Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Calexicos schillernder Wüstentraum
Legendäre Folkrock-Band aus Arizona begeistert Ravensburger mit Gute-Laune-Musik
RAVENSBURG - „Wir werden dieses Theater beben lassen“, ruft lachend Joey Burns ins Publikum, und das Publikum im prall gefüllten Konzerthaus erfüllt dem charismatischen Frontmann der US-Band Calexico bereitwillig seinen Herzenswunsch. Gegen Ende des 125-minütigen Konzerts mit zwei Zugaben und insgesamt 26 Nummern scheinen die Wände des barocken Baus aus dem 19. Jahrhundert zu wackeln, als die unwiderstehliche Energie des feurigen Wüsten-Folkrocks noch dem letzten der etwa 600 Zuhörer in die Glieder fährt und den Saal zum Toben bringt. Der berühmte CalexicoEffekt, auch Oberschwaben hat ihn nun zu spüren bekommen.
Die glorreichen Sieben aus Tuszon/Arizona sind seit drei Wochen auf ihrer Europa-Frühlingstour unterwegs, um ihre Mission zu erfüllen: Grenzen zu überwinden und die Herzen zu öffnen mit einem schillernden Sound aus einem Schmelztiegel der Kulturen. Dazu serviert die Band poetische Geschichten aus allen Lebenslagen, verpackt in atmosphärische Lieder, die von Sehnsucht, Träumen und Ängsten erzählen. Kaum eine andere Truppe mixt bereits seit zwei Jahrzehnten eine Vielzahl von Stilen so gekonnt und entfaltet eine derart bildstarke, musikalische Magie wie Calexico, die ihre kreativen Wurzeln im gleichnamigen Ort an der amerikanisch-mexikanischen Grenze haben.
Labyrinth der Einsamkeit Auf dem aktuellen Album „Edge Of The Sun“kombinieren die Musiker um Joey Burns und John Convertino flirrenden Wüsten-Folk mit leidenschaftlichem Jazz, unter die Haut gehende Latin-Melancholie mit Mariachi-Romantik und feinen Einsprengseln von Pop und Reggae. Manche Songs des achten regulären Studiowerks von Calexico drehen sich um Migration, Elend und Flucht - alles Themen, die die Europäer heute bewegen. „Eine Zukunft wurde dir versprochen, verpackt in falsche Worte, ein Echo im Labyrinth der Einsamkeit, die Sicherheit auf Lügen gebaut“, singt Burns im schwermütigen „Bullets & Rocks“. Ein Schatten legt sich über den goldverzierten Stuck des Konzerthauses, doch kann die Melancholie nicht lange verweilen, weil sie schnell von der überbordenden Lebensfreude der internationalen Formation vertrieben wird.
Neben Burns stehen der deutsche Multi-Instrumentalist Martin Wenk und der spanische Gitarrist Jairo Zavala auf der Bühne. Die Band wird zudem in Ravensburg von der Bluessängerin Gaby Moreno aus Guatemala begleitet. Sie zählt auf der Europatour quasi zur Stammbesetzung dazu: Kaum hat die zierliche Frau zu Beginn des Konzerts zwei Songs alleine gespielt, kommt der Rest der Tex-Mex-Truppe auf die Bühne, um seinen „Special Guest“zu begleiten. Später stößt die laut Burns „fantastisch talentierte“34-Jährige zur Band dazu, um mit ihrer großartigen Stimme die Temperatur im Saal noch um einige Grad steigen zu lassen.
Dabei haben die Calexico-Musiker selbst keine Mühe, die Ravens- burger schon mit den ersten drei Nummern zu elektrisieren. Der schwungvollen Instrumental-Einleitung „Coyoacan“- so heißt der Stadtteil von Mexiko-City, in dem das Album geboren wurde - folgen die berauschend leichte Pop-Ballade „Falling From The Sky“und der flirrende Flamenco-Wirbel „Cumbia de Dondre“. Da tanzen bereits viele. „Vielen Dank! Alles gut?“, ruft Burns auf Deutsch in die fröhlich wiegende Menschenmenge und löst ein euphorisches Echo aus.
Nie reißt im Laufe dieses Abends das unsichtbare Band zwischen den virtuosen Sound-Künstlern und ihrem Publikum ab, das auf jede neue Calexico-Nummer begeistert anspringt - sei es der fröhliche Walzer, die dramatische Jazz-Ballade, der psychedelische Wüsten-Blues oder das beseelte Mariachi-Gebläse. „Fantastisch“seien die Ravensburger, sagt Burns begeistert am Ende und schwört, beim nächsten Konzert hier auch die leeren Logen des Konzerthauses zu füllen - ein Versprechen, das man dem sympathischen Amerikaner gerne abnimmt.
Weitere Eindrücke des Abends sehen Sie in einer Bildergalerie online unter: www.schwaebische. de/ calexico