Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ausstellun­g zeigt Vielfalt der Rituale

Wallfahrts­museum in Steinhause­n zeigt Bräuche von der Steinzeit bis zur Gegenwart

- Von Katrin Bölstler

STEINHAUSE­N - Das Wallfahrts­museum in Steinhause­n bei Bad Schussenri­ed zeigt bis zum 9. Oktober eine Ausstellun­g, die die Große Landesauss­tellung „4000 Jahre Pfahlbaute­n“ergänzen will. Die Ausstellun­g „Kult, Magie und Rituale – von der Steinzeit bis zur Gegenwart“setzt sich damit auseinande­r, wie überall auf der Welt Völker mit den Themen Geburt, Ahnenvereh­rung, Glaube und Tod umgegangen sind. Einige der gezeigten Objekte sind sehr alt, andere stammen aus der Gegenwart.

Initiatori­n ist die Bad Schussenri­ederin Hansi Schmehle-Knöpfler. Die ausgestell­ten Kunstobjek­te stammen entweder aus der Sammlung ihres Mannes Peter Knöpfler und ihr selbst oder aus der ihres Sohn David Schmehle, der die Sammelleid­enschaft seiner Eltern geerbt hat. Das Wallfahrts­museum, das sich direkt neben der Wallfahrts­kirche in Steinhause­n befindet, ist in einem kleinen alten Holzhaus untergebra­cht. Eine steile Holztreppe führt hinauf in die Ausstellun­g. Das Museum verteilt sich auf drei Räume, die von oben bis unten mit teils kurios anmutenden Funden bestückt sind.

Hansi Schmehle-Knöpfler hat zu jedem Stück, zu jeder noch so kleinen Figur, eine Geschichte zu erzählen. Und obwohl die Psychother­apeutin berufstäti­g ist, nimmt sie sich die Zeit, drei Mal die Woche das Museum ein paar Stunden zu öffnen und Besucher durch die Ausstellun­g zu führen. Bei ihren Erzählunge­n werden die alten Puppen und Masken wieder lebendig und vor allem bei älteren Besuchern werden dabei Erinnerung­en wach an Rituale und Bräuche aus der eigenen Kindheit.

Die ausgestell­ten Objekte haben alle eins gemeinsam: Sie sind Zeugnisse eben dieser Rituale und Bräuche. Und das Erstaunlic­he dabei: So fremd uns mancher dieser Bräuche im ersten Moment vorkommt, im Kern ähneln sich die meisten doch sehr. „Alle Menschen haben zu jeder Zeit und überall auf der Welt versucht, wichtige Ereignisse im Leben mithilfe von Ritualen zu verarbeite­n“, erklärt Schmehle-Knöpfler.

So zeigt die Ausstellun­g unter anderem Rituale, um ein Neugeboren­es zu schützen. Die Angst, dass böse Geister dem Kind etwas antun könnten, war in vielen Kulturen fest verankert. Schmehle-Knöpfler erzählt, dass es in Deutschlan­d lange üblich war, dass ein Neugeboren­es das Haus die ersten acht Tage nicht verlassen durfte. Zudem wurden dem Kind bestimmte Kräuter unter das Kissen gelegt. Bei der Taufe legten die Eltern dem Säugling oft etwas Schützende­s über den Kopf, um es vor bösen Geistern zu verbergen. Zum Vergleich: In Thailand war es lange üblich, den Neugeboren­en Mützen mit vielen glitzernde­n und klimpernde­n Elementen aufzusetze­n. Die Hoffnung: Die Geräusche und der glitzernde­n Schmuck sollten die Aufmerksam­keit vom Kind ablenken. Die gleiche Funktion haben Brauthaube­n aus Afghanista­n: Reich geschmückt, sollen sie das Böse blenden.

108 Bände der Werke Buddhas Neben diesen genannten Sammlerstü­cken befinden sich im ersten Raum der Ausstellun­g weitere Objekte rund um das Thema Ahnenvereh­rung. Besonders kurios: der Totenkult der Bembe, einem Stamm aus der Republik Kongo. Die ausgestell­ten Muzidi sind aus Stoff gefertigte Figuren. In ihrem Inneren befinden sich Teile der Gebeine von Verstorben­en. In einem mehrere Tage andauernde­n Ritual werden die Figuren „beseelt“und verkörpern fortan verstorben­e Ahnen. Diese nehmen einen Ehrenplatz im Haus der Familie ein und werden bei wichtigen Entscheidu­ngen um Rat gebeten.

Wie in den Pfahlbaute­n einst die Ahnen verehrt wurden, zeigt die Große Landesauss­tellung mit der Zurschaust­ellung des Kulthauses vom Bodensee. Die im Wallfahrts­museum gezeigten Erinnerung­stafeln der Luba, einem Volk aus dem Kongo, weisen dabei mehrere Parallelen in der Darstellun­g der Ahnen und ihrer Geschichte auf.

Eindeutige Parallelen lassen sich auch im Ritual der spirituell­en Vertiefung finden. Mithilfe einer Gebetskett­e ein Gespräch mit Gott zu führen, ist kein allein christlich­es Ritual. Auch die Muslime treten in Kontakt zu ihrem Gott, indem sie die Perlen der islamische­n Gebetskett­e Mishaba durch die Hand gleiten lassen. Im Hinduismus und Buddhismus heißen die Gebetskett­en Mala und bestehen meist aus 108 Perlen. Während bei den Hindus jedoch jede Perle den Namen eines Gottes bedeutet, verkörpern die Perlen im Buddhismus die 108 Bände der gesammelte­n Werke Buddhas.

 ?? FOTO: KATRIN BÖLSTLER ?? Hansi Schmehle- Knöpfler zeigt zwei Schutzhaub­en: links eine Brauthaube aus Afghanista­n, rechts eine Kinderkapp­e der Akha aus Thailand. Beide sollen böse Geister abwehren. Sowohl die frühe Kindheit als auch die Zeit des Brautstand­es gelten als...
FOTO: KATRIN BÖLSTLER Hansi Schmehle- Knöpfler zeigt zwei Schutzhaub­en: links eine Brauthaube aus Afghanista­n, rechts eine Kinderkapp­e der Akha aus Thailand. Beide sollen böse Geister abwehren. Sowohl die frühe Kindheit als auch die Zeit des Brautstand­es gelten als...

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