Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Deutschland reicht Kuba die Hand
s ist ein historischer Besuch, den Außenminister FrankWalter Steinmeier (SPD) am Donnerstag in Havanna beginnt. Noch nie war ein bundesdeutscher Außenamtschef im revolutionären Kuba. Überhaupt ist ein deutscher Ressortchef zuletzt zur Jahrtausendwende auf der Karibikinsel gewesen. Die damaligen Minister Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD, Entwicklung) und Werner Müller (Wirtschaft) stellten sich 2000 und 2001 vor, damals noch bei Präsident Fidel Castro.
Danach haben sich die Beziehungen zwischen Deutschland und Kuba und die der gesamten Europäischen Union und der Insel merklich abgekühlt. Das will Steinmeier jetzt ändern. Es geht bei diesem Besuch vor allem um eine erste Annäherung. Deutschland will Flagge zeigen und seine Unterstützung anbieten bei den tiefgreifenden Reformprozessen, die Präsident Raúl Castro vor fünf Jahren angestoßen hat. „Wir haben unterschiedliche politische und wirtschaftliche Systeme und unterschiedliche Vorstellungen von Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit. Aber wir nehmen in Kuba eine Öffnung wahr, die wir aktiv begleiten möchten und zu der wir mit unseren Transformationserfahrungen auch einiges anzubieten haben“, betonte der Minister. Geplant sind bei dem anderthalbtägigen Besuch Treffen mit mehreren Ministern sowie Vertretern der Zivilgesellschaft und der Kirche.
Das plötzliche europäische Interesse an Havanna haben zu einem Gutteil die USA ausgelöst, als Präsident Barack Obama am 17. Dezember den Kalten Krieg in der Karibik überraschend für beendet erklärte und Kuba von der Feindesliste Washingtons strich. Die EU fürchtet, durch die neue Annäherung zwischen Havanna und Washington Investitionschancen zu verlieren und bei der Gestaltung des Umbruchs auf der Insel ausgegrenzt zu bleiben.
Bislang kein politisches Abkommen Dabei war Europa lange der wichtigste Wirtschafts- und einer der intensivsten Dialogpartner Kubas, bis 2003 wegen der Festnahme von 75 Dissidenten die Kooperation auf ein Mindestmaß reduziert wurde. Nach Freilassung der Oppositionellen suchte Brüssel 2008 erstmals wieder eine Annäherung an Havanna, aber nach wie vor hält die Union grundsätzlich an der „gemeinsamen Position“aus dem Jahr 1996 fest, die eine Kooperation von Fortschritten bei „Menschenrechten und Demokratisierung“abhängig macht. So ist Kuba das einzige große Land in Lateinamerika und der Karibik, mit dem Brüssel kein Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit abgeschlossen hat. Jetzt aber will die EU noch vor Jahresende ein politisches Abkommen mit Kuba schließen.
Trotz der offiziell reduzierten Beziehungen ist die EU nach Venezuela noch immer der zweitwichtigste Handelspartner und größte Investor auf der Insel, verantwortlich für rund die Hälfte der ausländischen Direktinvestitionen. Deutsches Know-how ist besonders bei der Erneuerung der Infrastruktur, der Medizintechnik und Energiegewinnung gefragt. Und so erhofft sich die deutsche Wirtschaft einen Schub durch den Besuch des Außenministers.