Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Der Individualist nimmt einen neuen Anlauf
Freistilschwimmer Clemens Rapp will sich bei den Deutschen Meisterschaften zwei Tickets für Rio sichern
HEIDELBERG - Clemens Rapp hat schon mal gefeiert. Mit einem Schlückchen Sekt. „Nur einem winzigen Schluck“, gibt er zu. Und das vor den Großereignissen in diesem Jahr, den Deutschen Meisterschaften in Berlin, wo der 27 Jahre alte Schwimmer aus Eichstegen im Landkreis Ravensburg heute über 400 Meter Freistil zum ersten Mal ins Wasser geht – und natürlich den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro. Für die will sich Rapp nun in Berlin über 200 und 400 Meter Freistil qualifizieren. Gefeiert hat Rapp nicht Erfolge der Zukunft, sondern im Rahmen eines Höhentrainingslagers im Januar und Februar in der Sierra Nevada. Es war zusammengerechnet bereits die 52. Woche im Süden Spaniens, ein Jahr seiner Laufbahn hat er dort verbracht. Eine Konstante. „Ich habe gute Erfahrungen mit dem Training in der Höhe dort gemacht. Warum sollte ich etwas verändern?“
„Mein Ziel sind zwei Bestzeiten“Neu ist, dass Rapp, der seine Schwimmkarriere im Alter von 13 Jahren einst beim TSV Bad Saulgau begann, seit rund vier Wochen für die Neckarsulmer Sport-Union startet. „Schon seit zwei, drei Jahren begleite ich eine Trainingsgruppe des Vereins bei Trainingseinheiten an ein bis zwei Samstagen im Monat. Das werden wir in Zukunft intensivieren“, sagt Rapp. Der Startrechtwechsel ist komplett, mit allen Konsequenzen. So kann er in Zukunft nicht mehr für seinen bisherigen Verein, den SV Nikar Heidelberg, an der DMS, der deutschen Mannschaftsmeisterschaft der Schwimmer, teilnehmen. „Ich habe eh andere Ziele als die DMS, die ich zuletzt meist aus dem vollen Training heraus bestritten habe. Die DMS ist für den Verein was Schönes, für den Sportler? Na ja ...“, sagt Individualist Rapp. „Sonst ändert sich nichts. Ich arbeite weiter mit Michael Spikermann in Heidelberg zusammen.“
Sein Ziel sind zwei Tickets für Rio: über 200 und 400 Meter Freistil. „Da sehe ich die besten Chancen“, sagt Rapp, der sich in Berlin auf diese Strecken konzentriert. Auf die 200 Meter am Sonntag vor allem wegen des Tickets für die 4 x 200-Meter-Staffel? „Nein, zunächst will ich das Ticket für die Einzelstarts.“Da ist er wieder, der Individualist Clemens Rapp. Und auch die Normzeiten verursachen keine Kopfschmerzen. „Mein Ziel sind zwei Bestzeiten.“Die Konkurrenz ist groß. Über 200 Meter der schier übermächtige Paul Biedermann, über 400 Meter Florian Vogel und Jacob Heidtmann. Auch um die junge Konkurrenz zu schlagen – Rapp ist über 400 Meter Freistil der älteste qualifizierte Teilnehmer – hat er in den vergangenen Monaten geschuftet, war zuletzt für eine Woche im Trainingslager auf Teneriffa. Sollte Rapp in Berlin über 400 Meter unter die besten Zwei, über 200 Meter unter die besten Vier – wegen der Staffel – kommen und die Qualifikationszeiten knacken, begänne nach einigen Tagen Pause die konzentrierte Vorbereitung auf Olympia in Rio de Janeiro, inklusive Trainingslager und Überprüfungswettkampf.
Ad acta gelegt hat Rapp fürs Erste Starts über die langen Strecken, 800 und 1500 Meter Freistil. „Für die 1500 Meter Freistil fehlen mir Trainingskilometer in jungen Jahren, da ich erst mit 13 angefangen habe.“Dennoch habe ihm der „Ausflug“etwas gebracht, „Grundlagenausdauer beispielsweise“. Wie lange er das Schwimmen noch braucht, darüber will sich Rapp, der im Oktober seinen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften gemacht und mit dem Masterstudiengang begonnen hat, erst nach einem möglichen Rio-Start äußern. „Zunächst konzentriere ich mich auf den Sport, danach stehen andere Dinge im Mittelpunkt. Dann mache ich mir Gedanken: Kannst du so aufhören? Wo zieht es mich hin?“Vielleicht ja bei einem Gläschen Sekt nach einem Finalstart in Rio. Egal, ob im Einzel oder mit der Staffel.