das Showgeschäft relativ neu: Er arbeitet zwar seit acht Jahren als Aufgießer, aber erst seit knapp einem Jahr wedelt er im Kostüm.
Das Wedeln ist so eine Sache: Manche sind Naturtalente, manche brauchen richtig viel Übung. Burkhardt wedelt kraftvoll und schnell, er beugt sich dabei rückwärts über die heißen Saunasteine. Seine Mitstreiterin, die 26-jährige Anja Becker aus der Satama-Sauna bei Berlin, startet ihre Schlafwandel-Show ganz sanft: Mit Kissen und Teddybär tänzelt sie um den Saunaofen und dreht sich mit großen Handtüchern langsam um die eigene Achse. Dann wird die Musik schneller, der Takt härter, und Becker wirbelt das Handtuch so schnell, dass die Gäste in der KeloSauna jubeln und applaudieren. Das scheint ein gutes Zeichen zu sein – immerhin wird unter anderem bewertet, wie die Aufgießer die heiße Luft in dem Holzhaus verteilen. Mindestens drei verschiedene Techniken werden verlangt, zusätzlich eine, bei der rechte und linke Hand asynchron arbeiten.
Gäste lieben das Ungewöhnliche
Den Gästen gefällt das Spektakel – zumindest denen, die gekommen sind. Manche – so wie Friedrich Dorr aus der Nähe von Köln – besuchen 15 Aufgüsse täglich. Mit seinem blaugemusterten Bademantel schwatzt Dorr gern über das Saunieren und was er an der heißen Show so gern hat. Er liebt das Ungewöhnliche, zum Beispiel eine Diva, die beim Aufguss Opernarien singt. Zu heiß wird es ihm bei Außentemperaturen zwischen 25 und 30 Grad nicht. Er freut sich stattdessen, dass die Sauna wegen des Sommerwetters nicht überfüllt ist. Die Aufguss-WM findet vom 15. bis 20. September in Sinsheim statt. Fotos von der Sauna- Meisterschaft in Radolfzell finden Sie unter schwaebische.de/aufguss. Der Show-Aufguss darf zwischen zehn und 15 Minuten dauern. Eine achtköpfige Jury von der jeweils immer vier Mitglieder anwesend sind – bewertet die Show zusammen mit jeweils zehn Gästen nach folgenden Kriterien: Gästekontakt, Persönliche Vorstellung des Themas, Hitzesteigerung während des Aufgusses, Wedeltechnik und Hitzeverteilung, Harmonie des Themas mit den Duftstoffen, Umsetzung des Themas und das Einsetzen von Show- Elementen wie Licht, Musik oder Kostüme. ( sch)
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