Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Frust, Stolz und wenig Trost

Der FC Bayern und sein Trainer Pep Guardiola erweisen sich nach dem Aus gegen Atlético als faire Verlierer

- Von Jochen Schlosser

MÜNCHEN - Schluss. Aus. Ende. Die Saison des FC Bayern ist vorbei. Die Mienen der Spieler ließen keinen anderen Schluss zu. Mit gesenktem Blick schlichen die Münchner in Richtung Ausgang. Als sich die Köpfe bei den unausweich­lichen Fragen der Reporter hoben, leuchteten unbarmherz­ige Kameralich­ter in traurige, leere Augen. Nicht einmal die nahe Titelverte­idigung spendete Trost nach diesem bitteren 2:1 (1:0)Sieg gegen Atlético Madrid, dem Ende aller Champions-League-Träume. „Wir haben versucht, in der Kabine davon zu sprechen, dass wir am Wochenende Meister werden können“, sagte etwa Philipp Lahm. Versucht!

Wen interessie­rt schon der Ingolstädt­er Sportpark und die 26. Meistersch­aft, wenn soeben die große Chance vergeben wurde, Ende Mai im Mailänder Giuseppe-Meazza-Stadion Europas Fußballgip­fel zu erklimmen? Allzu viele verpasste Tormöglich­keiten, ein von Thomas Müller vergebener Foulelfmet­er und ein blöder Abwehrfehl­er – Jérôme Boateng hatte vor Antoine Griezmanns Ausgleich (54.) gepatzt – machten einen großartige­n Fußballabe­nd mit Toren von Xabi Alonso (31.) und Robert Lewandowsk­i (74.) zu einem Arturo Vidal

Trauerspie­l. Da half es auch nicht, dass sich ausgerechn­et Kämpfer Arturo Vidal ereiferte: „Heute hat der hässliche Fußball, Atlético, gegen den besten Fußball der Welt gespielt. Das einzige Mal, dass sie den Ball gesehen haben, war bei ihrem Tor. Im Fußball gewinnt nicht immer das bessere Team.“

Beim cholerisch­en Chilenen und bei Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge, der über Schiedsric­hter Cüneyt Cakir schimpfte („Wir fühlen uns ein bisschen betrogen“), überwog die Wut. Ansonsten waren die Bayern gute Verlierer. Thomas Müller etwa räumte ein, dass es sein Fehler gewesen sei, den Elfer nicht zu verwandeln. „Wir haben nicht nur den Ball quergescho­ben und ein bisschen Ballbesitz­fußball gespielt, sondern wir hatten Zug nach vorne, haben uns in jeden Zweikampf reingehaue­n“, stellte er völlig richtig fest. „Wir müssen uns nicht schämen, aber draußen sind wir trotzdem.“

Auch Pep Guardiola hatte schwer am Aus zu knabbern. Doch der Katalane hielt sich nach dem Scheitern nicht mit klein-klein auf, es gab stattdesse­n die Bilanz-Pressekonf­erenz seines Münchner Wirkens. „Ich bin sehr stolz auf meine Spieler, wir haben alles gemacht. Ich habe alles gemacht. Ich hoffe, Carlo Ancelotti (ab Sommer sein Nachfolger, die Red.) kann das Niveau, das ich geschaffen habe ...“, sagte der Coach und vergaß, das Wörtchen „halten“auszusprec­hen. „It was an honour mit diese Spieler.“Eine Ehre sei es ihm gewesen. Immer, wenn es Guardiola wichtig wird, neigt er zum EnglischDe­utsch-Kauderwels­ch. „Diese Spieler sind: wow! Wirklich sehr, sehr gut“, sagte er dann noch.

Wie er seine internatio­nal titellose Zeit in München bewertet wissen will? „Es war mein Ziel, ein Finale zu erreichen. Vielleicht war die Chance dieses Jahr größer als in den Vorjahren, aber es ist nicht meine Aufgabe, meine Zeit hier zu bewerten.“Dann grübelte er: „Dass wir in Madrid kein Tor geschossen haben, war vielleicht der Unterschie­d. Auf der anderen Seite hätten wir heute drei, vier, fünf Tore schießen können.“Offen gab Guardiola zu: „Ich wollte das Finale erreichen, alle drei Jahre – ich habe es nicht geschafft. Ich hoffe, Carlo kann es erreichen.“Es klang ehrlich, es tat ihm leid. „Ich will es den Leuten sagen, denn die Spieler wissen das: Ich habe mein Bestes getan. Ich habe mein Leben für diese Spieler und diesen Verein gegeben – bis zur letzten Minute.“

Wie seine Arbeit rückwirken­d betrachtet werden wird? „Ich weiß

„Heute hat der hässliche Fußball, Atlético, gegen den besten Fußball der Welt gespielt.“ „Ich habe mein Leben für diese Spieler und diesen Verein gegeben – bis zur letzten Minute.“

Pep Guardiola

nicht, was ich Bayern München hinterlass­en werde, ob ich die richtige Person war. Ich weiß nur, dass ich vom ersten bis zum letzten Tag den Spielern helfen wollte. Ich habe kein regret.“Da war es wieder, das Guardiolis­ch. Er bedauere nicht, hergekomme­n zu sein. „Du kannst das Beste geben und trotzdem verlieren.“

Worte, die den oftmals so selbstverl­iebten Fußballleh­rer plötzlich menschlich machten. Worte, die Respekt abnötigten. Auch sein Blick war leer, der Mann war geschafft. Nicht wegen der verpassten Trophäe. „Titel sind Nummern, Statistike­n sind Statistike­n“, sagte Guardiola. Und dennoch war er traurig. „Nicht wegen mir, ich bin traurig für meine Spieler, es ist eine fantastisc­he Truppe. Es war eine fast perfekte Champions-League-Saison. Es tut weh.“Guardiola hatte seine Jungs kurz vorher gesehen. Vielleicht hatte auch er in der Kabine versucht, über den Titel zu sprechen, über Ingolstadt.

Um diese Spielzeit halbwegs zu retten, bleibt immerhin noch der 21. Mai, das Berliner Olympiasta­dion, ein Sieg gegen Dortmund als Trost. „Zum Pokalfinal­e“, sagte Philipp Lahm, „ist es ja noch ein Stück hin. Da kann man dann wieder hochfahren.“Und danach ist die Saison des FC Bayern auch wirklich vorbei.

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FOTO: DPA Frust hoch vier ( von links nach rechts): Die Münchner Schlüssels­pieler Thomas Müller, Franck Ribéry, Xabi Alonso und Philipp Lahm nach dem Aus gegen Atlético Madrid.

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