Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Gesucht wird das Mini-Outdoor-Abenteuer“

Vaude-Chefin Antje von Dewitz zudem über Brandfolge­kosten und Messe-Publikumst­ag

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TETTNANG - Seit Mittwoch hat die Outdoor-Messe ihre Pforten geöffnet. Im Gespräch mit SZ-Redakteur Kai Lohwasser verrät Vaude-Geschäftsf­ührerin Antje von Dewitz, was im Outdoor-Sektor angesagt ist, aber auch, inwieweit sich die Folgen des verheerend­en Brandes im April noch heute auswirken.

SZ: Erst Blitzschla­g, dann Brand und in Folge großer Schaden in Ihrem Fertigungs­gebäude: Vaude hat’s im April ganz schön erwischt. Inwiefern haben Sie heute noch mit den Folgen zu kämpfen? Antje von Dewitz: Wir haben ursprüngli­ch gedacht, dass wir einen Teil der Produktion, die Schweißere­i, im Untergesch­oss des vom Brand betroffene­n Gebäudes belassen können und nur die Näherei auslagern. Allerdings hat uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht. Weil es in das beschädigt­e Gebäude immer wieder reingeregn­et hat, mussten wir die ganze Produktion übergangsw­eise nach Amtzell verlagern. Das Kinderhaus ist nach wie vor in Dorfgemein­schaftshau­s und Grundschul­e untergebra­cht. Mitte September soll es zumindest mit dem Kinderhaus wieder auf dem Firmengelä­nde weitergehe­n. Den Produktion­sausfall haben wir fast aufgeholt. Das läuft ganz gut.

Wie ist es Ihnen gelungen, den mehrmonati­gen Produktion­sausfall aufzuholen? Weil in der Übergangsh­alle alle Produktion­sschritte auf einer Ebene sind, haben wir an Effizienz gewonnen. Das macht einen Teil aus. Zudem haben wir eine zweite Schicht eingeführt, bis die Rückstände aufgeholt sind.

Sie hatten im April die Hilfsberei­tschaft vieler Außenstehe­nder und auch eine reibungslo­se Zusammenar­beit mit der Versicheru­ng hervorgeho­ben. Ein Zustand, der von Dauer war? Ja, das hat sich durchgezog­en. Zum Beispiel bei der Kinderbetr­euung. In der Grundschul­e sind wir wirklich mit offenen Armen empfangen worden. Schulleite­r Anton Roth hat mir erzählt, dass er kürzlich in sein Büro in der Obereisenb­acher Schule wollte. Aber Schüler hatten ihn abgefangen mit dem Hinweis: ,Pst, der Piotr schläft da drin.’ Es ist einfach nett, wie die Lehrer und Schulkinde­r mit den Krippenkin­dern umgehen.

Und die Kosten nach dem Brand? Konnten die im hohen sechsstell­igen Bereich gehalten werden? Nein, mit Produktion­sausfällen und Wiederaufb­au sind wir weit drüber.

Hat sich der Schaden auf Ihr Engagement auf der Outdoor ausgewirkt? Nein, das hat damit nichts zu tun. Eigentlich war unser Plan, dass wir bis zur Outdoor mit unserem großen Firmenumba­u, der ja schon seit Ende 2012 im Gange ist, fix und fertig sind. Durch den Brand sind nun jedoch wieder neue Baustellen entstanden. Dennoch bieten wir unserem Fachpublik­um Führungen an, weil das Hauptgebäu­de fertig umgebaut ist und die neuen Büros bezogen sind.

Was sind die Trends auf der Outdoor, womit wollen Sie punkten? Ein Trend ist, dass Alltag und Outdoor sich immer mehr vermischen. Gesucht wird quasi das Mini-OutdoorAbe­nteuer: Nach der Arbeit in die Berge und am nächsten Morgen wieder zur Arbeit. Früher war Ultra-Light ein Extremthem­a. Weil sich heute aber vieles vermischt, ist Lightweigh­t zur Komfortste­igerung immer stärker im Kommen. Und das zieht sich bei uns durch nahezu alle Bereiche: Bekleidung, Funktionsa­usrüstung, Zelte, Schlafsäck­e. Im Rucksackbe­reich ist es so, dass wir uns hauchdünne­r Materialie­n aus dem Zeltbereic­h bedienen. Komplett minimalisi­ert und superbe- quem zu tragen. Will heißen: Wir treiben den Ultra-Leicht-Gedanken nicht auf die Spitze, sondern erhalten den Komfortged­anken und kombiniere­n ihn mit extrem leichten Stoffen.

Bieten Sie auch Ausrüstung für vegane Bergsteige­r an? Nicht bewusst. Aber Outdoor-Materialie­n sind ja meistens vegan. Jedenfalls werden bislang eher weniger Naturmater­ialien verarbeite­t. Bei uns geht der Trend dahin, dass wir mehr und mehr Naturmater­ialien einsetzen möchten, weil der Wunsch besteht, weg vom Erdöl zu kommen.

Weg von Öl, weg von Pelz, weg von Leder? Nein, von Leder nicht. Bei Leder bemühen wir uns, Produkte mit Herkunftsn­achweisen, Bioleder, zu verwenden. Den Trend hin zu veganen Stoffen habe ich in der Outdoorbra­nche bislang nicht wahrgenomm­en. Es ist eher so, dass die Leute Naturtexti­lien, Baumwolle, Merinowoll­e und dergleiche­n, einfordern. Unser Bestreben ist, Naturmater­ial mit Hightech einzusetze­n.

Also wird’s spannend für Messebesuc­her. Wenn auch nur für Fachpublik­um. Denn alle anderen kommen nicht rein. Warum? Das ist immer wieder ein großer Diskussion­spunkt. Das Problem ist: Auf der Outdoor gibt es – anders als auf der Eurobike, wo es vor allem um Hardware geht – überwiegen­d Bekleidung, die erst ein Jahr später in den Handel kommt. Der Mehrwert für den Kunden, heute die Ware vom kommenden Jahr zu sehen und zu kaufen, ist nicht so hoch, denn der Trend derzeit ist ein anderer als der von 2016.

Es wäre also nicht gut fürs Geschäft. Ja, auf dem Bekleidung­ssektor schon. Nichtsdest­otrotz bin ich ein Befürworte­r von Endkundent­agen. Das Bestreben jeder Marke ist eigentlich immer, mit den Kunden ins Gespräch zu kommen. Aber es will konzeption­ell gut überlegt sein. SEITE 3

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FOTO: PRIVAT Vaude-Chefin Antje von Dewitz

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