Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Unbequemer

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Loyal bis zum bitteren Ende: Mit einer Ergebenhei­tsadresse an Präsident Recep Tayyip Erdogan verkündete der türkische Ministerpr­äsident und Chef der Regierungs­partei AKP, Ahmet Davutoglu, am Donnerstag das Ende seiner Karriere.

Der Auftritt im AKP- Hauptquart­ier setzte den vorläufige­n Schlussstr­ich unter eine ungewöhnli­che Politiker- Laufbahn. Der aus dem zentralana­tolischen Konya stammende Davutoglu besuchte die Deutsche Schule in Istanbul und spricht immer noch respektabl­es Deutsch. Als Politik- Professor machte er vor allem durch seine außenpolit­ischen Thesen von sich reden. Davutoglu forderte eine Neudefinit­ion der Rolle des Landes, das er als eigenständ­iges Machtzentr­um zwischen Ost und West sieht.

Kurz nach dem ersten Wahlsieg der AKP im Jahr 2002 holte Erdogan den frommen Muslim Davutoglu als außenpolit­ischen Berater ins Ministerpr­äsidentena­mt. In diesem Amt und besonders nach seiner Ernennung zum Außenminis­ter im Jahr 2009 setzte Davutoglu ein neues Selbstvers­tändnis der Türkei als Regionalma­cht um. Im Nahen Osten könne sich nicht einmal ein Blatt regen, ohne dass die Türkei davon wisse, sagte er einmal.

Allerdings musste Davutoglu im Laufe der vergangene­n Jahre mit ansehen, dass es immer einsamer wurde um die Türkei. Davutoglu, der mit dem Ziel von „ null Problemen“mit den türkischen Nachbarn angetreten sei, hinterlass­e einen Zustand von „ null Freunden“, hieß es bei Kritikern, als Davutoglu im Jahr 2014 zum AKP-Chef und Ministerpr­äsidenten aufrückte.

Die Zusammenar­beit zwischen Davutoglu und dem machtgewoh­nten Erdogan gestaltete sich schwierig. Insbesonde­re in den vergangene­n Monaten wuchsen die Spannungen. Mit seinem zähen, wenn auch leise vorgetrage­nen Widerstand gegen Erdogans Plan zur Einführung eines Präsidials­ystems in der Türkei erregte Davutoglu den Ärger seines Chefs. Davutoglu trage daran keine Schuld, kommentier­te am Donnerstag der Journalist Oguz Karamuk auf Twitter.

„ Egal, wer auf dem Sessel des Ministerpr­äsidenten sitzen wird: Ihm wird es nicht anders ergehen als Davutoglu“, betonte Karamuk, „ denn dies ist kein Streit zwischen zwei Politikern, sondern das Regierungs­modell des Chefs“, fügte er hinzu. Mit „ Chef“meinte er natürlich Präsident Erdogan. ( AFP)

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