Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Und ob sie ihn noch brauchen!
Hinter Christian Ehrhoff liegt eine schwierige NHL-Saison, bei der Eishockey-WM setzt Marco Sturm auf den Verteidiger
chätzen gelernt haben sie sich im Silicon Valley, Herbst 2003. Lange her. Christian Ehrhoff war neu in der National Hockey League; die San Jose Sharks hatten sich die Dienste des 21-Jährigen von den Krefeld Pinguinen gesichert. Marco Sturm spielte bereits die siebte Saison in Kalifornien Eishockey; der Stürmer aus Dingolfing nahm sich des Verteidigers aus Moers an, kümmerte sich, half. Christian Ehrhoff damals: „Er ist neben meiner Freundin, mit der ich täglich telefoniere, meine wichtigste Bezugsperson. Bei Auswärtsspielen teilen wir uns das Zimmer, Marco gibt mir viele Tipps.“
Zwölfeinhalb Jahre später ist Freundin Farina Frau Ehrhoff, komplettieren die Töchter Leni, Milla und Olivia die Familie, sind in den einschlägigen Statistiken 862 NHL-Einsätze für Christian Ehrhoff verbucht (nebst 81 Toren und 293 Vorlagen). Und: Zwölfeinhalb Jahre später hat Marco Sturm als Bundestrainer und General Manager der Eishockey-Nationalmannschaft erstmals Verantwortung bei einer Weltmeisterschaft. In Russland geht es von Samstag an gegen Frankreich, Finnland, die Slowakei, Kanada, Weißrussland, die USA und Ungarn. Vier der neun deutschen NHL-Akteure stehen im 25-Mann-Aufgebot des 37-Jährigen: die Angreifer Leon Draisaitl (Edmonton Oilers) und Tobias Rieder (Arizona Coyotes), die Verteidiger Korbinian Holzer (Anaheim Ducks) und eben Christian Ehrhoff (Chicago Blackhawks).
Am Anfang stand ein Check Eishockey für die Ewigkeit sah man nicht am 15. August 1999: Mit 2:4 verloren die Krefeld Pinguine bei Kölns Haien – DEL-Vorgeplänkel, erster Test nach wenigen Tagen Training, ziemlich beiläufige 60 Nettominuten eigentlich. Wäre da nicht dieser Open-Ice-Check gegen Sergio Momesso gewesen, den Kölner 100-Kilogramm-Hünen, gestählt in 829 NHLEinsätzen. Der ihn fair zum Straucheln gebracht hat mit seiner frechen Attacke, war ein schmächtiges Bürschchen mit Gitterhelm: Christian Ehrhoff, gerade 17, bei seinem Debüt als DEL-Pinguin. Verteidigung Denis Reul ( Adler Mannheim; 26, 56), Korbinian Holzer ( Anaheim Ducks; 28, 32), Daryl Boyle ( EHC Red Bull München; 29, 20), Christian Ehrhoff ( Chicago Blackhawks; 33, 84), Torsten Ankert ( Kölner Haie; 27, 36), Sinan Akdag ( Adler Mannheim; 26, 53), Constantin Braun ( Eisbären Berlin; 28, 57), Moritz Müller ( Kölner Haie; 29, 92). ANZEIGE
„Christian“, hat Marco Sturm dieser Tage gesagt, „ist ein Krieger.“Keine etwas (zu) martialisch geratene Reminiszenz an die Momesso-Episode ist das gewesen, auch kein nostalgischer Einwurf von wegen „damals in San Jose“. Nein, der Neu-Eishockeytrainer Sturm denkt und handelt in der Gegenwart. Die heißt St. Petersburg, heißt Weltmeisterschaft Top Division, Vorrundengruppe B. „Krieger“vor diesem Hintergrund bedeutet: „Der will immer das Maximum.“
Stimmt. Und erklärt – auch – die mittlerweile zwölf Jahre in einer Liga, die ihr Personal erbarmungslos siebt. Wenn nicht zum Ehrgeiz andere Qualitäten kommen: Christian Ehrhoffs Schlagschuss hat lange schon einen Ruf, schlittschuhläuferische und technische Fertigkeiten machten den Hatte die Qual der Wahl: Bundestrainer Marco Sturm. 33-Jährigen speziell in Überzahl (jedoch nicht nur dort) zu einem Trumpf; Übersicht paarte er im Spielaufbau mit Kreativität. Auf dem Gipfel seines Puck-Schaffens führte Christian Ehrhoff die Vancouver Canucks ins Stanley-Cup-Finale 2011; Spiel sieben (!) entschied es für die Boston Bruins mit Landsmann Dennis Seidenberg. Der Verlierer war nach der stärksten Saison seiner Karriere so gefragt, dass er einen Zehnjahresvertrag offeriert bekam. 40 Millionen Dollar ließen sich die Buffalo Sabres seine Unterschrift kosten; zehn Millionen flossen gleich 2011/12. Der teuerste Verteidiger der NHL zu jener Zeit hieß: Christian Ehrhoff.
Den Kopf höher tragen? Nicht der Junge aus Moers. Franz Reindl, Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes und Wegbegleiter bei den meis- Sturm: Tobias Rieder ( Arizona Coyotes; 23, 25), Jerome Flake ( Hamburg Freezers; 26, 39), Brooks Macek ( Iserlohn Roosters; 23, 11), Markus Kink ( Adler Mannheim; 31, 99), Leon Draisaitl ( Edmonton Oilers; 20, 19), Yannic Seidenberg ( EHC Red Bull München; 32, 121), Patrick Reimer ( Nürnberg Ice Tigers; 33, 75), Gerrit Fauser ( Grizzlys Wolfsburg; 26, 9; noch nicht offiziell gemeldet), Patrick Hager ( Kölner Haie; 27, 95), Felix Schütz ( Rögle BK; 28, 104), Marcel Goc ( Adler Mannheim; 32, 91), Dominik Kahun ( EHC Red Bull München; 20, 11; noch nicht offiziell gemeldet), Philip Gogulla ( Kölner Haie; 28, 136), Marcel Noebels ( Eisbären Berlin; 24, 32). ten der 84 Länderspiele (elf Tore, 13 Vorlagen), ist einer, der nicht ins Blaue lobt. Franz Reindl nennt Christian Ehrhoff einen „Supertyp“, hebt vor allem „sein Charisma“, „seine Ausstrahlung“hervor: „Wenn der Christian in die Kabine geht, ist da eine andere Atmosphäre. Der bringt die Mannschaft sicherlich vorwärts.“
SMS gleich nach dem Play-off-Aus Da ist nachrangig, dass in und nach Boston manches unrund lief im NHLAlltag des Christian E. Die Play-offs fanden dreimal in Folge ohne die Bruins statt, 2014 lösten die den Langzeitkontrakt gegen eine Ausgleichszahlung auf. Christian Ehrhoffs Hoffnung, seinen Lebenstraum Stanley Cup mit den Pittsburgh Penguins zu verwirklichen, erfüllte sich danach nicht; zwei Gehirnerschütterungen machten das Jahr im Nordwesten der USA zu einem gebrauchten. Die laufende Saison begann Christian Ehrhoff bei den Los Angeles Kings, fand sich zwischenzeitlich in deren Farmteam, den Ontario Reign, wieder, ehe er Ende Februar bei den Chicago Blackhawks unterkam. Befristet zwar, für den Rest der Spielzeit. Dennoch: ein Neuanfang, die „vielleicht allerletzte Chance“. Beim Cup-Verteidiger! Doch Trainer Joel Quenneville setzte den Zugang – nach acht Hauptrunden-Einsätzen – in den Play-offs auf die Tribüne; das überraschende Aus gegen die St. Louis Blues musste er tatenlos quittieren.
Frustrationsbewältigung allein war es nicht, die Christian Ehrhoff bald nach jenem 25. April zum Handy greifen ließ. „Ich habe immer gesagt, dass ich jederzeit für die Nationalmannschaft spielen werde, wenn nichts dazwischenkommt.“Fünf WM- und drei Olympia-Teilnahmen sind bereits dieser Loyalität entsprungen. Jetzt also erreichte den Bundestrainer eine SMS: „Ich hab’ gefragt, ob er mich noch braucht.“
Tat Marco Sturm. Und sah sich trotz des Verlängerungs-3:4 im finalen WM-Test gegen die Schweiz bestätigt. „Christians Präsenz spürt man sofort, er gibt der Mannschaft den nötigen Halt.“Mit kleinen Schönheitsfehlern noch. NHL-Spiel 862 war am 9. April – drei Wochen ohne Wettkampfpraxis müssen aus Kopf und Knochen. Anders gesagt, Ehrhoffschselbstkritisch gesagt: „Es war okay. Aber da kann noch mehr kommen.“
Sieben Weltmeisterschaftsauftritte plus x (im Fall des Weiterkommens) bieten ausreichend Gelegenheit. Für einen, der immer das Maximum will, sowieso.
Die Eishockey-WM 2016 Gruppe A in Moskau: Schweden, Lettland, Tschechien, Russland, Schweiz, Kasachstan, Norwegen, Dänemark. – Gruppe B in St. Petersburg: USA, Kanada, Finnland, Weißrussland, Slowakei, Ungarn, Frankreich, Deutschland. – Modus: Die jeweils vier Gruppenbesten ziehen ins Viertelfinale ein.
Die deutschen Vorrundenspiele: Sa., 7. Mai: Frankreich – Deutschland ( 15.15 Uhr); So., 8. Mai: Finnland – Deutschland ( 15.15 Uhr); Di., 10. Mai: Slowakei – Deutschland ( 15.15 Uhr); Do., 12. Mai: Kanada – Deutschland ( 19.15 Uhr); Fr., 13. Mai: Deutschland – Weißrussland ( 19.15 Uhr); So., 15. Mai: Deutschland – USA ( 15.15 Uhr); Mo., 16. Mai: Deutschland – Ungarn ( 19.15 Uhr). TV: Sport1 überträgt jeweils live. 2. Bundesliga ( 33. Spieltag), So.: Freiburg – Heidenheim, Kaiserslautern – Greuther Fürth, Nürnberg – St. Pauli, Leipzig – Karlsruhe, Düsseldorf – FSV Frankfurt, Bochum – Braunschweig, 1860 München – Paderborn, Sandhausen – Duisburg, Bielefeld – Union Berlin ( 15.30). 3. Liga ( 37. Spieltag), Sa.: Fortuna Köln – Aue, Münster – Dresden, Großaspach – Wehen Wiesbaden, VfB Stuttgart II – Magdeburg, Würzburg – Kiel, Erfurt – Cottbus, Mainz 05 II – Rostock, Halle – Aalen, Bremen II – Stuttgarter Kickers, Chemnitz – Osnabrück ( 13.30). Regionalliga Südwest ( 31. Spieltag), Fr.: Worms – Hoffenheim II, Pirmasens – Waldhof Mannheim ( 19.00); Sa.: Spielberg – Saar 05 Saarbrücken, Homburg – Elversberg, 1. FC Saarbrücken – Bahlingen, Kassel – Kaiserslautern II, Offenbach – Walldorf, SC Freiburg II – Neckarelz, Steinbach – Trier ( 14.00). Regionalliga Bayern ( 32. Spieltag), Fr.: Regensburg – Memmingen ( 19.00); Sa.: Illertissen – Rain ( 14.00). Oberliga Baden-Württemberg ( 31. Spieltag), Fr.: Kehl – Nöttingen ( 18.30); Sa.: Ravensburg – Stuttgarter Kickers II, Sandhausen II – Freiberg, Hollenbach – Villingen, Bissingen – Friedrichstal, Reutlingen – Freiburger FC, Pforzheim – Balingen ( 15.30), Oberachern – Pfullendorf ( 17.00); So.: Karlsruhe II – Ulm ( 15.00).
Basketball Bundesliga, Play- off- Viertelfinale ( best of five), 1. Spiel, Sa.: Oldenburg – Ulm ( 17.30), Frankfurt – Berlin ( 18.30), München – Ludwigsburg ( 19.30); So.: Bamberg – Würzburg ( 20.30).
Handball Bundesliga ( 29. Spieltag), Sa.: FlensburgHandewitt – Göppingen ( 19.00); So.: Stuttgart – Balingen- Weilstetten ( 17.15).