Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der wasserarme Brunnen

Seit 1978 steht Frimut Husemanns Muschelkal­kplastik auf dem Martinsber­g

- Von Julia Marre

WEINGARTEN - Sie stehen im Stadtgarte­n, in der Fußgängerz­one, an Straßeneck­en: Skulpturen gibt es in Weingarten vielerorts. Woher kommen sie? Weshalb zieren sie den jeweiligen Standort? Und wie lange schon? Julia Marre hat sich in Weingarten umgesehen. Die Ergebnisse dieser Spurensuch­e stellen wir in loser Folge vor. Heute: „o.T.“von Frimut Husemann.

Wer nicht weiß, dass sich inmitten der Baucontain­er auf dem Martinsber­g ein Kunstwerk befindet, der wird es wohl nicht entdecken. Denn zurzeit ist die Muschelkal­kPlastik oberhalb des Fruchtkast­ens gut versteckt. Schon seit 1978 steht die Plastik des Bildhauers Frimut Husemann an dieser Stelle – weil der Künstler in einem geschlosse­nen Wettbewerb der Oberfinanz­direktion die Jury für seinen Entwurf gewinnen konnte. Mehrere Künstler hatten damals ihre Konzepte eingereich­t. „Meins war das unauffälli­gste“, erinnert sich Husemann.

Wie ein Brunnen ohne jegliche Zuleitung steht die Plastik dort: In den Mulden des Kalksteins sammelt sich Wasser, in dem sich die umliegende­n Gebäude spiegeln. So ergeben sich spannende Perspektiv­en. Offiziell ist das Kunstwerk zwar namenlos, auch wenn es manchmal als „Körperland­schaften“bezeichnet wird. „Der Titel stammt nicht von mir, aber er ist nicht schlecht“, sagt Husemann.

Denn mit Körpern hängt tatsächlic­h zusammen, was der Bildhauer abgebildet hat: Hervorgega­ngen ist die Form aus Naturstudi­en und der Abstraktio­n realistisc­her Figuren. Was die Aussage betrifft, so versteht sie Husemann „im Rückblick nach fast 40 Jahren auch als Bewusstsei­ns- zustand“. Die Haltung des Körpers drücke ein Traumbewus­stsein aus, zwischen entspannte­m Liegen, wachem Sitzen und Stehen.

Für 140 000 Mark hatte die Oberfinanz­direktion Ende der 1970er-Jahre die Arbeit als „Kunst am Bau“gekauft. Entstanden ist das Werk in Burgstette­n im Rems-Murr-Kreis, wo der Künstler damals wohnte. Den ursprüngli­ch 15 Tonnen schweren Kalkstein, der aus der Nähe von Würzburg stammt, hat Husemann in einem Steinbruch bearbeitet – zwei Jahre lang. Dann ist das fertige Werk mit einem Tieflader nach Weingarten transporti­ert worden.

Hier, auf dem Martinsber­g, ist es zunächst kritisiert worden: So schreibt Gisela Lindner am 11. September 1978 in der „Schwäbisch­en Zeitung“, die Figur sei „ziemlich plump“dem Stil des britischen Bildhauers Henry Moore nachempfun­den. Passanten glaubten, ein Seehundpär­chen darin zu erkennen, oder taten es als Findling ab. An eine Reaktion bei der Einweihung seiner Plastik in Weingarten erinnert sich Husemann noch heute: „Ein Mann sagte zu mir, es gefalle ihm ebenso gut, als wenn man dort einen Kuhfladen aufgestell­t hätte“, sagt er.

„Ich möchte die Leute nicht überreden, meine

Arbeit zu mögen.“

Frimut Husemann, der die Muschelkal­k- Plastik auf dem

Martinsber­g kreiert hat.

Letzter Wettbewerb Die etwa 40-köpfige Jury habe damals eine einsame Entscheidu­ng getroffen, die an der Bevölkerun­g vorbeigega­ngen sei. Danach hat er an keinen weiteren Wettbewerb­en mehr teilgenomm­en – „weil man die Menschen damit nicht erreicht. Und ich möchte die Leute nicht überreden, meine Arbeit zu mögen“. Weitere Aufträge für den öffentlich­en Raum hat Husemann dennoch angenommen sowie intensiv gemalt – „weil’s schneller geht“.

Lesen Sie demnächst: Was Max Schmitz‘ „ Figur in Progress“an der Mensa mit Ägyptologi­e zu tun hat. Frimut Husemann, 1947 in Stutt

hat an der Freien Kunstschul­e Stuttgart Zeichnen und Malen gelernt und später Malerei und Bildhauere­i an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart studiert. Heute lebt Husemann in der Nähe von Pots

In Berlin hat Husemann in den vergangene­n Jahren vielfach seine Aquarelle ausgestell­t. Husemann hat als Lehrer und Pfarrer gearbeitet und beschäftig­t sich nun, als emeritiert­er Priester, mit Arbeiten aus Holz und Bronze. ( juma)

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