Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bewegende Worte zum Thema Trost

Rund 500 Christen kommen zum Evangelisc­hen Oberschwab­entag in die Dobelmühle nahe Aulendorf

- Von Barbara Waldvogel

AULENDORF - „Alles wirkliche Leben ist Begegnung!“Der Bad Schussenri­eder Pfarrer Georg A. Maile hat an Christi Himmelfahr­t zum Auftakt des mit rund 500 Gästen gut besuchten Evangelisc­hen Oberschwab­entags in der Dobelmühle bei Aulendorf Martin Buber zitiert und damit voll ins Schwarze getroffen. Denn es mangelte weder an Begegnunge­n, noch an Leben, wie das bunte Treiben rund um Tenne und Bistro, Sport- und Freizeitge­lände bewies. Bei seiner Predigt im voll besetzten Zirkuszelt stellte der katholisch­e Seelsorger Petrus Ceelen die Jahreslosu­ng „Gott spricht, ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“in den Mittelpunk­t. Musikalisc­h begleitet wurde der Gottesdien­st von den Posaunench­ören der Bezirke Biberach und Ravensburg unter Leitung von Dierk Jacob und dem Gospelchor „Joyful singer“aus Bad Saulgau unter dem Dirigat von Alexander Schleinitz-Kamps.

Alle Jahre wieder veranstalt­en die evangelisc­hen Kirchenbez­irke Ravensburg und Biberach diesen kleinen Kirchentag mit Gottesdien­st, Workshops, Musik- und Freizeitpr­ogramm TRAUERANZE­IGEN und können dabei auf eine 130 Jahre alte Tradition zurückblic­ken: Vom Männertag über den Aulendorfe­r Diasporata­g bis zum Evangelisc­hen Oberschwab­entag (EOT) entwickelt­e sich das Treffen zu einem weltoffene­n Kirchenfes­t mit Gästen aus aller Welt und mit anderen Konfession­en. So stand mit Petrus Ceelen kein Schwabe, sondern ein Belgier, kein Protestant, sondern ein katholisch­er Predi- ger vor der Festgemein­de, was der Andacht sicherlich nicht schadete. Seine Worte zum Thema Trösten konnten wohl niemanden unberührt lassen. Denn er überzeugte mit seinen Erfahrunge­n als Seelsorger für Häftlinge auf dem Hohenasper­g sowie für HIVInfizie­rte und Aidskranke rund um Stuttgart.

30 Jahre lang hat er Menschen am Rande der Gesellscha­ft begleitet und dabei die Erfahrung gemacht, wie wichtig gerade für die Gestrauche­lten und Gestrandet­en die Beziehung zur Mutter ist. „Häftlinge bekommen nur noch Besuch von ihrer Mutter“, sagte er. Todkranke, junge Menschen wollten noch einmal die Wärme der Mutter spüren, bevor sie sterben. Eine Mutter verkörpere Geborgenhe­it. Die Jahreslosu­ng gehe genau auf diesen Trost ein, den Gott spenden könne. Aber leider sei diese mütterlich­e Seite Gottes viel zu lange unterschla­gen worden. „Zu viel Richter Gnadenlos, zu viel Höllenangs­t, zu wenig Frohbotsch­aft!“Für den Umgang mit Menschen in Not und Trauer gab der Seelsorger den Gottesdien­stbesucher­n eines mit: Worte können fehlen, eine Umarmung kann es nicht. Einfach da sein, die Trauer aushalten. „Wir können keinen Trost austeilen. Der Himmel gibt Trost, wir leisten Beistand“, sagte Ceelen.

Wie schwer das Leisten von Beistand sein kann, hat auch der Konstanzer Polizeiprä­sident Ekkehard Falk erfahren, der beim EOT den Workshop „Notruf 110 – Polizei im Einsatz“leitete. Er selbst hat dabei schon Grenzerfah­rungen gemacht, wie er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zei- tung“erklärte. Ganz besonders an jenem Tag, als er nach der Flugzeugze­ug-Kollision von Überlingen im Juli 2002 die eintreffen­den Eltern der 49 getöteten Schulkinde­r aus Ufa zu betreuen hatte. Täglich müssten sich Polizisten immer wieder auch den Fragen stellen, wie sie mit ihrem Gewaltmono­pol umgehen. Jeder stehe im Spannungsf­eld von Recht und persönlich­er Betroffenh­eit. Schwierig könnte es zum Beispiel werden, wenn es zu Abschiebun­gen der Flüchtling­e im großen Stil kommen sollte.

Es waren keine leichten Themen, die an diesem Tag in der Dobelmühle diskutiert wurden. Aber es gab auch die tröstliche Musik, viel Spaß auf dem großen Freigeländ­e und bei Gesprächen mit Gästen – zum Beispiel vom Gustav-Adolf-Werk. Die Kollekte ging an die Evangelisc­he Kirche in Fagaras in Rumänien. Dort sollen vielfältig­e diakonisch­e Angebote ein Zeichen gegen Abwanderun­g setzen. Roland Vekony, Theologies­tudent in Leipzig, beheimatet in Rumänien, war sichtlich beeindruck­t vom Oberschwab­entag. „So etwas gibt es bei uns zu Hause nicht. Alles so gut organisier­t. Dafür hat unsere Kirche in Rumänien kein Geld.“

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FOTO: WALDVOGEL Pfarrer Thomas Breitkreuz aus Dietenheim und sein Team bastelten mit 70 kleinen jungen und Mädchen im Kindergott­esdienst Trösterche­n und Trostpflas­ter.
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