Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Der „Kaiserhof“hat eine bewegte Geschichte
Ursprünglich Getreidespeicher, dann Wagenremise, Baumwollweberei, Möbelgeschäft – Bald wieder Hotel?
RAVENSBURG – Von den Hotelbauplänen, die gegenwärtig im aufstrebenden Ravensburg gewälzt werden, fasziniert Lokalpatrioten mit Sinn für die Geschichte dieser Stadt besonders das Projekt Wiederbelebung des „Kaiserhofs“im Gebäudekomplex Ecke Eisenbahnstraße/Mauerstraße (Möbel Maurer). Wie berichtet, will sich dort ein Unternehmer entsprechend engagieren.
Dazu muss man wissen, dass das Hotel „Kaiserhof“mit dem prachtvollen, weitgehend erhaltenen „Kaisersaal“neben dem größeren, aber längst abgerissenen Hotel Hildenbrand am Bahnhof einst als erste Adresse in Ravensburg galt. Über die bewegte Geschichte des Gebäudekomplexes ist in den „AltstadtAspekten 2009/10“des Bürgerforums Altstadt Ravensburg ein sehr informativer, mit historischen Aufnahmen illustrierter Beitrag nachzulesen. Verfasser: der Ravensburger Historiker Alfred Lutz.
Sitz des Deutschen Ordens Lutz weist darin nach, dass an der westlichen Stadtmauer ursprünglich kein Hotel gestanden hat, sondern ein lang gestreckter Getreidestadel des Deutschen Ordens, der bekanntlich gegenüber mit dem Altshauser Hof, 1729/31 durch den berühmten Johann Caspar Bagnato barockisiert, über eine repräsentative Niederlassung in Ravensburg verfügte. Nachdem der Orden 1809 aufgehoben worden war, diente der Altshauser Hof von 1825 bis 1851 als Thurn- und Taxissches Postamt, der Getreidestadel als Wagenremise.
Ein Jahr später erwarb der aus Esslingen stammende Industrielle Otto Deffner (1818 bis 1878), ein politisch engagierter liberaler Demokrat, der bereits bei der Revolution von 1848/49 in Ravensburg eine Rolle ge- spielt hatte, den Altshauser Hof samt Stadel beziehungsweise Remise und eröffnete in dem fortan „Deffnerbau“genannten lang gestreckten Gebäude 1856 eine Baumwollweberei und -stickerei, in der 1860 bereits über 100 Arbeiter beschäftigt waren.
Nach seinem Tod erwarb 1899 der vermögende Ravensburger Textilkaufmann und Gemeinderat Georg Möhrlin (1844 bis 1917) den Gebäudekomplex. Möhrlin muss ein unternehmungslustiger Mann gewesen sein, denn 1903 hat er nicht nur das traditionsreiche Hotel „Lamm“er- worben, sondern gab auch seinen Plan bekannt, den Deffnerbau zu einem modernen Hotel und Gasthaus „ersten Ranges“umzubauen. Dabei ließ er die kühne Idee in die Tat umsetzen, den Gebäudekomplex so weit anheben zu lassen, um ein höheres, massives Erdgeschoss, nicht zuletzt für die geplanten repräsentativen Säle, dazwischenschieben zu können. „Die viel bestaunte Aktion gelang im Laufe des Jahres 1905 am Hauptgebäude planmäßig und ohne jeglichen Unfall“, schreibt Historiker Lutz. Doch als auch das dazugehörige Ge- Benannt war das Hotel „ Kaiserhof“nach dem nur einen Steinwurf entfernten, 1890 eingeweihten Denkmal für Kaiser Wilhelm I., das noch heute in der Grünanlage Ecke Eisenbahnstraße/ Karlstraße zu finden ist. Zwischen dem Hotelkomplex und dem Denkmal befand sich früher der „ Kaiserhof- Garten“mit Terrasse. Durch die Karlstraße rollte damals der Verkehr noch nicht Tag und Nacht dreispurig. Der baumbestandene Grüngürtel an ihr entlang war breiter. Als Ravensburger Prachtstraße, von der noch heute stilvolle, teils mustergültig bäude Eisenbahnstraße 24 gehoben werden sollte, fiel es plötzlich mit lautem Getöse in sich zusammen. Glücklicherweise wurden nur ein Arbeiter und ein Passant leicht verletzt. Das Trümmerfeld, das fotografisch überliefert ist, lockte damals viele Schaulustige an.
Man baute das eingestürzte Gebäude vollständig wieder auf und schließlich konnte das neue Hotel, errichtet nach Plänen des Ravensburger Architekten Hermann Kiderlen (1874 bis 1957), im Februar 1906 mit einem „solennen Früh-Schop- sanierte Villen zeugen, die aber nach dem Krieg auch von Bausünden nicht verschont blieb, lud sie zum Flanieren ein. Im Hotel befand sich an der Nordseite des Kaisersaales eine Büste der kaiserlichen Majestät. Und bei der Hotel- Eröffnung im Februar 1906 fand ein „ Festessen zur Feier des hohen Geburtstages Seiner Majestät des Königs“( Wilhelm II. von Württemberg) statt. Man hatte es damals eben mit den gekrönten Häuptern. Vielfach wurde der Kaisersaal, der mit seiner Stuckdecke vorzüglich erhalten ist, für Festlichkeiten pen“sowie einem „Festball und Redoute“feierlich eröffnet werden. 30 Zimmer standen den Gästen fortan in den Obergeschossen zur Verfügung. Sie gelangten vom Foyer ins erste Obergeschoss über eine bis heute erhalten gebliebene, kunstvoll verzierte Treppe unter einem Glasdach, wo der Blick auf einen prächtigen Kronleuchter fällt. Die Gästezimmer mit Stuck verzierten Decken, in denen derzeit noch edle Möbel präsentiert werden, sind auch sehr gut erhalten, sogar Originalparkett. Übrigens verfügte das Hotel Kaiserhof bereits in den Zwanzigern des vergangenen Jahrhunderts nicht nur über eine Garage für 22 Automobile, sondern auch über einen Reparatur-Service und eine Tankstelle.
Hotel wird Möbelhaus Die restliche Geschichte des zweiflügeligen Hotelkomplexes ist rasch erzählt. 1940 ging er nach dem Tod des Hoteliers Friedrich Hummel, der Nachfolger des Gründers Eduard Möhrlin war, in den Besitz des Möbelhändlers Karl Maurer über. Kurz vor Kriegsende nutzten das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und auch das Schweizerische Konsulat das Hotel teilweise. Nach dem Krieg waren Teile von der französischen Besatzungsmacht beschlagnahmt und dort residierte ein französischer General.
Seit den Fünfzigern des vergangenen Jahrhunderts wurde der Komplex mehrfach für Zwecke des Möbelhauses umgebaut, doch immer so, dass erkennbar blieb, um was für eine großartige neubarocke Architektur es sich hier handelt. Abgebrochen wurde 2009 nur der nördlichste Teil des ehemaligen Kaiserhofes an der Mauerstraße, sowie ein in den Fünfzigern errichtetes Nachbargebäude, und durch einen Neubau der Stiftung Bruderhaus mit betreuten Wohnungen ersetzt. vermietet. Angesehene örtliche Vereine hielten dort Versammlungen ab. Konzerte, Bälle und Vorträge fanden statt. Konkurrenz machte dem Kaiserhof das ebenfalls nach Plänen von Architekt Hermann Kiderlen 1906 umgebaute und erweiterte Bahnhofshotel Hildenbrand, das mit über 80 Fremdenzimmern und mehreren Sälen als größtes Hotel in Oberschwaben gelten konnte. Längst abgerissen ( heute befindet sich dort die Post), zählte es nach dem Krieg auch Bundeskanzler Konrad Adenauer zu seinen Gästen. ( gp)