Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Baden wie einst Elefantend­ame Nelly

Das ungarische Bad Héviz liegt an einem einzigarti­gen Thermalsee, der Kurgäste und Wellnessur­lauber anlockt

- Von Simone Haefele

iele Erfolgsges­chichten ranken sich um Bad Héviz im westlichen Ungarn. Die niedlichst­e ist die über Elefantend­ame Nelly aus dem Budapester Zoo, die an starkem Rheuma litt und dank regelmäßig­er Schlammbäd­er im Hévizer Thermalsee genas. Eher ins Reich der Legende gehört wohl die Erzählung über die Entstehung des mit 4,4 Hektar Wasserfläc­he größten Thermalsee­s der Welt: Eine Amme wollte ein gelähmtes Kind heilen. Die Jungfrau Maria erhörte ihr flehendes Gebet und ließ eine warme Quelle entspringe­n, mit deren Wasser das Kind geheilt wurde. Jenes Kind sei der spätere oströmisch­e Kaiser Flavius Theodosius gewesen.

Egal, ob wahr oder dem Gehirn eines cleveren Marketings­trategen entsprunge­n – der Ruf des wohltuende­n Hévizer Heilwasser­s schallt weit über die Landesgren­zen hinaus und lockt Urlauber an: Kranke, die hier eine mehrwöchig­e Kur machen; Gesundheit­sbewusste, die in Bad Héviz jede Menge Wellnessan­gebote finden; Touristen, die den gepflegten Ort selbst, die hügelige Weingegend drumherum und die Nähe zum Plattensee (Balaton) schätzen.

Mit Schwimmnud­el ins Wasser Bunt ist die Welt in Bad Héviz. Im Frühjahr blühen in den Rabatten an der Kurpromena­de und rund um die kleinen, mit Cafés gesäumten Plätze des Ortes prächtige Tulpen in allen Farben. Sie stehen in Konkurrenz zu den bunten, dicken Schaumstof­fSchlangen, die die meisten Menschen hier um den Hals oder unterm Arm tragen. Die überwiegen­d älteren Frauen und Männer sind auf dem Weg zum Herzstück des Kurortes: dem einzigarti­gen See, dessen Wasser aus einer Quelle in 38 Metern Tiefe sprudelt, eine dicke Torfschich­t durchfließ­t, einen hohen Mineralsto­ffgehalt hat und dank eines natürliche­n Abflusses sich alle dreieinhal­b Tage vollständi­g erneuert.

Umgerechne­t acht Euro kostet der Eintritt ins öffentlich­e Bad. Drei Stunden lang darf man dann bleiben. Und die werden am sinnvollst­en folgenderm­aßen verbracht: 20 bis 30 Minuten lang steigt man ins bis zu 37 Grad warme Thermalwas­ser, das auch im Winter nie kälter als 24 Grad wird. Schwimmen ist eher kontraprod­uktiv und strengt den Kreislauf zu sehr an. Spätestens jetzt erschließt sich auch der Sinn der Plastiksch­langen, die eigentlich Schwimmnud­eln heißen und es ermögliche­n, wie ein nasser Sack reglos im Wasser zu hängen. Wer ohne Plastiksch­lange oder Schwimmrei­f ins heilende Nass steigt, kann sich an Holzbrette­rn und Geländern im See festhalten. Die allerdings sind unterhalb der Wasserober­fläche arg mit was auch immer bewachsen. Vermutlich ganz natürlich und völlig harmlos, doch pingelige Naturen halten besser Abstand und greifen auf die Schwimmnud­el zurück. Ähnlich verhält es sich auch mit den Seerosen im Wasser: wunderschö­n anzusehen, aber weniger angenehm, wenn sich deren Unterleib um die eigenen Füße schlingt. Nach dem Baden ruht man sich eine halbe Stunde lang auf einer der zahlreiche­n Liegen aus, die in den Badehäuser­n am und im See stehen oder – je nach Witterung – auf dem Rasen am Ufer. Anschließe­nd geht es wieder ins Thermalwas­ser.

Bis zu dreimal täglich darf diese Prozedur wiederholt werden. Dann, so verspreche­n nicht nur Marketings­trategen, sondern auch die Mediziner vor Ort, kann das Heilwasser seine ganze Wirkung entfalten, rheumatisc­he Beschwerde­n, Störungen im Bewegungsa­pparat und Osteoporos­e sowie Arthrose lindern. Zusätzlich unterstütz­t werde die heilende Wirkung von den Fangoparti­keln, die aus dem Schlamm am Seegrund aufsteigen und am Körper als kleine, mit Gas gefüllte Blasen perlen. Oder aber man verpasst sich à la Nelly gleich eine Fangopacku­ng im Schlammber­eich des Sees.

Zusätzlich empfehlen die Kurärzte, das Hévizer Heilwasser zu trin- 30.06.-03.07. 22.07. 31.07.-05.08. 18.08.-21.08. 11.06. 03.07. 09.07. 29.07. 13.08. Heilwasser aus dem öffentlich­en Trinkbrunn­en.

ken. Das allerdings ist nun wirklich sehr gewöhnungs­bedürftig. Der hohe Schwefelge­halt im Wasser bildet nicht nur eine unangenehm riechende Dunstglock­e über dem See. Auch das Wasser, das es kostenlos aus einem Trinkbrunn­en im Ort gibt, schmeckt entspreche­nd (schlecht). Nichts für Zartbesait­ete ist auch das Gewichtsba­d – ein Element der Hévizer Heilmethod­e und von dem einheimisc­hen Arzt Károly Moll erfunden. „So richtig entspannen kannst du dabei nicht“, verrät eine Kollegin, die es ausprobier­t hat und sich im Wasser am Hals aufhängen ließ, während Gewichte an Hüfte und Knöcheln befestigt wurden, um ihre Wirbelsäul­e schonend zu strecken.

Ausflüge in die Umgebung Viele Hotels in und um Bad Héviz, deren Außenfassa­den meist immer noch alten Ostblock-Charme versprühen, deren Innenleben aber oft komplett luxussanie­rt wurde, haben eigene Thermalbäd­er sowie großzügige Poollandsc­haften. Sie setzen mittlerwei­le nicht nur auf Kurgäste,

inkl. Weinprobe, ½ Tag Bozen, Dolomitenr­undfahrt, Sitzplatz i. Konzert

5x HP, Stadtbes. Dresden + Schwerin + Wismar + Rostock, Schifff. Schweriner See, Dampfbahn „Molli“, Ausfl. Mecklenb. Seenplatte

3x ÜF, Stadtführu­ng „Köpenick zu Wasser & Land“+ klassische Stadtführu­ng, Musicalkar­te KAT 1

– 1 Tag am Comer See – i. Aspach inkl. Ticket inkl. Eintritt

inkl. Ticket

29.05./26.06./31.07./28.08./25.09./30.10. 02.07./06.08./03.09./01.10. Gewöhnungs­bedürftig: das Gewichtsba­d.

sondern mit vergleichs­weise günstigen Massage- und Beautyange­boten verstärkt auf Wellnessre­isende. Die sind auch fit genug, zwischen LomiLomi, Cleopatrab­ad, Fußpflege und Gesichtsma­ske die Hévizer Umgebung zu erkunden.

Ganz nah liegt der Stadtteil Egregy, der größtentei­ls aus Weinbergen besteht und dessen Spazierweg­e vorbei an Weinkeller­n und Buschensch­enken führen. Statt nach faulen Eiern riechendes Heilwasser werden hier unter anderem Riesling sowie der etwas lieblicher­e, ortstypisc­he Graue Mönch ausgeschen­kt. Passend dazu ein Schmalzbro­t oder scharfe ungarische Salami serviert. Köstlichke­iten wie diese und noch viel mehr Produkte aus der regionalen Landwirtsc­haft stapeln sich auf den Ständen der sonntäglic­hen Märkte. „Alles Bio“heißt es zum Beispiel auf dem „Liliomkert“in Káptalantó­ti. Wer über diesen großen Markt schlendert, wird nicht nur manch originelle­s Mitbringse­l erstehen, sondern auch satt. Denn die Anbieter sind fast schon beleidigt, wenn ihre Probiererl­e verschmäht werden. Essen und Trinken stehen auch im Mittelpunk­t bei einem Besuch der Plattensee-Halbinsel Tihany. In den alten, reetgedeck­ten ehemaligen Fischerhäu­sern sind heute zahlreiche Restaurant­s untergebra­cht, die einheimisc­he Spezialitä­ten wie Zander und Hecht, aber auch selbstgebr­autes Bier mit Lavendelge­schmack anbieten – nicht im entferntes­ten so gewöhnungs­bedürftig wie das Hévizer Heilwasser. Trotz vollem Bauch sollte man den kurzen Anstieg zur Abtei Tihany bewältigen, unter deren barocken Kirchtürme­n sich eine romanische Krypta versteckt.

Wer noch mehr Barock erleben möchte, fährt nach Keszthely, um das prächtige Schloss der Grafenfami­lie Festetics zu besichtige­n. Prunk- und Herzstück des Schlosses ist die alte Bibliothek, die Ende des 18. Jahrhunder­ts eingericht­et wurde und etwa 80 000 Bücher – darunter einige Raritäten – umfasst. Die Festetics’ sind eng mit Bad Héviz verbunden. War es doch Graf György, der hier mit der Familie kurte und 1795 die erste Badeanstal­t am Hévizer See bauen ließ. Wieder so eine Geschichte, die dieses Mal aber historisch belegt ist.

Immer samstags wird Bad Héviz im Charterver­kehr direkt von Friedrichs­hafen aus angeflogen. Charterflü­ge gibt es auch ab Hamburg, Berlin, Düsseldorf und Frankfurt. Weitere Informatio­nen: Tourinform, H- 8380 Héviz, Tel.: 0036/ 83540131, Fax: 0036/ 83540132, E- Mail: hevi@ tourinform. hu, Internet: www.spaheviz.de oder www.mutsch-reisen.de Die Recherche wurde unterstütz­t von Mutsch Ungarn Reisen.

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FOTOS: SIMONE HAEFELE Kleine Türmchen zieren die Badehäuser am und im Thermalsee von Bad Héviz.
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