Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kittel gegen den Gorilla
Der Wettstreit der deutschen Weltklasse-Sprinter könnte den Giro d’Italia prägen
APELDOORN (SID/dpa) - Die Form stimmt, die Automatismen im neuen Team greifen, doch die erste echte Reifeprüfung muss Marcel Kittel noch bestehen. Beim Giro d’Italia kehrt der Weltklasse-Sprinter aus Arnstadt heute auf die große Bühne zurück. Nach der Seuchensaison 2015 zählen für den Radprofi bei der ersten wichtigen Landesrundfahrt des Jahres nur Etappensiege. Im Kampf um den Sprinter-Thron beim Giro steht Kittel jedoch vor allem ein Fahrer im Weg: André Greipel. Der „Gorilla“aus Rostock blickt auf die bislang beste Saison seiner Karriere zurück. Er will seinen Status als schnellster deutscher Radprofi dem wiedererstarkten Kittel auf keinen Fall kampflos überlassen.
Kittel gegen Greipel – der Wettstreit der deutschen Ausnahmesprinter könnte die 99. Auflage der Italien-Rundfahrt prägen. Kittel jedenfalls ist hoch motiviert. „Der Giro ist das erste absolute Saisonhighlight für mich. Man kann natürlich nichts erzwingen, aber es sollte schon so klappen, wie wir uns das vorstellen“, sagte der 27-Jährige. Fast zwei Jahre hat er auf einen solchen Höhepunkt warten müssen. Dabei schien er in den Jahren 2013 und 2014, unter anderem mit acht Tour-Etappensiegen, eine Ära begründen zu können. Doch eine hartnäckige Viruserkrankung setzte ihn im Vorjahr fast gänzlich außer Gefecht. Während der Thüringer kaum in Erscheinung trat und sich vom Team Giant-Alpecin trennte, blühte Greipel in der gewohnten Umgebung seiner Equipe Lotto-Soudal auf. Der Norddeutsche feierte seinerseits vier Tageserfolge bei der Frankreich-Rundfahrt.
„Ich bin gut drauf, fühl’ mich gut“Der Wechsel zu Etixx-QuickStep um den Cottbusser Zeitfahrspezialisten Tony Martin zur neuen Saison beflügelte Kittel. Bereits acht Siege feierte der Thüringer, in der Vorwoche auch bei der Tour de Romandie in der Schweiz. „Ich bin gut drauf, ich fühl' mich gut, ich kann mich nicht beschweren“, sagte Kittel, der bei Etixx längst angekommen ist. „Ich bin richtig zufrieden mit dem Team, der gute Auftakt hat dazu gepasst. Die ersten Saisonziele zu erreichen, war wichtig. Das ist eine absolut gute Basis, für das, was kommt“, sagte Kittel.
Bei der belgischen Mannschaft genießt Kittel das zuvor verloren gegangene Vertrauen der sportlichen Führung. Man trete beim Giro an, „um Marcel zu einem Etappensieg zu verhelfen“, sagte Sportdirektor Davide Bramati. Im neunköpfigen EtixxAufgebot stehen deshalb unter anderem Fabio Sabatini (Italien) und Lu- kasz Wisniowski (Polen) als wichtige Helfer bereit. Anders als bei seiner Giro-Premiere 2014, als Kittel nach den Etappensiegen in Belfast und Dublin vorzeitig ausstieg, will Kittel dem Rennen so lange wie möglich erhalten bleiben. „Der Giro soll auch ein guter Baustein für die weitere Saison sein. In und um den Giro ist natürlich alles auch abgestimmt in Richtung Tour“, sagte Kittel.
Gleiches gilt für Greipel. Allerdings sind die Vorzeichen diesmal quasi umgekehrt. Denn diesmal war es der Rostocker, der unfreiwillig gestoppt wurde. „Ich hatte das schlechteste Frühjahr, soweit ich denken kann. Das war alles andere als schön“, meinte er mit Blick auf seinen dreifachen Rippenbruch bei der Algarve-Rundfahrt. Entsprechend sei die Form noch nicht wie bei der Tour 2015. „Aber sprinten geht immer. Man kann siebenmal hinfallen, muss aber achtmal aufstehen. Das versuche ich“, sagte der 33-Jährige. Schließlich gilt es für ihn, eine Erfolgsserie fortzusetzen. Seit 2008 hat Greipel immer mindestens eine Etappe bei einer großen Rundfahrt, beim Giro, der Tour oder der Vuelta in Spanien gewonnen.
Die erste von sechs, sieben Chancen auf einen Sprintsieg bietet sich den Deutschen morgen auf Etappe zwei ins niederländische Nijmegen.