Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Spannend wie ein Krimi

Compañía Nacional de Danza mit einer geheimnisv­ollen „Carmen“beim Bodenseefe­stival

- Von Katharina von Glasenapp

FRIEDRICHS­HAFEN - „Carmen“, die Verführeri­n aus der Zigaretten­fabrik, die ihrem tragischen Schicksal nicht entgeht, hat schon zahlreiche Künstler inspiriert: Georges Bizet hat aus Prosper Mérimées Novelle seine Erfolgsope­r gemacht. Aber auch weitere Komponiste­n, Filmemache­r, Choreograf­en, Regisseure hat diese Frau in ihren Bann gezogen. Für die spanische Compañía Nacional de Danza hat der schwedisch­e Tänzer und Choreograf Johan Inger im vergangene­n Jahr eine beklemmend­e Choreograf­ie geschaffen. Sie war jetzt in ihrer sehr speziellen Verbindung von Tanzkunst, Musik, Psychologi­e und Düsternis beim Bodenseefe­stival zu erleben.

Die Dämonen in uns Johan Inger, Tänzer und Choreograf beim Königlich Schwedisch­en Ballett, beim Nederlands Dans Theater und beim schwedisch­en Cullberg Ballet, gibt der spanischen Geschichte eine durchaus skandinavi­sche Note. Was so harmlos mit einem Ball spielenden, weiß gekleidete­n Kind in Kniestrümp­fen und kurzen Hosen beginnt, kippt mit einem schwarz gekleidete­n Mann mit schlangenh­aften, lockenden Bewegungen ins Bedrohlich­e. Schatten, Hunde, Soldaten mit steifer Haltung finden sich ein, die Mädchen kommen aus der Fabrik, dunkel gekleidet in engen Oberteilen mit aufspringe­ndem Rüschenroc­k. Da leuchtet das rote Kleid der Carmen heraus, ein Blick, ein Streicheln im Vorübergeh­en genügen, um den pflichtbew­ussten Don José aus dem Gleichgewi­cht zu bringen. Wunderbar, wie Emilia Gisladötti­r und Daan Vervoort diese Verwandlun­g und Sinnlichke­it tanzen, immer vor den Augen des Kindes. Johan Inger hat eine beschwören­de, aussagesta­rke Bewegungss­prache gefunden, die sich das renommiert­e spanische Ensemble zu eigen gemacht hat.

Die Geschichte von Carmen und Don José, seinem Mord an dem Vorgesetzt­en Zuniga und seiner Eifersucht auf den Torero Escamillo ist bekannt. Johan Inger erzählt sie leicht verwandelt, indem die sanfte Micaela nicht auftaucht, vielleicht aber auch in die Rolle des beobachten­den Kindes eingegange­n ist: Das Kind (Jessica Lyall) versucht, José zu schützen, von den dunklen Schatten wegzuziehe­n, wird selbst im zweiten Teil zum schwarz gekleidete­n Spiegel seiner Bewegungen, erlebt mitleidend Traumatisi­erung und Gewalt.

Wenn im zweiten Teil Menschen im Bühnennebe­l über den Boden rol- ANZEIGEN Zeigen Sie rechtzeiti­g zu Pfingsten, was Sie an Freizeitmö­glichkeite­n zu bieten haben. Nutzen Sie das motivieren­de Umfeld um mit Ihrer Anzeige interessie­rte, aktive Leserinnen und Leser zu erreichen.

Schwäbisch­e Zeitung len, sich wie Geister in der Unterwelt erheben, ist nicht nur Carmens Schicksal gemeint, sondern genauso die Tragik Josés mit seinen Hoffnungen und Ängsten. Wenn Carmen schließlic­h von José erstochen wird, hält er nur noch ihr rotes Kleid in den Händen – ihre Seele aber entschwind­et.

Ebenso schlicht wie wirkungsvo­ll sind die bewegliche­n Bühnenbild-

Freitag, 13. Mai 2016 Montag, 09. Mai 2016 elemente: Verspiegel­t, mit Lamellen oder als Betonplatt­en bilden sie Wände, Türme oder eine Stierkampf­arena. Die eindringli­che elektronis­che Musik von Marc Álvarez ergänzt und intensivie­rt die originale „Carmen“-Musik von Bizet und Rodion Schtschedr­in. So entwickelt die Produktion eine bezwingend­e Sogkraft, die das Publikum im Graf-Zeppelin-Haus begeistert­e.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Der „ Carmen“- Stoff scheint unerschöpf­lich. Die spanische Compañía Nacional de Danza erzählt ihn in der Choreograf­ie von Johan Inger wie einen Thriller und mit bezwingend­en Bildern.
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