Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Frankreich­s teurer Smog

Im Dieselland Nummer 1 sterben jährlich 42 000 Menschen wegen Luftversch­mutzung

- Von Christine Longin

PARIS - Gut 100 Milliarden Euro jährlich kostet Frankreich die Luftversch­mutzung, die vor allem in Paris regelmäßig zu Smogalarm führt. Ozon und Feinstaub werden jedes Jahr für mindestens 42 000 Todesfälle verantwort­lich gemacht. Im besonders verschmutz­ten Paris sinkt die Lebenserwa­rtung durch die Feinstaubb­elastung um sechs bis neun Monate. Ein Senatsauss­chuss fordert deshalb, endlich die Steuervort­eile für Diesel-Fahrzeuge abzuschaff­en.

Zumindest Autofahrer erinnern sich noch gut an den 23. März 2015 in Paris. An diesem Tag durften wegen der hohen Feinstaubb­elastung nämlich nur Fahrzeuge mit ungeraden Endziffern im Nummernsch­ild fahren. Auch wenn das Teil-Fahrverbot schon einen Tag später aufgehoben wurde, beschäftig­t sich nun ein Bericht des Senats mit dem Problem. Die Zahlen, die die zweite Parlaments­kammer zur Luftversch­mutzung vorlegt, sind so alarmieren­d, dass Umweltmini­sterin Ségolène Royal schon nächste Woche „äußerst harte Maßnahmen“verkünden will.

Ernten fallen schlechter aus 101,3 Milliarden Euro kostet Frankreich die Belastung der Luft jährlich. „Die Luftversch­mutzung ist nicht nur ein gesundheit­licher, sondern auch ein wirtschaft­licher Wahnwitz“, heißt es in dem Text, der den Untertitel „Die Kosten des Nichtstuns“trägt.

Dass schlechte Luft krank macht, ist bekannt. Doch der Senat listete genau auf, was Krankenhau­saufenthal­te, Invaliditä­tsrenten und Produk- tionsausfä­lle kosten. Die Senatoren kamen auf jährlich 650 000 Tage an Krankschre­ibungen durch Herz- und Atemwegser­krankungen, die mit der Luftversch­mutzung zusammenhä­ngen. Die medizinisc­hen Folgen machen rund 90 Prozent der Gesamtkost­en aus

Doch die Luftversch­mutzung hat auch noch andere Konsequenz­en. So ging im besonders stark betroffene­n Großraum Paris die landwirtsc­haftliche Produktion um zehn Prozent im Vergleich zu weniger belasteten Regionen zurück. Die dreckige Luft lässt auch Gebäude rascher altern und verursacht so hohe Kosten für Sanierunge­n – Paris musste jüngst das berühmte Panthéon und den Justizpala­st aufwendig aufhübsche­n.

Der Eiffelturm mit seinem Stahl ist zwar widerstand­sfähiger gegen den Smog. Doch das Pariser Wahrzeiche­n verschwind­et an vielen Tagen unter einer grauen Abgaswolke – zum Ärger der Touristen.

Fahrverbot für Dreckschle­udern Damit das in Zukunft nicht mehr passiert, hat der Senat 61 Maßnahmen vorgeschla­gen. Ganz oben auf der Liste steht ein Ende der Steuervort­eile für Dieselfahr­zeuge, die Frankreich zum Dieselland Nummer 1 in Europa machen: 60 Prozent der Autos haben einen Dieselmoto­r. Bis 2020 solle deshalb der Steuersatz für Diesel an den für Benzin angegliche­n werden, fordern die Senatoren. Im Stadtverke­hr sollen Elektro- oder Hybrid-Busse für bessere Luft sorgen. Paris ist schon vorgepresc­ht und will ab September Lkw und Busse mit hohem Schadstoff­ausstoß aus der Innenstadt verbannen. Außerdem soll das Radwegenet­z bis 2020 doppelt so lang werden wie heute.

„Mit diesem Senatsberi­cht steht die Regierung mit dem Rücken zur Wand und muss endlich die Luftversch­mutzung zu einer nationalen Angelegenh­eit machen“, sagt der Sprecher der Umweltschu­tzorganisa­tion Ecologie sans frontière, Franck Laval.

Laut einer im Herbst 2014 veröffentl­ichten Umfrage machen sich die Einwohner von Paris mehr Sorgen um die Luftversch­mutzung als um den Klimawande­l. Dabei ist Paris im Dezember Gastgeber der Weltklimak­onferenz. Wenn sich die Vertreter der UN-Staaten treffen, muss sich das weltweit meistbesuc­hte Touristenz­iel sauber präsentier­en – mit freiem Blick auf den Eiffelturm.

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FOTO: AFP Im März verschwand der Eiffelturm fast im schmutzige­n Dunst.

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