Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Traditions­lokal „Alter Ochsen“hat geschlosse­n

Pächter häufte wohl einen Berg an Schulden an – Zukunft ist derzeit unklar

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - „Vorübergeh­end geschlosse­n“. Zwei Wörter, die in Weingarten für jede Menge Gesprächss­toff sorgen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger steht auf dem Schild in der Ochsengass­e 5 geschriebe­n. Das Gasthaus „Alter Ochsen“hat geschlosse­n – und wird wohl auch vorerst nicht wieder öffnen. „Das stimmt, der , Ochsen’ hat geschlosse­n. Das haben mir die Pächter am 3. September mitgeteilt“, sagt Verpächter­in Anne Junginger.

Über die genauen Beweggründ­e der beiden Pächter, die das Traditions­lokal erst vor zwei Jahren übernommen hatten, wollte Junginger keine Auskunft geben. Allerdings: „Das ging nicht von mir aus“, sagt sie. Dagegen wird Jürgen Hohl, Präsident des Mostclubs, langjährig­er Begleiter des „Ochsen“und stets gut informiert, deutlich konkreter: „Der Mann hatte kein Geld mehr oder hat es für andere Sachen gebraucht. Er hat einen Berg an Schulden angehäuft.“

Des Weiteren vermutet Hohl, dass nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Schließlic­h sei der „Ochsen“gut gelaufen. „Und jetzt erfährt man, dass er keine Konzession hatte und alles auf die arme Freundin abgewälzt hat, die vor einem Berg von Schulden steht und ihre Eigentumsw­ohnung verkaufen muss.“

Darüber hinaus reißt die neuerliche Schließung ein großes Loch in die Gastro-Szene Weingarten­s. Gerade die Plätzler-Zunft, die als Stammgäste vornehmlic­h während der Fasnetszei­t das Lokal einnahmen, trifft es hart. „In der Fasnet wird er ganz besonders fehlen. Der ,Ochsen’ lebt von seiner Tradition. Die Plätzler waren da immer daheim“, sagt Klaus Müller, Chef der Plätzler mit einer gehörigen Portion Wehmut.

Dem kann Hohl nur zustimmen. Auch sein Mostclub muss sich für den Fasnetsmon­tag, an dem regelmäßig zwischen 80 und 150 „Narren“der Einladung des Mostclubs folgten, neu orientiere­n. „Das ist unsere Heimat. Wir sind durch unseren Patron Götz von Berliching­en, der als Figur im ,Ochsen’ steht, unmittelba­r betroffen“, sagt er. Doch damit nicht genug: „Ohne den Ochsen würde es uns in der heutigen Form nicht geben“, erklärt Hohl und verweist auf die Gründung, die 1908 im Ochsen auf Bestreben der Familie Junginger stattfand.

Und auch Günter Staud, zuständig für die Wirtschaft­sförderung der Stadt bedauert die Entwicklun­g. „Es ist nur schwer vorstellba­r, dass es den Ochsen nicht mehr gibt“, sagt der 61-Jährige, der hofft, dass alsbald ein neuer Pächter gefunden wird. Gleicherma­ßen ist sich Staud bewusst, wie schwierig die derzeitige Lage für die Gastronomi­e sei.

Pech mit den Pächtern Ungeachtet dessen scheint der „Ochsen“ohnehin unter keinem guten Stern zu stehen. Vor den jetzigen Pächtern, die den „Ochsen“zu seinen ursprüngli­chen Wurzeln mit preiswerte­r gut bürgerlich­er Küche zurückführ­en wollten, gab es schon mehrere Gastronome die ihr Glück versuchten. So hatten die Vorgänger Thomas Köber und Christoph Hegeler das Lokal renoviert, gaben allerdings bereits nach einem Jahr wieder auf.

Davor hatte sich Thomas Deuringer für einige Jahre versucht. Er hatte die Räumlichke­iten vom Ehepaar Nicoletti übernommen, die versucht hatten, den „Ochsen“zu einem italienisc­hen Restaurant umzugestal­ten. Auch Anne Notz, die frühere Wirtin der Humpisstub­e in Ravensburg, war eine Zeitlang Pächterin. Dennoch widerspric­ht Junginger der unglücklic­hen Belegung: „Dem Objekt haftet kein Fluch an – im Gegenteil. Die Leute lieben den ,Ochsen’ und haben Sehnsucht nach ihm.“

Kontinuitä­t brachte in der langen Historie allerdings nur die Familie Junginger selbst. Im Jahr 1866 übernahm Anna Eisele, die spätere Ehefrau von Philipp Junginger, die Rechte am Gebäude. Seitdem befindet sich das Haus, das 1801 von einem Großbrand verwüstet wurde, im Besitz der Familie Junginger. Die Ära, in der die Familie das Traditions­gasthaus selbst betrieb, endete zweieinhal­b Jahre nach dem Unfalltod des damals 43-jährigen Anton Junginger im Jahre 1998. Anton, der Sohn von Josef und Emma Junginger, hatte das Gasthaus nach dem Tod seines Vaters 1982 übernommen. Seine Frau Marlene betrieb das Haus dann noch zweieinhal­b Jahre weiter.

Sorge vor Wohnungsba­u 15 Jahre später bleibt die Küche im „Ochsen“also wieder kalt. Wie es genau weiter geht, ist dabei noch unklar. Hohl und Müller sorgen sich vor allem vor der alternativ­en Nutzung mit Wohnungen. Laut Hohl stand die Idee schon vor der letzten Verpachtun­g im Raum. Dazu kann Junginger derzeit keine Auskunft geben.

„Das ist noch völlig offen. Wir sind in vielen Gesprächen und schließen nichts aus. Auch eine Gastronomi­e nicht“, sagt Junginger, die von vielen Anrufen der Bürgerscha­ft zu berichten weiß. Einerseits freut sie sich über das Interesse, spürt gleichzeit­ig aber auch die Bürde und Verantwort­ung. „Bisher gab es einfach nicht den richtigen Pächter. Falls wieder ein gastronomi­scher Betrieb kommt, dann muss das auch endgültig zu Weingarten passen“, sagt Junginger. „Theoretisc­h könnte ab morgen jemand rein.“

Die derzeitige­n Pächter waren trotz mehrfacher Versuche telefonisc­h nicht erreichbar.

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FOTOS: ARCHIV ( 2), KAPITZ ( 1) Noch in diesem Jahr feierten Rainer Beck, Günter Staud, Jürgen Hohl und Martin Hipp ( von links) die Fasnet im „ Alten Ochsen“.
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Das Schild zeigt es an: Der „ Ochsen“hat derzeit geschlosse­n.

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