Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Traditionslokal „Alter Ochsen“hat geschlossen
Pächter häufte wohl einen Berg an Schulden an – Zukunft ist derzeit unklar
WEINGARTEN - „Vorübergehend geschlossen“. Zwei Wörter, die in Weingarten für jede Menge Gesprächsstoff sorgen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger steht auf dem Schild in der Ochsengasse 5 geschrieben. Das Gasthaus „Alter Ochsen“hat geschlossen – und wird wohl auch vorerst nicht wieder öffnen. „Das stimmt, der , Ochsen’ hat geschlossen. Das haben mir die Pächter am 3. September mitgeteilt“, sagt Verpächterin Anne Junginger.
Über die genauen Beweggründe der beiden Pächter, die das Traditionslokal erst vor zwei Jahren übernommen hatten, wollte Junginger keine Auskunft geben. Allerdings: „Das ging nicht von mir aus“, sagt sie. Dagegen wird Jürgen Hohl, Präsident des Mostclubs, langjähriger Begleiter des „Ochsen“und stets gut informiert, deutlich konkreter: „Der Mann hatte kein Geld mehr oder hat es für andere Sachen gebraucht. Er hat einen Berg an Schulden angehäuft.“
Des Weiteren vermutet Hohl, dass nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Schließlich sei der „Ochsen“gut gelaufen. „Und jetzt erfährt man, dass er keine Konzession hatte und alles auf die arme Freundin abgewälzt hat, die vor einem Berg von Schulden steht und ihre Eigentumswohnung verkaufen muss.“
Darüber hinaus reißt die neuerliche Schließung ein großes Loch in die Gastro-Szene Weingartens. Gerade die Plätzler-Zunft, die als Stammgäste vornehmlich während der Fasnetszeit das Lokal einnahmen, trifft es hart. „In der Fasnet wird er ganz besonders fehlen. Der ,Ochsen’ lebt von seiner Tradition. Die Plätzler waren da immer daheim“, sagt Klaus Müller, Chef der Plätzler mit einer gehörigen Portion Wehmut.
Dem kann Hohl nur zustimmen. Auch sein Mostclub muss sich für den Fasnetsmontag, an dem regelmäßig zwischen 80 und 150 „Narren“der Einladung des Mostclubs folgten, neu orientieren. „Das ist unsere Heimat. Wir sind durch unseren Patron Götz von Berlichingen, der als Figur im ,Ochsen’ steht, unmittelbar betroffen“, sagt er. Doch damit nicht genug: „Ohne den Ochsen würde es uns in der heutigen Form nicht geben“, erklärt Hohl und verweist auf die Gründung, die 1908 im Ochsen auf Bestreben der Familie Junginger stattfand.
Und auch Günter Staud, zuständig für die Wirtschaftsförderung der Stadt bedauert die Entwicklung. „Es ist nur schwer vorstellbar, dass es den Ochsen nicht mehr gibt“, sagt der 61-Jährige, der hofft, dass alsbald ein neuer Pächter gefunden wird. Gleichermaßen ist sich Staud bewusst, wie schwierig die derzeitige Lage für die Gastronomie sei.
Pech mit den Pächtern Ungeachtet dessen scheint der „Ochsen“ohnehin unter keinem guten Stern zu stehen. Vor den jetzigen Pächtern, die den „Ochsen“zu seinen ursprünglichen Wurzeln mit preiswerter gut bürgerlicher Küche zurückführen wollten, gab es schon mehrere Gastronome die ihr Glück versuchten. So hatten die Vorgänger Thomas Köber und Christoph Hegeler das Lokal renoviert, gaben allerdings bereits nach einem Jahr wieder auf.
Davor hatte sich Thomas Deuringer für einige Jahre versucht. Er hatte die Räumlichkeiten vom Ehepaar Nicoletti übernommen, die versucht hatten, den „Ochsen“zu einem italienischen Restaurant umzugestalten. Auch Anne Notz, die frühere Wirtin der Humpisstube in Ravensburg, war eine Zeitlang Pächterin. Dennoch widerspricht Junginger der unglücklichen Belegung: „Dem Objekt haftet kein Fluch an – im Gegenteil. Die Leute lieben den ,Ochsen’ und haben Sehnsucht nach ihm.“
Kontinuität brachte in der langen Historie allerdings nur die Familie Junginger selbst. Im Jahr 1866 übernahm Anna Eisele, die spätere Ehefrau von Philipp Junginger, die Rechte am Gebäude. Seitdem befindet sich das Haus, das 1801 von einem Großbrand verwüstet wurde, im Besitz der Familie Junginger. Die Ära, in der die Familie das Traditionsgasthaus selbst betrieb, endete zweieinhalb Jahre nach dem Unfalltod des damals 43-jährigen Anton Junginger im Jahre 1998. Anton, der Sohn von Josef und Emma Junginger, hatte das Gasthaus nach dem Tod seines Vaters 1982 übernommen. Seine Frau Marlene betrieb das Haus dann noch zweieinhalb Jahre weiter.
Sorge vor Wohnungsbau 15 Jahre später bleibt die Küche im „Ochsen“also wieder kalt. Wie es genau weiter geht, ist dabei noch unklar. Hohl und Müller sorgen sich vor allem vor der alternativen Nutzung mit Wohnungen. Laut Hohl stand die Idee schon vor der letzten Verpachtung im Raum. Dazu kann Junginger derzeit keine Auskunft geben.
„Das ist noch völlig offen. Wir sind in vielen Gesprächen und schließen nichts aus. Auch eine Gastronomie nicht“, sagt Junginger, die von vielen Anrufen der Bürgerschaft zu berichten weiß. Einerseits freut sie sich über das Interesse, spürt gleichzeitig aber auch die Bürde und Verantwortung. „Bisher gab es einfach nicht den richtigen Pächter. Falls wieder ein gastronomischer Betrieb kommt, dann muss das auch endgültig zu Weingarten passen“, sagt Junginger. „Theoretisch könnte ab morgen jemand rein.“
Die derzeitigen Pächter waren trotz mehrfacher Versuche telefonisch nicht erreichbar.