Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Von Hähnen und Hörnern

- Hahnrei Reh Hahnrei. runye Hahnrei Muhme, Hagestolz, Kemenate, Tinnef Mostrich Maulaffen feilhalten, am Schlafittc­hen packen das Hasenpanie­r ergreifen Rei Einsam irr‘ ich durch die Gassen / durch den Regen, durch die Nacht. / Warum hast du mich verlassen,

eute ist ein Nachklapp fällig. Letzte Woche ging es um die Frage, was ein sei. Um es gleich klarzustel­len: Ein

ist ein betrogener, gehörnter Ehemann. Auch der Duden kennt ihn noch, setzt allerdings das Wörtchen „veraltet“hinzu. Damit rückt wieder einmal einer jener Begriffe ins Blickfeld, die in Zeiten eines extremen Sprachwand­els nicht mehr unbedingt von allen verstanden werden. Will man also sicherstel­len, dass ältere Texte – ob Romane, Sachbücher, Gedichte oder Lieder – weiterhin lesbar bleiben, so muss man an solche Wörter erinnern.

Selbst die „Bild“-Zeitung – ansonsten nicht gerade als Instanz der Sprachpfle­ge bekannt – brach unlängst über drei Seiten hinweg eine Lanze für sie. Es sei doch schade, wenn Begriffe wie

und oder Redensarte­n wie

oder verschwänd­en. Keine Gegenrede!

Nun zur nicht ganz geklärten Herkunft von Früher gab es die Sitte, einem Kapaun, also einem kastrierte­n Hahn, um ihn auf dem Hühnerhof sofort erkennen zu können, die Sporen abzuschnei­den und in den Kamm einzusetze­n. Dort wuchsen sie an und sahen dann wie Hörner aus. Damit hätte also eine fremdgehen­de Frau ihren Mann behandelt wie einen nicht mehr zur Liebe tauglichen Kastraten. könnte mit zu tun haben und mit der übrigens auch nur sehr schwer zu deutenden Redewendun­g, wonach eine Frau ihrem Mann Hörner aufsetzt. Es ließe sich aber auch mit einem alten ostfriesis­chen Wort für kastrieren in Verbindung bringen.

Bemerkensw­ert ist, dass es bei uns keinen analogen Begriff für die betrogene Frau gibt, obwohl doch der Ehebruch unter diesen Vorzeichen – glaubt man der Statistik – öfters vorkommt, also mehr Männer fremdgehen als Frauen. Eine Erklärung bietet sich an: Die Fallhöhe vom aufgeblase­nen Macho Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf. zum düpierten Würstchen wurde halt schon immer als besonders groß empfunden. So hat das Hahnrei-Motiv nicht umsonst unzählige Komödien, Schwänke und Spottliede­r befeuert.

Aber in welche Richtung auch immer der Betrug läuft, auf der Seite des oder der Betrogenen und Verlassene­n bleibt ein Groll. Mit der ihm eigenen skurrilen Ironie hat das Heinz Erhardt verarbeite­t:

 ??  ?? Rolf Waldvogel
Rolf Waldvogel

Newspapers in German

Newspapers from Germany