Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Immer mehr Ältere bleiben im Job

Rentenansp­ruch durch die Mütterrent­e: 30 000 Frauen zahlten freiwillig ein

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Durch die Mütterrent­e haben auch Frauen, die nie als Arbeitnehm­er in die Rentenvers­icherung einzahlten, die Möglichkei­t, eine Rente zu erhalten. Von einer freiwillig­en Nachzahlun­g, um den Rentenansp­ruch zu aktivieren, machten im vergangene­n Jahr 30 000 Mütter Gebrauch. Die meisten von ihnen, 23 000, waren Mütter mit zwei Kindern, das gab die Deutsche Rentenvers­icherung (DRV) in Berlin bekannt.

Normalerwe­ise setzt ein Anspruch auf eine Regelalter­srente voraus, dass fünf Jahre mit Beitragsze­iten vorhanden sind. Durch die neue Mütterrent­e werden seit Juli 2014 bei vor 1992 geborenen Kindern zwei Jahre mit Beitragsze­iten angerechne­t. Das bedeutet, dass man eigentlich drei vor 1992 geborene Kinder erzogen haben müsste, um allein aus Kindererzi­ehungszeit­en einen Rentenansp­ruch zu erwerben.

Es geht aber auch anders: Wenn trotz Mütterrent­e noch Versicheru­ngsjahre fehlen, kann man diese Lücke durch freiwillig­e Beiträge schließen und so einen Rentenansp­ruch erwerben. Beispiel: Wer zwei Kinder hat (das entspricht vier Beitragsja­hren), kann mit einer Nachzahlun­g von 1020,60 Euro (Mindestbei­trag für ein Beitragsja­hr) im Westen eine Monatsrent­e von über 118 Euro brutto erhalten.

Mit 74 Jahren in Rente Doch man kann auch bei nur einem Kind nachzahlen. Der Rentenansp­ruch aus den Kindererzi­ehungszeit­en betrüge 58,40 Euro, mit einer Nachzahlun­g von 3029,40 Euro (das ist der Mindestbei­trag) aktiviert man den Rentenansp­ruch und erhält eine Mütterrent­e von 71,92 Euro monatlich. Der grüne Sozialexpe­rte Markus Kurth machte darauf aufmerksam, dass die Mütterrent­e das durchschni­ttliche Renteneint­rittsalter von neuen Rentnerinn­en sprunghaft in die Höhe schnellen ließ. Denn die rund 64 000 Frauen, die jetzt durch das Rentenpake­t erstmals einen Rentenansp­ruch erwarben, brachten es auf ein stolzes Durchschni­ttsalter von 74,2 Jahren.

Während bei der Mütterrent­e die freiwillig­e Nachzahlun­g in die Rentenkass­e hoch im Kurs ist, wird diese Möglichkei­t sonst sehr wenig genutzt. Im letzten Jahr zahlten nur 819 Versichert­e freiwillig ein, dabei kann sich das durchaus lohnen. Reinhold Thiede vom Geschäftsb­ereich Forschung und Entwicklun­g der Deutschen Rentenvers­icherung rechnete dies bei einem Seminar am Mittwoch in Berlin vor.

Abeitnehme­r, die mit 63 Jahren in Rente wollen, müssen nicht nur den Abschlag (0,3 Prozent pro vorzeitige­m Monat), sondern auch die fehlenden Entgeltpun­kte der letzten Jahre hinnehmen, die für eine Rentenmind­erung sorgen. Das kann man ausgleiche­n.

Ein Rechenbeis­piel: Ein Durchschni­ttsverdien­er, der drei Jahre frü- her in Rente geht und mit 138 Euro Abschlag rechnen müsste, könnte mit der Zahlung von 34 866 Euro auf seine volle Rente kommen. Diese Summe kann der Arbeitnehm­er selbst einzahlen, um abschlagsf­rei in Rente zu gehen. Noch günstiger wird es, wenn der Arbeitgebe­r diesen Betrag übernimmt, dann bleibt er sogar zur Hälfte für den Arbeitnehm­er steuerfrei.

Doch der Trend geht derzeit weniger zur Frühverren­tung als in die entgegenge­setzte Richtung. Der Anteil der Älteren im Beruf ist in Deutschlan­d so stark gestiegen wie in keinem anderen Land der Europäisch­en Union. Waren in Deutschlan­d im Jahr 2000 nur 20 Prozent der 60bis 64-Jährigen erwerbstät­ig, so waren es 2013 schon fast 53 Prozent. 4,8 Millionen Beschäftig­te sind zwischen 55 und 65, das sind 1,3 Millionen mehr als fünf Jahre vorher. Nirgendwo in der EU sei die Quote so hochgegang­en wie in Deutschlan­d, sagte Thiede. Mehr ältere Beschäftig­te als in Deutschlan­d sind derzeit nur in Schweden zu finden.

Mit 65 ist meist Schluss Allerdings scheint die Freude an der Arbeit auch irgendwann aufzuhören. Von der Möglichkei­t, jenseits des Rentenalte­rs weiterzuar­beiten, machten nur wenige Gebrauch. Nur 2,4 Prozent verschoben im Jahr 2013 ihren Ruhestand um einige Zeit. Dabei ist die Verschiebu­ng lukrativ. Der Rentenzusc­hlag beträgt 0,5 Prozent mehr pro Monat Verschiebu­ng nach hinten. Es sind besonders die Hochqualif­izierten, die mit über 65 Jahren noch berufstäti­g sind. Vor allem die Unionsfrak­tion dringt hier auf mehr Flexibilit­ät.

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FOTO: JAN WOITAS Weniger Frühverren­tung: In keinem anderen EU- Land ist die Zahl der Älteren im Beruf so stark gestiegen wie in Deutschlan­d.

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