Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ausstellung zeigt Vielfalt der Rituale
Wallfahrtsmuseum in Steinhausen zeigt Bräuche von der Steinzeit bis zur Gegenwart
STEINHAUSEN - Das Wallfahrtsmuseum in Steinhausen bei Bad Schussenried zeigt bis zum 9. Oktober eine Ausstellung, die die Große Landesausstellung „4000 Jahre Pfahlbauten“ergänzen will. Die Ausstellung „Kult, Magie und Rituale – von der Steinzeit bis zur Gegenwart“setzt sich damit auseinander, wie überall auf der Welt Völker mit den Themen Geburt, Ahnenverehrung, Glaube und Tod umgegangen sind. Einige der gezeigten Objekte sind sehr alt, andere stammen aus der Gegenwart.
Initiatorin ist die Bad Schussenriederin Hansi Schmehle-Knöpfler. Die ausgestellten Kunstobjekte stammen entweder aus der Sammlung ihres Mannes Peter Knöpfler und ihr selbst oder aus der ihres Sohn David Schmehle, der die Sammelleidenschaft seiner Eltern geerbt hat. Das Wallfahrtsmuseum, das sich direkt neben der Wallfahrtskirche in Steinhausen befindet, ist in einem kleinen alten Holzhaus untergebracht. Eine steile Holztreppe führt hinauf in die Ausstellung. Das Museum verteilt sich auf drei Räume, die von oben bis unten mit teils kurios anmutenden Funden bestückt sind.
Hansi Schmehle-Knöpfler hat zu jedem Stück, zu jeder noch so kleinen Figur, eine Geschichte zu erzählen. Und obwohl die Psychotherapeutin berufstätig ist, nimmt sie sich die Zeit, drei Mal die Woche das Museum ein paar Stunden zu öffnen und Besucher durch die Ausstellung zu führen. Bei ihren Erzählungen werden die alten Puppen und Masken wieder lebendig und vor allem bei älteren Besuchern werden dabei Erinnerungen wach an Rituale und Bräuche aus der eigenen Kindheit.
Die ausgestellten Objekte haben alle eins gemeinsam: Sie sind Zeugnisse eben dieser Rituale und Bräuche. Und das Erstaunliche dabei: So fremd uns mancher dieser Bräuche im ersten Moment vorkommt, im Kern ähneln sich die meisten doch sehr. „Alle Menschen haben zu jeder Zeit und überall auf der Welt versucht, wichtige Ereignisse im Leben mithilfe von Ritualen zu verarbeiten“, erklärt Schmehle-Knöpfler.
So zeigt die Ausstellung unter anderem Rituale, um ein Neugeborenes zu schützen. Die Angst, dass böse Geister dem Kind etwas antun könnten, war in vielen Kulturen fest verankert. Schmehle-Knöpfler erzählt, dass es in Deutschland lange üblich war, dass ein Neugeborenes das Haus die ersten acht Tage nicht verlassen durfte. Zudem wurden dem Kind bestimmte Kräuter unter das Kissen gelegt. Bei der Taufe legten die Eltern dem Säugling oft etwas Schützendes über den Kopf, um es vor bösen Geistern zu verbergen. Zum Vergleich: In Thailand war es lange üblich, den Neugeborenen Mützen mit vielen glitzernden und klimpernden Elementen aufzusetzen. Die Hoffnung: Die Geräusche und der glitzernden Schmuck sollten die Aufmerksamkeit vom Kind ablenken. Die gleiche Funktion haben Brauthauben aus Afghanistan: Reich geschmückt, sollen sie das Böse blenden.
108 Bände der Werke Buddhas Neben diesen genannten Sammlerstücken befinden sich im ersten Raum der Ausstellung weitere Objekte rund um das Thema Ahnenverehrung. Besonders kurios: der Totenkult der Bembe, einem Stamm aus der Republik Kongo. Die ausgestellten Muzidi sind aus Stoff gefertigte Figuren. In ihrem Inneren befinden sich Teile der Gebeine von Verstorbenen. In einem mehrere Tage andauernden Ritual werden die Figuren „beseelt“und verkörpern fortan verstorbene Ahnen. Diese nehmen einen Ehrenplatz im Haus der Familie ein und werden bei wichtigen Entscheidungen um Rat gebeten.
Wie in den Pfahlbauten einst die Ahnen verehrt wurden, zeigt die Große Landesausstellung mit der Zurschaustellung des Kulthauses vom Bodensee. Die im Wallfahrtsmuseum gezeigten Erinnerungstafeln der Luba, einem Volk aus dem Kongo, weisen dabei mehrere Parallelen in der Darstellung der Ahnen und ihrer Geschichte auf.
Eindeutige Parallelen lassen sich auch im Ritual der spirituellen Vertiefung finden. Mithilfe einer Gebetskette ein Gespräch mit Gott zu führen, ist kein allein christliches Ritual. Auch die Muslime treten in Kontakt zu ihrem Gott, indem sie die Perlen der islamischen Gebetskette Mishaba durch die Hand gleiten lassen. Im Hinduismus und Buddhismus heißen die Gebetsketten Mala und bestehen meist aus 108 Perlen. Während bei den Hindus jedoch jede Perle den Namen eines Gottes bedeutet, verkörpern die Perlen im Buddhismus die 108 Bände der gesammelten Werke Buddhas.