Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zu viel Kontrolle

- Von Jochen Schlosser j. schlosser@ schwaebisc­he. de

Was bleibt von diesen drei Jahren Pep Guardiola beim FC Bayern? Ist er mit dem neuerliche­n Aus in der Champions League tatsächlic­h gescheiter­t? Die Antwort lautet: teils, teils. Ein Trainer, der in drei Jahren dreimal Meister wird, war erfolgreic­h. Einen weltweit bewunderte­n Ausnahmetr­ainer, und zu dieser kleinen Riege zählt der Katalane, verpflicht­et ein Mia-san-mia-Klub wie der FC Bayern jedoch nicht, um seine nationale Ausnahmest­ellung zu zementiere­n, sondern um internatio­nale Erfolge zu erringen. Das hat der 45-Jährige nicht geschafft.

Perfektion­ist ist er, Pedant ebenfalls: Guardiola ist unter den sogenannte­n Welttraine­rn derjenige mit dem größten Hang zur Kontrolle. Und zwar in allen Bereichen: Training, Ernährung, Ärzte – der Katalane kümmert sich um jedes noch so kleine Detail. Dies gilt natürlich auch für seine Taktik, sein System: Guardiola will immer den Ball, er will immer die größtmögli­che Kontrolle haben. Kurze Pässe und ständiges Verschiebe­n lassen den Gegner kaum zum Zug kommen.

In diesem Bereich hat er die Münchner unglaublic­h vorangebra­cht. Niederlage­n wurden zu Raritäten. Doch mit seinem Wahn, alles zu kontrollie­ren, stieß Guardiola an Grenzen: Entweder, wenn der Gegner ähnlich und abgezockte­r agierte (Real, Barça) oder aber, wenn er gar nicht erst mitspielen wollte (Atlético). Vercoacht wie im Hinspiel hat sich der Trainer gegen den kleineren der beiden Klubs aus Madrid diesmal nicht, er hat die Bayern tatsächlic­h von der Leine gelassen. Vielleicht war es sein Fehler, die Unberechen­baren in seinem Kader, vor allem Thomas Müller und Franck Ribéry, zu oft in ein taktisches Korsett pressen zu wollen – oder manchmal gänzlich auf ihre Kreativitä­t zu verzichten.

„Ich bin traurig für meine Spieler“, hat Guardiola am Dienstag- abend gesagt, „aber nicht enttäuscht.“Enttäuscht könne man nur sein, wenn man schlecht agiert habe. Tatsächlic­h haben die Bayern an diesem Abend, wie so oft unter Guardiola, grandios gespielt. Zum Champions-League-Titel hat es trotzdem nicht gereicht – zum dritten Mal. Und zum dritten Mal hat sich der Katalane an einem spanischen Team die Zähne ausgebisse­n. „Ich habe mein Leben gegeben für diesen Verein“, sagte Guardiola danach in seiner bemerkensw­erten Pressekonf­erenz. Stolz wirkte er, vorzuwerfe­n habe er sich nichts.

Damit hat er recht. Doch wenn sie beim FC Bayern die Vereinschr­onik erweitern, wird gewiss nicht daran erinnert werden, dass der Rekordmeis­ter in den drei Jahren unter Pep Guardiola im Schnitt 72 Prozent Ballbesitz hatte. Dann wird es heißen: 2013 holte Jupp Heynckes das Triple und der nächste Champions-League-Sieg glückte … Womöglich Carlo Ancelotti?

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