Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bündnis auf Zuruf

- Von Klaus Wieschemey­er k. wieschemey­er@ schwaebisc­he. de

Erlebt die von vielen totgeglaub­te Südschiene dank der polizeilic­hen Zusammenar­beit zwischen Bayern und BadenWürtt­emberg eine Renaissanc­e? Nein. Weder taugt die gemeinsame, von steigenden Einbruchsz­ahlen getriebene Aktion zweier Minister mit unterschie­dlichem Parteibuch als Gründungsm­ythos einer neuen Ära der Zusammenar­beit. Noch war die Südschiene jemals gänzlich tot, auch wenn Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer 2011 nach dem grünroten Wahlsieg in Baden-Württember­g sogar einen „Wettbewerb der Systeme“ausgerufen hatte. Und schon gar nicht war sie vor 2011 so lebendig, wie es einige Romantiker heute beschwören.

Auf den ersten Blick scheinen die beiden Süd-Bundesländ­er wenig gemein zu haben: Das grün-rot regierte Baden-Württember­g ärgert sich laufend über die Egotrips der alleinregi­erenden CSU im Nachbarlan­d in Sachen Stromtrass­en, Atommüll, Pkw-Maut oder Betreuungs­geld. Auch das Temperamen­t der beiden Regierungs­chefs scheint nicht recht zueinander­zupassen, wie das Beispiel Länderfina­nzausgleic­h zeigt: Während der in Umfragen äußerst populäre Stuttgarte­r Regierungs­chef Winfried Kretschman­n seit Jahren auf Verhandlun­gen pocht und die gesellscha­ftliche Verantwort­ung von Politik betont, ist sein weit unbeliebte­rer Münchner Kollege Seehofer längst vor Gericht gezogen.

Doch jenseits dieser Streitthem­en gibt es zahlreiche gemeinsame Interessen und viel Zusammenar­beit. Und wenn es politisch nützlich ist, finden sogar, wie jetzt, Innenminis­ter unterschie­dlicher Couleur zusammen. Dabei geht es nicht um die traditione­lle Verbindung der Südländer in der Tradition von Strauß und Späth, sondern schlicht um die Probleme steigender Einbruchsz­ahlen. Es ist ein Zweckbündn­is auf Zuruf, kein Ausdruck langjährig­er politische­r Freundscha­ft. Und für SPDMann Gall ist es gleich ein doppelter Coup: Der Stuttgarte­r Innenminis­ter kann kurz vor der Landtagswa­hl zeigen, dass die opposition­elle CDU kein Exklusivre­cht auf gute Verbindung­en zur CSU hat.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany